Rede von Robin Wagener Waffenlieferungen in die Ukraine

Robin Wagener MdB
19.01.2023

Robin Wagener (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Heute ist der 330. Tag der russischen Vollinvasion in die Ukraine – der 330. Tag, nachdem Putin entschieden hat, mit aller Gewalt und Brutalität das zu intensivieren, was er 2014 begonnen hat, der 330. Tag in einem Jahr, in dem unzählige Menschen durch den brutalen Terror des Angriffs- und Vernichtungskriegs gegen die Ukraine ihr Leben und Hunderttausende ihre Lieben verloren haben. Diese vielen Toten, das sind nicht nur Zahlen; das sind echte Schicksale. Das sind der einjährige Nikita, die dreijährige Michailina, ihre 13‑jährige Schwester Leila, die 15‑jährige Maria, der 17‑jährige Maxim. Das sind die Namen von Kindern und Jugendlichen, die am vergangenen Samstag um 15.30 Uhr in Dnipro brutal aus ihrem Alltag, aus ihrem Leben gerissen wurden – Opfer von Putins Terror, Opfer eines Diktators und eines Regimes, die skrupellos Raketen mitten in die Innenstädte schießen lassen, die seit Monaten gezielt Strom-, Wasser- und Wärmeversorgung angreifen, um die Zahl ziviler Opfer noch weiter zu steigern, um dafür zu sorgen, dass die Menschen hungern, dursten, frieren und sterben.

Unsere Außenministerin Annalena Baerbock und die Menschenrechtsbeauftragte Luise Amtsberg haben vergangene Woche tatsächlich ihr Leben riskiert, als sie die grenznahe Metropole Charkiw besucht haben – das war ein wichtiges Zeichen – und dabei Luftalarm erleben mussten. Denn anders als an anderen Orten ist aufgrund der dortigen Nähe zu Russland eine effektive Flugabwehr nicht möglich, weil die Reaktionszeiten zu kurz sind.

Um die Menschen in Charkiw genauso wie in anderen Teilen der Ukraine langfristig schützen zu können, braucht es den Sieg der ukrainischen Streitkräfte und ein Ablassen der Russen von ihrem Plan. Keiner von uns hier möchte Krieg. Niemand möchte ständig Forderungen nach mehr und schweren Waffen erheben. Niemand ist von Panzern begeistert, weder hier im Bundestag noch in Warschau noch in Helsinki noch in London – und auch nicht die Menschen in der Ukraine, die sie dringend von uns erbitten.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP und des Abg. Dietmar Nietan [SPD] – Dr. Johann David Wadephul [CDU/CSU]: Genau!)

Die Forderung nach Kampfpanzern ist nämlich kein Selbstzweck, sondern eine Notwendigkeit angesichts des brutalen Vernichtungskrieges, den Putin uns aufzwingt.

(Beifall des Abg. Florian Hahn [CDU/CSU])

Die russische Regierung hat sich in den letzten Monaten entschieden, die Brutalität des Krieges immer weiter zu eskalieren. Putin plant neue Offensiven, die Vorbereitungen laufen auf Hochtouren. Und wenn wir die Menschen schützen wollen, dann müssen wir ihnen die notwendigen Waffen dafür geben, um sich zu verteidigen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP und des Abg. Dietmar Nietan [SPD])

Wenn wir den Frieden in Europa und in der Welt schützen wollen, dann müssen wir deutlich machen, dass brutale Vernichtungskriege gegen Nachbarn keine Erfolge haben können und dass man damit nichts gewinnen kann.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Wir haben dafür bereits viel getan. Ich bin sehr dankbar, dass wir vor Kurzem im internationalen Verbund den Knoten gelöst haben und zusammen mit unseren französischen und amerikanischen Freunden die Lieferung von Schützenpanzern angekündigt haben. Diese Schützenpanzer werden Soldaten schützen und Leben retten können. Das ist ein wichtiger Schritt. Allerdings ist der Schritt zur Lieferung von Marder-Schützenpanzern leider nur ein halber Schritt. Jetzt muss die zweite Hälfte folgen. Schützenpanzer wirken vor allem im Verbund mit Kampfpanzern. Während die einen schwerpunktmäßig dafür da sind, Soldaten geschützt ins Kampfgebiet zu bringen, bekämpfen die anderen feindliche Kampfpanzer. Gemeinsam schützen sie sich gegenseitig und entfalten so ihre volle Wirkung. Mit modernen westlichen Kampfpanzern könnte die Ukraine viel wirkungsvoller gegen die russischen Invasoren vorgehen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP und des Abg. Dietmar Nietan [SPD])

Schützen- und Kampfpanzer gehören zusammen. Die Ukraine braucht Marder und Leopard. Darum ist jetzt der Moment gekommen, die zügige und international abgestimmte Ausbildung an Kampfpanzern zu übernehmen, die Impulse von Polen, Finnland und Großbritannien aufzugreifen, die Lieferungen unserer Partner zu ermöglichen und in Abstimmung mit unseren Freunden eigene Kapazitäten zur Verfügung zu stellen.

Russlands Krieg ist der Alleingang einer Diktatur

(Lachen des Abg. Petr Bystron [AfD])

gegen seinen freien und friedlichen Nachbarn. Dagegen bildete sich eine Allianz der Demokratien, eine Allianz des Beistands. Deutschland ist in einer besonderen Verantwortung aufgrund unserer Geschichte, aufgrund unserer Lage und aufgrund unserer Größe. Jetzt gilt es, dieser Verantwortung im Verbund mit unseren Partnern in Europa und für Europa gerecht zu werden.

(Petr Bystron [AfD]: Mit Panzern! Jaja!)

Wir haben im Bundestag bereits im April 2022 klare Beschlüsse gefasst, und jetzt sollten wir uns darauf konzentrieren, nicht immer weitere Beschlüsse zu fassen, sondern diese gemeinsam mit unseren Partnern wirksam umzusetzen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU und der FDP sowie des Abg. Dietmar Nietan [SPD] – Dr. Johann David Wadephul [CDU/CSU]: So ist es!)

Der amerikanische Präsident und der Bundeskanzler haben deutlich die unverbrüchliche Solidarität mit der Ukraine und die notwendige militärische Unterstützung angekündigt. Ich finde, der Vizekanzler hat gut ausbuchstabiert, was das heißt, nämlich die Unterstützung immer an der Lage auf dem Schlachtfeld auszurichten und damit am Bedarf der Ukraine. Es ist deutlich und offensichtlich, dass die Ukraine weitere Unterstützung braucht. Das Ramstein-Treffen ist eine gute Gelegenheit, sich darüber auszutauschen, und es ist sehr gut, dass dieser Austausch gerade stattfindet.

Die Ukraine muss siegen – für ihre Freiheit, für unsere Freiheit, für Frieden und Demokratie in Europa und damit wir endlich – auch in diesem Haus – zusammen mit den Ukrainerinnen und Ukrainern anstelle des Kampfes um ihr Überleben an ihren und unseren gemeinsamen Träumen für Europa und der Gestaltung einer besseren Zukunft arbeiten können. Geben wir die Leoparden frei! So schwer es ist, so richtig ist es.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Jürgen Hardt hat das Wort für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)