Rede von Canan Bayram Vorkaufsrecht in Milieuschutzgebieten
Canan Bayram (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Damen und Herren! Die Situation auf dem Immobilienmarkt in den Städten ist in den letzten Jahren außer Kontrolle geraten. Häuser werden zu Preisen verkauft, die das 30-, 40-, ja 50-Fache der Jahresmieteinnahmen betragen. Zur Erinnerung: Noch vor wenigen Jahren wurden Finanzierungen, die das 20-Fache der Einnahmen übersteigen, als unseriös angesehen. Diese überhöhten Preise lassen sich mit den Mieteinnahmen nicht mehr refinanzieren, auch wenn die neuen Eigentümer die Möglichkeit der Mieterhöhungen bis zum Letzten des gesetzlich Erlaubten ausreizen. Um dieser Spekulation einen Riegel vorzuschieben, hatten die Städte und Kommunen in der Vergangenheit die Möglichkeit des Vorkaufsrechts, und es wurde genutzt. In Berlin wurde das Vorkaufsrecht in sozialen Erhaltungsgebieten seit 2015 erfolgreich angewandt, und es konnten so circa 2 700 Wohnungen aufgekauft werden. In München wurden im gleichen Zeitraum etwa 1 050 Wohneinheiten vor Verdrängung geschützt, meine Damen und Herren.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Das ist etwas, was wir erhalten wollen.
Allein in Friedrichshain-Kreuzberg, in meinem Wahlkreis, sind über 700 Wohnungen der Spekulation entzogen und die Mieter/-innen vor Verdrängung geschützt worden. Landeseigene Wohnungsbaugesellschaften und Genossenschaften wurden die neuen Eigentümer, und in manchen Fällen waren es sogar die Mieter/-innen selbst, wie in der Krossener Straße 36 in Friedrichshain, nach dem Motto „Homes for the people, not for the profit“, oder wie ich es immer sage: Die Häuser denen, die drin wohnen. – So übernehmen die Bewohner/-innen die Verantwortung für ihre Immobilie, und das müsste sogar Ihnen gefallen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Jan-Marco Luczak [CDU/CSU]: Von denen klatscht aber keiner!)
Doch es könnte noch mehr erreicht werden. Um den Vorkauf durch die Kommune zu vermeiden, haben eine Vielzahl von Eigentümern Abwendungsvereinbarungen unterschrieben und sich damit verpflichtet, keine Umwandlung in Eigentum oder Luxussanierungen vorzunehmen. Dies war praktisch der Prüfstein, ob der Eigentümer sich als verantwortungsbewusster Vermieter betätigen will oder rücksichtslose Mieterhöhungen und Spekulationen auf baldigen Wiederverkauf und damit seine Profitinteressen in den Vordergrund stellt.
Das Bundesverwaltungsgericht hat in seiner Entscheidung festgestellt, dass das nach § 24 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 des Baugesetzbuchs im Geltungsbereich einer Erhaltungssatzung bestehende Vorkaufsrecht von der Gemeinde nicht lediglich in der Annahme ausgeübt werden darf, dass der Käufer in Zukunft satzungswidrige Nutzungsabsichten verfolgen werde. Es sei nach seinem Wortlaut eindeutig auf die tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung über das Vorkaufsrecht bezogen. Diese Entscheidung hat zur Folge, dass die bisher geübte Anwendung des gemeindlichen Vorkaufsrechts in Gebieten einer Erhaltungssatzung kaum mehr möglich ist.
Wir haben als Fortschrittskoalition eine Prüfung vereinbart, ob sich aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zum kommunalen Vorkaufsrecht in Gebieten einer Sozialen Erhaltungssatzung gesetzgeberischer Handlungsbedarf ergibt. Diese Prüfung hat die Bundesministerin für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen, Frau Geywitz, abgeschlossen und als Ergebnis einen Vorschlag vorgelegt. Mit diesem Entwurf eines Gesetzes wird die bisherige Verwaltungspraxis der Gemeinden zur Ausübung ihrer Vorkaufsrechte in Gebieten mit einer Erhaltungssatzung wieder ermöglicht und auf eine sichere Rechtsgrundlage gestellt, meine Damen und Herren. Ich gehe davon aus, dass die Abstimmung mit der FDP, insbesondere dem Justizminister Herrn Buschmann, bald abgeschlossen sein wird und wir zeitnah das Gesetz beraten können.
Darüber hinaus wird gerade angesichts der hohen Immobilienpreise noch mehr gesetzgeberische Tätigkeit notwendig sein; denn die Kommunen müssen auch finanziell in der Lage sein, in nennenswertem Umfang Immobilien aufzukaufen. Deswegen setzen wir Grüne uns weiterhin vehement dafür ein, dass die Kommunen finanziell besser ausgestattet werden, um ihrer Verantwortung im Milieuschutz gerecht werden zu können.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Gleichzeitig sollte darüber diskutiert werden, wie gesetzliche Regelungen geschaffen werden können, damit Kommunen nicht den vertraglich vereinbarten Preis, sondern nur einen gesetzlich geregelten spekulationsbereinigten Verkehrswert aufbringen müssen, damit die Kommunen die Häuser auch tatsächlich kaufen können. Außerdem ist mir sehr wichtig, dass die Frist zum Vorkauf verlängert wird, damit wir genügend Zeit haben, Käufer/-innen zu finden, um die Mieter/-innen tatsächlich schützen zu können. Das sind wir, liebe Kolleginnen und Kollegen, den Mieter/-innen schuldig. Dafür setze ich mich ein, dafür setzt meine Fraktion sich ein, dafür setzt die Fortschrittskoalition sich ein, liebe Frau Kollegin Lay. Dass uns das gemeinsame Ziel, die Mieter/-innen zu schützen,
(Stephan Protschka [AfD]: Was ist mit den Mietern?)
weiterhin Auftrag und Verpflichtung zugleich ist, kann ich Ihnen hiermit versichern.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Vizepräsidentin Aydan Özoğuz:
Carolin Bachmann erhält das Wort für die AfD-Fraktion.
(Beifall bei der AfD)