24.06.2022

Denise Loop (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe CDU/CSU-Fraktion, auch wenn der erste Satz Ihrer Initiative bizarr ist, Sie haben recht mit der Feststellung: Sexualisierte Gewalt stellt eine schwerste Rechtsverletzung dar und „gehört zu den abscheulichsten Dingen, die einem jungen Menschen angetan werden können“. Dem müssen wir uns als Gesellschaft mit der notwendigen Ernsthaftigkeit widmen. Sie tun dies aber leider nicht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP – Martin Reichardt [AfD]: Dass die Grünen das tun, wissen wir ja!)

Als Ampelkoalition werden wir sexualisierte Gewalt gegen Kinder entschieden und wirkungsvoll bekämpfen.

(Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Wann denn?)

Um hier nur drei Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag zu nennen: Wir werden das Amt der Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs gesetzlich verankern.

(Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Wann denn?)

Wir werden die Unabhängige Aufarbeitungskommission Kindesmissbrauch weiterführen. Und wir werden die länderübergreifende Zusammenarbeit in Kinderschutzfällen verbessern.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP – Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Ab wann?)

Zu glauben, dass das Ziel allein mit der Speicherung von IP‑Adressen erreicht werden kann,

(Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Machen ist wie ankündigen, nur krasser!)

zeugt von einem massiv mangelnden Verständnis der Komplexität dieses Themas; denn es darf hier nicht nur um die Frage „Kinderschutz versus Datenschutz“ gehen. Ihre Versuche, verschiedene Grundrechte gegeneinander auszuspielen, sind schlicht absurd.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP – Stephan Brandner [AfD]: Das nennt man „Abwägung“!)

Denn das Thema ist vielschichtig und muss umfassend betrachtet werden. Ihr Antrag leistet das in keinster Weise. Ihre Forderung ist ebenso reflexhaft wie ineffektiv.

(Marcel Emmerich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau!)

Er wird dem Thema nicht gerecht, und Ihre Forderung schützt vor allem kein einziges Kind vor sexualisierter Gewalt.

(Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Unverschämtheit! – Nina Warken [CDU/CSU]: O Mann!)

Denn um Kinder wirksam davor zu schützen, offline wie online, braucht es viel mehr. Was das für die Sicherheitsbehörden bedeutet,

(Nina Warken [CDU/CSU]: Machen Sie sich erst mal mit dem Thema vertraut!)

haben meine Ampelkolleginnen und ‑kollegen hier jetzt schon sehr deutlich gemacht.

Unser Ziel muss sein, dass keine Taten passieren. Dafür müssen wir viel früher ansetzen. Wir brauchen Prävention und Schutzkonzepte in Schulen, in Kitas, in Sportvereinen, in allen Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe. Auch das private Umfeld müssen wir in den Blick nehmen; denn viele Taten passieren im direkten sozialen Nahraum.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Für effektive Prävention braucht es eine umfassende Aufarbeitung der Taten, die geschehen sind und die noch jeden Tag geschehen. Das heißt: Es muss Angebote für Betroffene geben, um über ihre Erfahrungen sprechen zu können. Sie sollten die Möglichkeit bekommen, zu sagen, welche Präventionsangebote, Unterstützung und Hilfe sie benötigen. Denn es darf nicht vom Zufall abhängen, ob Betroffene Zugang zu derartigen Angeboten haben oder eben nicht. Um Aufarbeitung zu stärken, müssen also verbindliche Strukturen und Hilfsangebote geschaffen werden. Und das sage ich auch als Sozialarbeiterin, die bis vor zehn Monaten im Jugendamt gearbeitet hat und tagtäglich mit dem Schutz von Kindern beauftragt war.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Wenn Sie also ein ernsthaftes Interesse daran haben, den Kampf gegen sexualisierte Gewalt an Kindern zu führen, dann lassen Sie uns bitte darüber sprechen, wie wir die Kooperation von allen beteiligten Institutionen voranbringen, wie wir funktionierende Schutzkonzepte in allen Bereichen, in denen sich Kinder und Jugendliche bewegen, etablieren, wie wir alle Menschen für das Thema und die Gewalt, die Kindern und Jugendlichen angetan wird, sensibilisieren und wie wir die Arbeit der Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs und der Unabhängigen Aufarbeitungskommission Kindesmissbrauch stärken. Ich bin gespannt auf Ihre konstruktiven Vorschläge.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Vielen Dank, Frau Kollegin Loop. – Nunmehr erhält das Wort die Kollegin Mechthilde Wittmann, CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)