Robin Wagener MdB
30.11.2023

Robin Wagener (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In einer Rede erklärte Wladimir Putin am Dienstag erneut, dass er Russland, Belarus und die Ukraine als sogenannten dreieinigen Staat begreift, dass er weder Belarus noch der Ukraine eine eigene Staatlichkeit, eine eigene Souveränität zuerkennt.

Angetrieben von seinen imperialen Großmachtfantasien, will er die Ukraine unterwerfen. Und das Mittel der Unterwerfung, das sind der fortdauernde Angriffskrieg und unzählige Verbrechen, sind Mord, Vergewaltigung, Folter, Verschwindenlassen und Deportation von Kindern nach Russland und Belarus. Überall, wo Putins Truppen wüten, hinterlassen sie Tod und Zerstörung, und das nicht abstrakt. Es geht um einzelne Menschen, um einzelne Leben, um einzelne Schicksale, um Geschichten. Und das sind die Menschen und die Schicksale, über die wir bei der Fortentwicklung des Völkerstrafrechts reden.

Gleichzeitig wird immer deutlicher, wie eine Allianz der Diktatoren und Autokraten daran arbeitet, die regelbasierte internationale Ordnung zu untergraben. Deren Konzept der Herrschaft durch Missbrauch von Recht, der Herrschaft des Stärksten und der Willkür steht die Herrschaft des Rechts entgegen. Das ist die zentrale Idee der liberalen Demokratie, aber auch die zentrale Idee aller Staaten, die an einem friedlichen Zusammenleben von Staaten mit unterschiedlichen Interessen und Stärken interessiert sind.

„Verstöße gegen das Völkerrecht werden von Menschen begangen, nicht von abstrakten Einheiten“ – das ist das berühmte Leitmotiv des Internationalen Militärtribunals von Nürnberg; die Kollegin Eichwede hat es eben auch angeführt. Darauf gründet unser Völkerstrafrecht. Es folgt dem Wunsch, schwerste Verbrechen nicht im staatlichen Systemunrecht verschwinden zu lassen, sondern jeden Täter haftbar zu machen.

Darum danke, Herr Minister Buschmann, für den Vorschlag, Strafbarkeitslücken in diesen Zeiten zu schließen. Ich bin sehr beruhigt, in der breiten Mitte dieses Hauses eine so große Übereinstimmung in diesem Ziel zu sehen.

Ehrlich gesagt, fehlen mir die Worte für die Ausführungen aus der AfD, die eine unbegreifliche Verhöhnung von Opfern sind.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des Abg. Dr. Volker Ullrich [CDU/CSU])

Aber vielleicht passt das auch zu der Sympathie für Kriegsverbrecher, die in anderen Diskussionen immer wieder deutlich zum Vorschein kommt.

Aus der Ukraine, aus Syrien, aber aus so vielen anderen Orten dieser Welt auch kennen wir, wie die Verbrecher gezielt Menschen entweder verschwinden lassen, willkürlich festhalten oder auch mittels sexualisierter Gewalt foltern, um Angst und Terror zu schüren, um mit Angst und Terror zu unterwerfen und zu brechen.

Zu Recht wurden wir auch international aufgefordert, die Strafbarkeitslücken in diesen Bereichen zu schließen. Aber nicht nur im materiellen Recht werden einige wichtige Schritte gegangen. Die Opfer der hier betroffenen Straftaten haben Schrecklichstes erfahren. Ihr Schutz, ihre Würde muss im Verfahren zentral sein. Darum ist der Anspruch auf einen Verfahrensbeistand, aber auch auf psychosoziale Prozessbegleitung so wichtig.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP sowie der Abg. Clara Bünger [DIE LINKE])

Völkerstrafrecht dient aber nicht nur dem Einzelnen. Es ist auch ein wesentlicher Bestandteil auf dem Weg zu Frieden und Aussöhnung, zur Aufarbeitung. Darum ist die Erweiterung der Dokumentationsmöglichkeiten und auch die Dolmetschung nicht nur eine prozessrechtliche Nebensächlichkeit, sondern bedeutend auf dem Weg zum Frieden.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

Vizepräsidentin Petra Pau:

Das Wort hat Dr. Volker Ullrich für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)