Rede von Dr. Till Steffen Whistleblowerschutz

Dr. Till Steffen
16.12.2022

Dr. Till Steffen (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nach dieser sehr verschwurbelten Rede

(Heiterkeit des Abg. Kaweh Mansoori [SPD])

ist es an der Zeit, noch mal deutlich zu machen, worum es bei diesem Gesetz wirklich geht. Es geht darum, dass es viele große Skandale gibt, wirklich mit großem Ausmaß, die ohne Hinweisgeberinnen oder Hinweisgeber von innen niemals ans Tageslicht gekommen wären.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Es sind ja schon einige Beispiele von Sebastian Fiedler genannt worden. Nehmen wir das Thema Cum-ex, den größten Steuerraub unserer Geschichte, wie viele bereits gesagt haben. So etwas ist nur ans Tageslicht gekommen, weil irgendjemand irgendwann von innen gesagt hat: Hier passiert etwas, wo durch sehr trickreiche Gestaltung ganz gezielt Steuern hinterzogen werden sollen. – Man sieht ja: Es ist gar keine Bagatelle. Derjenige, der das Ganze erfunden hat, Hanno Berger, ist ja dieser Tage zu acht Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden. Das Wirken von Strafgerichten mit einschneidenden Sanktionen steht am Ende. Am Anfang steht der Hinweis von Menschen, die tatsächlich wissen, was innen passiert, und einen entsprechenden Hinweis geben und überhaupt solche Ermittlungen anstoßen können, damit der Staat dann tatsächlich entsprechend handeln kann.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Worum geht es also im Kern? Es geht darum, ob das, was wir hier im Deutschen Bundestag an Gesetzen beschließen, für alle gilt oder ob das nicht gilt für Leute, die einfach nur mit ausreichend großen Beträgen hantieren oder die genug Ressourcen haben, um ihr kriminelles Handeln mit ganz komplizierten Konstruktionen zu verschleiern, während der einzelne einfache Gewerbetreibende jederzeit das Finanzamt im Nacken hat. Es geht also wirklich um Gerechtigkeit. Es geht um die Frage, ob unser Rechtsstaat wirklich für alle gilt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)

Deswegen müssen wir ein großes Interesse daran haben, dass dieses Gesetz in einer wirksamen Weise auch angewendet wird.

(Fabian Jacobi [AfD]: Hätten Sie dem Vorredner zugehört, würden Sie so nicht reden!)

Es ist tatsächlich auch ganz wichtig, dass wir eingefügt haben, dass verfassungsfeindliche Äußerungen von Beamtinnen und Beamten auch zum Gegenstand von Hinweisen gemacht werden können. Es ist ja ganz klar: Polizistinnen und Polizisten leisten einen Eid auf das Grundgesetz, auf unsere Verfassung. Ich nehme mal den Fall, dass ein Polizeibeamter feststellt: Irgendwie kommt mir das hier komisch vor. Hier reden Kolleginnen und Kollegen in einer Weise, die mit der Verfassung nicht vereinbar ist, machen zum Beispiel rassistische Äußerungen, die die Sorge begründet erscheinen lassen, dass sich das auch im polizeilichen Handeln niederschlägt. – Dass dieser Beamte dann Bescheid sagt und dafür sorgt, dass dem im frühen Stadium entgegengewirkt wird, das ist absolut richtig. Das macht ja auch die Razzia deutlich, die wir vor wenigen Tagen hatten.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Wollen wir wirklich so lange warten, bis Leute tatsächlich Dienstwaffen entwenden und sich gegen den Staat wenden, oder wollen wir früher intervenieren? Ich wäre eindeutig für Letzteres.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

Ein ganz wichtiger Bereich, wo Whistleblowing auch eine große Rolle spielt, ist der Tierschutz. Wir haben es ja in Zeiten von Corona erlebt, wo in großen Fleischfabriken die Coronaauflagen missachtet wurden, Menschen zu Schaden kamen, weil entsprechende Vorkehrungen nicht eingehalten wurden. Da muss es natürlich zum Schutz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die da harte Arbeit leisten, möglich sein, darauf hinzuweisen, ohne dass das einschneidende persönliche Konsequenzen hat.

Wir haben an der Stelle einen weiteren Punkt ergänzt. Wir haben es auch ermöglicht, dass Tierärzte, die im gewerblichen Bereich tätig sind, auch Hinweise geben können. Wir haben vor wenigen Wochen über die massenhafte Gabe von Antibiotika gesprochen. Da stellt sich die Frage: Wie soll das denn eigentlich bekannt werden, außer durch einen Tierarzt, der natürlich weiß, was eine vernünftige Gabe von Antibiotika ist und was unvernünftig ist? Dass darauf hingewiesen werden kann, ist auch ein wichtiger Schritt, den wir mit diesem Gesetz machen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Weil es ja auch einer der Punkte ist, die angesprochen wurden: Wir haben sehr ausführlich mit Compliance-Stellen großer Unternehmen gesprochen: mit der Telekom, mit thyssenkrupp, mit Aurubis in Hamburg. Und die haben ganz klar gesagt: Natürlich bearbeiten wir auch anonyme Hinweise. Wir wären ja schön blöd, wenn nicht. Natürlich wollen wir Missständen auf den Grund gehen. Manchmal sind die anonymen Hinweise gerade die interessantesten. – Und alle haben gesagt: Wenn man sich für die Bearbeitung dieser Vorgänge eine entsprechende Software zulegt, dann bietet schon das Standardprodukt die Möglichkeit, auch anonyme Hinweise zu verarbeiten. – Ihr Argument von Mehrkosten kann ich an der Stelle nicht nachvollziehen.

(Zuruf des Abg. Dr. Martin Plum [CDU/CSU])

Es gibt ein paar Punkte, die wir meiner Meinung nach in diesem Gesetz noch nicht ausreichend abgebildet haben. Das betrifft die Frage, ob auch Meldungen von Verstößen gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz ausreichend abgebildet sind. Das wird in der Entschließung entsprechend angesprochen. Auch Fälle, in denen es Meldungen geben kann, die im öffentlichen Interesse liegen, haben wir nicht unbedingt ausreichend abgebildet. Ich verweise auf das Beispiel von Brigitte Heinisch, der Berliner Whistleblowerin, die auf Missstände in Pflegeheimen hinwies.

Dennoch machen wir einen großen Schritt nach vorne für den Schutz von Hinweisgeberinnen und Hinweisgebern, nachdem die CDU/CSU dies in der letzten Wahlperiode erfolgreich ausgesessen hat.

(Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Ja, von wegen! Von wegen! SPD-Justizministerium!)

Deswegen finde ich Ihre Kritik hier auch sehr, sehr kleinteilig.

(Dr. Martin Plum [CDU/CSU]: Sie ist richtig!)

Ich finde es bedauerlich, dass der Bundesrat dieses Thema heute nicht aufgesetzt hat.

(Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Ja, der Bundesrat denkt so wie wir! Das sollte zu denken geben!)

Wir werden dieses Gesetz natürlich durchsetzen; das ist auch notwendig zum Schutz von Hinweisgeberinnen und Hinweisgebern und – noch viel wichtiger – zum Schutz unseres Rechtsstaates

(Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Selbst Ihre Länder finden das komisch, was Sie da machen!)

und zur gleichmäßigen Durchsetzung von Gesetzen für alle.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP – Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Selbst Ihre Länder finden das komisch, was Sie da tun!)

Präsidentin Bärbel Bas:

Nächste Rednerin: für die Fraktion Die Linke Clara Bünger.

(Beifall bei der LINKEN)