Rede von Emilia Fester Wahlalter 16 bei Europawahlen

Emilia Fester MdB
Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag, Kaminski
10.11.2022

Emilia Fester (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Wissen Sie, was für mich eine der schlimmsten hohlen Phrasen im politischen Betrieb geworden ist? „Kinder und Jugendliche sind unsere Zukunft.“ Ja, Kinder und Jugendliche sind unsere Zukunft. Sie werden länger auf diesem Planeten verweilen als die meisten hier.

Die Jugend wird einerseits als etwas Romantisiertes, ja gar Sorgloses wahrgenommen und andererseits irgendwie als etwas Unvollständiges, Mangelhaftes. Irgendwann ist man ja nicht mehr jung, sondern ein vollwertiges Mitglied in dieser Gesellschaft: mit Abschluss und Einkommen, mit Steuererklärung und Vernunft.

(Martin Reichardt [AfD]: Mit Abschluss haben Sie es ja nicht so!)

„Kinder und Jugendliche sind unsere Zukunft.“ Das suggeriert: Was sie auf jeden Fall nicht sind, ist unsere Gegenwart. Es scheint legitim zu sein, jungen Menschen abzusprechen, Wünsche an das Heute zu richten oder gar Gestaltungsanspruch zu haben. Die Anliegen junger Menschen werden strukturell als zu unwichtig oder irgendwie zu idealistisch eingestuft: das Anrecht auf ein Jahr Pause zum Orientieren nach zwölf Jahren oder mehr Schulstress, Freiräume zum Cornern ohne Sperrzeiten, Ausbildungsgehälter, die wirklich zum Leben reichen, Klimaschutz.

(Martin Hess [AfD]: Schulstress! Dann brauchen sie ein Jahr Auszeit!)

Nur weil die Jugend eines Tages vorbeigeht, kann das nicht heißen, dass junge Lebensrealitäten bei der Gestaltung unserer Gesellschaft keine Bedeutung haben sollten.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, Kinder und Jugendliche sind unsere Gegenwart.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Deshalb gehen wir heute als Ampel einen bedeutsamen Schritt. Wir senken das Wahlalter für die Europawahlen auf 16 ab.

(Martin Reichardt [AfD]: Sie benehmen sich wie 17, dabei sind Sie schon 24!)

– Pscht!

(Heiterkeit und Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

Dadurch sind allein in Hamburg bei der nächsten Wahl über 30 000 junge Menschen mehr wahlberechtigt, in ganz Deutschland sind es insgesamt 1,3 Millionen oder 1,4 Millionen. So können junge Menschen ihren Erfahrungen und Bedürfnissen Gewicht verleihen, und Politiker/-innen müssen sich endlich ernsthaft mit ihren Anliegen auseinandersetzen. Die beste Lobby für Zukunft und Gegenwart sind und bleiben die Wählerinnen und Wähler.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Vizepräsidentin Yvonne Magwas:

Für die CDU/CSU-Fraktion hat das Wort Alexander Hoffmann.

(Beifall bei der CDU/CSU)