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10.06.2021

Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Um hier zunächst mal die historischen Fakten zu 2005 klarzustellen: Die Leopard-Panzer für die Türkei wurden 2005 genehmigt, nachdem die Koalition gekündigt worden war und die Grünen diese Lieferung sieben Jahre lang verhindert und immer wieder zur Koalitionsfrage gemacht hatten.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Sevim Dağdelen [DIE LINKE]: Die rot-grüne Bundesregierung hat das genehmigt! Das war nicht Merkel!)

Aber zur Gegenwart: Die Türkei hält immer noch völkerrechtswidrig den Norden Syriens besetzt und verhindert die Rückkehr der vertriebenen kurdischen Bevölkerung in ihre Dörfer und Städte. Türkische Schiffe liefern Waffen an Libyen und verletzen damit das UN-Waffenembargo, und die türkische Marine dringt regelmäßig in griechische und zypriotische Hoheitsgewässer ein, um Gebietsansprüche anzumelden.

(Klaus-Peter Willsch [CDU/CSU]: Was sollen wir denn jetzt der Ukraine liefern?)

Allein im April gab es zwei Vorfälle, bei denen griechische Forschungsschiffe von der türkischen Marine bedroht wurden, und dennoch hält die Bundesregierung nach wie vor an der 2009 erteilten Genehmigung zur Produktion und Auslieferung von sechs U-Booten der Firma thyssenkrupp fest. Diese U-Boote haben eine strategische Bedeutung für die Etablierung einer maritimen Hegemonie im östlichen Mittelmeer.

Das Kriegswaffenkontrollgesetz sieht einen Widerruf der Genehmigung sogar ausdrücklich vor, wenn die Gefahr einer friedensstörenden Handlung besteht. Handeln Sie also endlich, und stoppen Sie die weitere Fertigstellung!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Klaus-Peter Willsch [CDU/CSU]: Die kann die Ukraine nicht mehr gebrauchen! Die Krim ist ja weg!)

Nehmen Sie sich mal die US-Regierung als Vorbild! Nach der Anschaffung von russischen Luftabwehrraketen durch die Türkei haben die USA die Auslieferung von 120 F-35-Kampfflugzeugen gestoppt. Wir sehen an diesem Beispiel, wie wichtig es ist, über Kriegswaffenexporte die eigene Entscheidungshoheit zu behalten. Das gilt auch für künftige Projekte, die wir in Europa gemeinsam entwickeln wollen.

Wenn wir mit unseren europäischen Partnern ernsthaft ein Kampfflugzeug der Zukunft, wie FCAS, auf den Weg bringen wollen, dann muss dies zuerst unseren Sicherheitsinteressen dienen, und dann muss klar sein, dass es nicht darum geht, auf dem Weltmarkt mit einem möglichst geringen Stückpreis konkurrieren zu können. Bei Kriegswaffen kommt es nicht auf die Rentabilität an, sondern auf die Stärkung der eigenen militärischen Fähigkeiten.

(Ingo Gädechens [CDU/CSU]: Aha!)

Wenn wir über diese Frage keine Einigkeit mit unserem engsten Verbündeten und Nachbarn Frankreich herstellen können, dann kann das Projekt nicht funktionieren.

Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich:

Frau Kollegin Keul, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Dağdelen?

Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Nein, keine Zwischenfragen! -

(Sevim Dağdelen [DIE LINKE]: Es war Rot-Grün, die die Panzer geliefert haben, nicht Merkel!)

Da hilft es auch nicht, dass sich die Bundesregierung in einem Zusatzabkommen zum Aachener Vertrag ihrer Entscheidungshoheit über den Export schlicht und einfach entledigt und diese den französischen Partnern überlässt.

(Klaus-Peter Willsch [CDU/CSU]: Welche defensiven Waffen sollen denn nun an die Ukraine geliefert werden?)

So kann man sich der Verantwortung nicht entziehen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dieses Zusatzabkommen ist keine Antwort auf die Herausforderungen der Zukunft, sondern ein Ausflug in die 70er-Jahre, in die Zeiten von Helmut Schmidt und Michel Debré. Wir brauchen endlich ein gemeinsames europäisches Verständnis von Rüstungsexportkontrollen als außen- und sicherheitspolitisches Kernthema.

Frankreich dürfte im Übrigen die Lieferung deutscher U-Boote an die Türkei für keine gute Idee halten. Ebenso wenig war es eine gute Idee, die französische Rafale mit Finanzierungshilfe der VAE an Ägypten zu verkaufen und auf diese Weise Kriegsparteien in Libyen, wie General Haftar, zu unterstützen.

Das Zusatzabkommen zum Aachener Vertrag muss neu verhandelt werden, und die U-Boot-Lieferungen an die Türkei müssten gestoppt werden.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Klaus-Peter Willsch [CDU/CSU]: Aber die Ukraine braucht doch die U-Boote gar nicht!)

Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich:

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte wirklich um Verständnis, dass es jetzt keine Kurzinterventionen mehr gibt. Wir sind momentan bei einem Ende der Tagesordnung um 5.20 Uhr.

(Zaklin Nastic [DIE LINKE]: Dann muss man bei der Wahrheit bleiben!)

Ich bitte also wirklich um Verständnis!

Zu Protokoll gehen die Reden

von Bernhard Loos und Dr. Karl-Heinz Brunner. – Vielen Dank dafür.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich schließe die Aussprache.