Rede von Katharina Beck Wirtschaft

Katharina Beck MdB
11.04.2024

Katharina Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Bürgerinnen und Bürger! Erlauben Sie mir, zunächst auf ein paar Vorredner einzugehen. Lieber Herr Houben, es brächte Steuermindereinnahmen von ungefähr 14 Milliarden Euro, wenn man allein eine von den zwölf Forderungen hier umsetzen würde,

(Julia Klöckner [CDU/CSU]: 1 Million weniger Bürgergeldempfänger!)

nämlich die Unternehmensteuer von aktuell 26,4 Prozent auf 25 Prozent zu senken – 26,4 Prozent effektiver Unternehmensteuersatz.

Das Zweite. Lieber Herr Durz, Sie haben beim Thema Bürokratieabbau von null Maßnahmen gesprochen. Das ist einfach faktisch falsch. Im Wachstumschancengesetz haben wir mehrere Maßnahmen beschlossen, eine davon für Kleinunternehmer/-innen, die jetzt keine Umsatzsteuervoranmeldungen mehr abgeben müssen. Gerade kürzlich haben wir erst eine EU-Richtlinie umgesetzt, von der 52 000 Unternehmen profitieren, weil sie jetzt weniger Berichtspflichten haben. Auch darüber darf man hier mal sprechen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Lieber Jens, wenn du nach unseren Bund-Länder-Beratungen zum Wachstumschancengesetz hier reinrufst und beim Thema „Abschreibungen“ und beim Thema „Investitionsprämie“ in Richtung des Kollegen Sebastian Roloff sagst: „Ja, macht doch!“, dann muss ich ein bisschen schmunzeln. Denn die degressive Abschreibung – gemacht; haben wir beschlossen. Ein Weiteres, die Investitionsprämie – da warst du sehr stark mit dabei –: Die ist unter anderem an euch gescheitert und an den Bundesländern.

(Jens Spahn [CDU/CSU]: Ja, weil sie schlecht gemacht war!)

Wir wollten sie machen. Ihr habt sie verhindert. Und ihr habt auch ganz klar gesagt, dass ihr gar keine Tax Credits in dieser Legislatur haben wollt.

Nun kommen wir zu dem Thema, um das es eigentlich geht. Liebe Frau Klöckner, ich bin bei Ihnen: Es gibt Anlass zur Sorge. Denn auch ich möchte, dass dieses Land wieder mehr wächst,

(Jens Spahn [CDU/CSU]: Weiß Herr Westphal davon? – Gegenruf der Abg. Gabriele Katzmarek [SPD]: Ja, der weiß davon!)

dass es hier eine mehr pulsierende, florierende Wirtschaft gibt.

Aber was mich sehr wundert, ist, dass wir gar nicht über das Thema „Sorge um die Ukraine und Angriffskrieg gegen die Ukraine“ und darüber reden, was das alles mit unserer gasabhängigen Wirtschaft gemacht hat und wie wir es geschafft haben, sie überhaupt erst mal zu retten, dass wir es überhaupt geschafft haben, nur eine kleine Delle zu bekommen

(Jens Spahn [CDU/CSU]: Auch eine kleine Delle ist eine Delle!)

und uns jetzt wieder zu erholen. Das war eine Kraftanstrengung, und die muss gewürdigt werden. Es muss Sorge machen, was da noch bevorsteht in der Ukraine durch Putins schrecklichen Angriffskrieg.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Reinhard Houben [FDP])

Vizepräsidentin Petra Pau:

Liebe Kollegin, ich habe die Uhr angehalten. Gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung aus der CDU/CSU-Fraktion?

Katharina Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Von Herrn Dr. Wiener lasse ich das gerne zu.

Dr. Klaus Wiener (CDU/CSU):

Liebe Frau Beck, vielen Dank, dass Sie die Frage zulassen. – Ich frage, weil ich jetzt zum zweiten Mal „Wie soll so eine Unternehmensteuerreform finanziert werden?“ gehört habe. Was aber in Ihren Argumenten und auch bei Herrn Houben nie vorkommt, ist, dass solche Unternehmensteuerreformen natürlich Selbstfinanzierungseffekte haben. Darum geht es doch! Wir kennen doch alle die Laffer-Kurve aus der Volkswirtschaftslehre: Wenn die Steuersätze zu hoch sind, dann haben Sie keine Steuereinnahmen mehr. Wieso denken Sie immer so kameralistisch, so auf ein Jahr begrenzt? Und warum denken Sie nicht mal ein bisschen dynamischer und sagen: „Wenn wir hier einen Steuersatz von 25 Prozent haben, der international wettbewerbsfähig ist, dann haben wir diese Selbstfinanzierungseffekte“? Darum geht es doch. Es geht nicht darum, dass das in einem Jahr eins zu eins ausgeglichen ist. Also bitte mal den Blick ein bisschen weiter in die Zukunft richten!

(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf des Abg. Felix Banaszak [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Katharina Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Dr. Wiener, Sie sprechen ja einen sehr validen Punkt an. Auch ich möchte die Wettbewerbsfähigkeit stärken, und Steuern sind ein Aspekt davon. Allerdings: Wenn man fair ist und sich die ganzen Wettbewerbsfähigkeitsindizes anguckt, dann sieht man, dass die Relevanz von Steuern – was ich auch als steuerpolitische Sprecherin schade finde – eine Gewichtung von nur ungefähr 3 Prozent hat. Trotzdem ist es wichtig, ein attraktives und auch bürokratiearmes Steuersystem zu haben. Da bin ich komplett bei Ihnen.

Wenn wir jetzt mal schauen, was die konkrete Forderung ist, und uns in die Situation hineinversetzen, dass dieser Bundestag jetzt Ihren Antrag beschließen würde, dann würden wir feststellen, dass wir genau in diesem und im nächsten Jahr Mindereinnahmen von 40 bis 50 Milliarden Euro hätten. Gleichzeitig himmeln Sie die schwarze Null und deren Einhaltung ein.

(Jens Spahn [CDU/CSU]: Das steht in der Verfassung! Das ist kein Anhimmeln!)

Wir haben schon ohne einen solchen Beschluss gerade eine Haushaltslücke von um die 25 Milliarden Euro. Da wird für mich kein Schuh draus.

Außerdem würden Ihre Ministerpräsidenten diese Steuersenkung sicherlich nicht mittragen. Schon beim Wachstumschancengesetz wurden Steuerentlastungen von „nur“ 7 Milliarden Euro auf 3 Milliarden Euro reduziert, weil die Länder mehr nicht mittragen wollten.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP – Zuruf des Abg. Dr. Klaus Wiener [CDU/CSU])

Jetzt würde ich sehr gerne darauf eingehen, dass fünf Ihrer zwölf Forderungen steuerlicher Art sind. Den finanziellen Unsinn, der dahintersteckt, habe ich gerade in der Antwort auf Ihre Frage schon benennen dürfen: 40 bis 50 Milliarden Euro Mindereinnahmen on top zu einer Lücke im aktuellen Haushalt von 25 Milliarden Euro, das ist finanzpolitisch einfach unverantwortlich. Auch die Bundesländer werden das so nicht mittragen können. Deswegen dürfen wir uns nicht in die Lage hineinversetzen, dass diese CDU/CSU jetzt Verantwortung in diesem Land übernimmt.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Jens Spahn [CDU/CSU]: Ach, du meine Güte!)

Das Zweite. Wenn wir uns das auch mal technisch angucken: Es gibt einen Widerspruch zwischen Punkt 12 Ihres Antrags – Belastungsmoratorium umsetzen, Bürokratie abbauen; das ist nichts Neues, nichts, was Bürokratie abschafft – und Punkt 2, wo Sie eine ziemlich komplexe bürokratische Angelegenheit einführen möchten, nämlich die Steuerfreiheit von Überstunden. Das passt einfach nicht zusammen. Wie genau wollen Sie das machen?

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ein Thema, das da hineinspielt – ich dachte eigentlich immer, dass die CDU/CSU da weiter wäre; aber es scheint Sie nicht zu interessieren –, ist, dass Ihr Vorhaben eine krasse Benachteiligung von Teilzeitarbeit wäre; denn da wäre die Steuerfreiheit von Überstunden nicht möglich. Wie wollen wir es denn hinbekommen, dass es in Deutschland wieder attraktiver wird, eine Familie zu gründen, wenn wir es so benachteiligen, dass man Teilzeit arbeitet? Aus Ihrem Vorschlag wird einfach technisch und auch gesellschaftspolitisch kein Schuh draus.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Ich würde gerne noch ergänzen, dass wir schon vieles gemacht haben. Das Thema „landwirtschaftliche Steuern“ kommt bei Ihnen ja auch immer noch vor. Da ging es um 0,5 Milliarden Euro, da ging es um Agrardiesel. Da konnten Unternehmen Geld bis zu 3 000 Euro im Jahr einsparen. Wir haben 50 Maßnahmen im Wachstumschancengesetz beschlossen, davon auch die Änderung des § 7g EStG zur Förderung kleiner und mittlerer Unternehmen, das heißt: Investitionsanreize, Verdoppelung von Sofortabschreibungsmöglichkeiten. Da kann man, wenn man nur einen kleinen Traktor von ungefähr 100 000 Euro kauft, bis zu 12 000 Euro im Jahr an Steuererleichterung haben, also das Vierfache von Ihrem Vorschlag. Und Sie haben sich dagegen und gegen die anderen 49 Maßnahmen im Wachstumschancengesetz gestellt, nur um dieses klitzekleine Agrardieselaspektchen durchzubekommen.

(Julia Klöckner [CDU/CSU]: Das mal den Bauern erzählen!)

Auch das ist einfach und unverantwortlich und populistisch. Ich bin froh, dass wir die Verantwortung in diesem Land tragen.

Ich danke Ihnen sehr herzlich.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Vizepräsidentin Petra Pau:

Für die FDP-Fraktion hat nun der Kollege Gerald Ullrich das Wort.

(Beifall bei der FDP)