Rede von Dr. Robert Habeck Wirtschaft und Klimaschutz
Dr. Robert Habeck, Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz:
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Bevor ich zum Haushalt komme, lassen Sie mich auf einige der Reden noch kurz eingehen, ohne es zu lang machen zu wollen. Dennoch möchte ich gerne, dass die Behauptungen der AfD nicht unkommentiert im Raum stehen bleiben.
Sie haben von deutschen Interessen gesprochen und davon, dass sie gewahrt werden sollen. Ich sage Ihnen: Das wichtigste deutsche Interesse ist, dass Kriegsfürsten
(Karsten Hilse [AfD]: Zum Beispiel Obama oder Herr Biden!)
nicht nach Gutsherrenart andere Länder überfallen dürfen, dass sich diese Politik in Europa nicht durchsetzt.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD, der CDU/CSU und der FDP)
Wo ich dabei bin: Es ist nicht im deutschen Interesse, dass hier im Stil von Russia Today Ursache und Wirkung verdreht werden. Das ist nicht im deutschen Interesse.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD, der CDU/CSU und der FDP)
Sie haben gesagt, wir sollen die Ursachen für diese Krise stoppen. Genau darum geht es. Die Ursache für diese Krise zu stoppen, heißt,
(Enrico Komning [AfD]: … die Energiewende beenden!)
Putin in den Arm zu fallen und zu verhindern, dass er sich durchsetzt. Sanktionen sind ein notwendiges Mittel, um genau das zu tun, und ich glaube auch, dass dieser Weg erfolgreich ist. Der Krieg in der Ukraine ist sicherlich kein Vorbild für andere Länder.
(Karsten Hilse [AfD]: Für Saudi-Arabien zum Beispiel!)
Es ist ein Desaster auf dem Schlachtfeld, und es ist ein Desaster für die russische Ökonomie. Das nicht zu sehen, heißt, dass man politisch blind ist.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP – Zurufe der Abg. Marc Bernhard [AfD] und Karsten Hilse [AfD])
Sehr geehrte Damen und Herren, damit würde ich zum Haushalt kommen und kurz auf den Kollegen Mattfeldt eingehen. Lieber Andreas Mattfeldt, als ich Ihnen zugehört habe, habe ich mich schon gefragt, ob Sie den Haushalt gelesen haben. Das war schon eine sehr paralleluniversumslastige Rede, die Sie hier gehalten haben. Sie haben gesagt, wir tun zu wenig für den Mittelstand. Das Mittelstandsprogramm ZIM ist auf 700 Millionen Euro aufgestockt worden. Sie haben gesagt, wir konzentrieren uns nur auf das Klima. Sie haben übersehen, dass wir von der Gesundheitswirtschaft über die Digitalisierung über die Cloud- Infrastruktur bis hin zur Raumfahrt große Programmvolumina stemmen, um die deutsche Wirtschaft in allen Bereichen für die Zukunft fitzumachen und zu unterstützen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP – Zuruf des Abg. Andreas Mattfeldt [CDU/CSU])
Wo ich dabei bin: Klimaschutz ist die Zukunft. Eine klimaneutrale, CO2-arme Produktions- und Konsumweise ist die ökonomische Zukunft. Und wenn Sie uns schon nicht glauben, möchte ich als Beispiel den amerikanischen Inflation Reduction Act anführen, der ja die gesamte Feuerkraft der amerikanischen Finanzmöglichkeiten auf klimaneutrale Technologien konzentriert. Was die Amerikaner machen, ist exakt das, was der Klima- und Transformationsfonds ebenfalls ermöglicht, nämlich die Förderung von erneuerbaren Energien, die Förderung von Wasserstoff, die Förderung von Batterien, die Förderung von E‑Mobilität. All das beinhaltet der Inflation Reduction Act.
Die Amerikaner haben sich also entschieden, den Kampf um den Leitmarkt einer zukunftsfähigen Industrie zu führen. Allerdings ist damit auch die Entscheidung verbunden, wo dieser Leitmarkt sein wird: Es wird einen Wettbewerb zwischen den großen ökonomischen Mächten darüber geben, wer am stärksten, am schnellsten und am entschiedensten diesen Leitmarkt einer klimaneutralen, einer grünen Industrie aufbaut. Wer sagt, das sei alles nur Ökokram oder Klimaschutz, der verkennt die ökonomische Auseinandersetzung, in der wir uns befinden.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)
Die Zukunft wird darüber entscheiden, wer Innovationskraft und Leistungsfähigkeit im Bereich der grünen Wirtschaft am schnellsten und am besten aufbaut.
(Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: Setzen Sie es doch bitte mal um!)
Sehr geehrte Damen und Herren, wir haben eine Rekordinflation. Wir haben eine drohende Rezession. Wir haben Energieknappheit. Wir haben Krieg in Europa. Wir haben einen Wandel – das ist die höfliche Formulierung – im globalen Wettbewerb. Eigentlich muss man sagen: Es ist eine immer konfliktreichere Geopolitik, die zurückkommt. Wir haben die Klimakrise mit enormen, auch ökonomischen Folgen; über alle anderen – über das Elend der Menschen – will ich hier gar nicht reden.
Ich habe mich, als ich in Singapur war, mit dem Wirtschaftsminister aus Pakistan getroffen. Die Wirtschaftsbeziehungen zu Pakistan sind sicherlich ausbaufähig. Aber was er über das Sterben in Pakistan wegen „grassierender Klimaveränderungen“ – das waren seine Worte – geschildert hat,
(Zuruf von der AfD)
das hat einem noch mal ein ganz anderes Bild vermittelt.
Sehr geehrte Damen und Herren, die Herausforderungen, vor denen dieses Land steht, sie könnten nicht größer sein. Es bedarf einer enormen Kraftanstrengung, um diese Herausforderungen zu bestehen und sie zu stemmen, politisch wie gesellschaftlich. Der Einzelplan 09 des Haushalts bildet diese Kraftanstrengung ab. Die Mittel steigen noch einmal. Der Haushalt umfasst insgesamt 14,5 Milliarden Euro; das sind 3,2 Milliarden Euro mehr als der Haushalt 2022.
Wenn man sich anschaut, worauf sich diese Gelder konzentrieren, dann erkennt man ziemlich genau die Strategie der Bundesregierung:
Es geht um die kurzfristige Sicherung in der Krise; das ist der eine Schwerpunkt. Das sind die Investitionen in Betrieb und Aufbau der FSRU-Schiffe, um Ersatz zu schaffen für das russische Gas, das zuletzt ja schon nicht gekommen ist. Es war Putin, der das Gas abgedreht hat. So viel zu Nord Stream 2.
(Karsten Hilse [AfD]: Quatsch! – Weiterer Zuruf von der AfD: Wegen Ihrer Sanktionen!)
– Sie haben offensichtlich zu viel Russia Today geguckt.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)
Sie müssen doch wohl zumindest die Fakten anerkennen: Das Gas aus Russland kam nicht. Es gibt keine Sanktionen gegen Gas.
Zweitens: Sicherung einer Ölversorgung für Schwedt durch den Aufbau von Pipelinesystemen als Alternative zu der Druschba-Pipeline. All das spiegelt sich in dem Haushalt wider und kostet natürlich ziemlich viel Geld.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)
Dann geht es aber auch um die Konzentration auf die Zukunftsaufgaben – ich habe sie eben schon erwähnt –, von der Cloud-Technologie zur Unterstützung einer digitalen Wirtschaft bis hin zu den Investitionsprogrammen für den Mittelstand im Bereich einer Erneuerbaren-Wirtschaft.
Sehr geehrte Damen und Herren, der Einzelplan 60 ist der Einzelplan, der den Klima- und Transformationsfonds beherbergt. Dieser umfasst für das nächste Jahr 36 Milliarden Euro. Ich will damit sagen, dass die Summen, die wir mobilisieren, durchaus erheblich sind. Diese Summen sind im Vergleich zu den amerikanischen Ausgaben – 400 Milliarden Dollar, die dort erst einmal bereitstehen – durchaus wettbewerbsfähig. Wir haben, grob über den Daumen geschätzt, allein in Deutschland 200 Milliarden Euro im Klima- und Transformationsfonds. Das ist durchaus vergleichbar.
Die Aufgabe ist, dass wir schneller und entschiedener werden müssen bei der Planung für Ausgaben und beim Wettbewerbsrecht innerhalb Europas.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)
Das heißt, wir müssen entschiedener und entschlossener werden, nicht zögerlicher. Und wir dürfen nicht das infrage stellen, was wir eigentlich, mit Verlaub, auch in diesem Haus schon erkannt hatten; denn den Klima- und Transformationsfonds haben wir geerbt. Insofern: Das, was bei einer entschiedenen Wirtschaftspolitik eigentlich am hinderlichsten ist, ist der permanente intellektuelle Rückfall hinter Jahre, in denen wir eigentlich schon mal weiter waren.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP – Timon Gremmels [SPD]: Das stimmt!)
Sehr geehrte Damen und Herren, wir werden den Klima- und Transformationsfonds nutzen, um exakt entlang dieser Strategie die nächsten Schritte zu gehen. Wir sind gerade dabei, die Richtlinie für die sogenannten Carbon Contracts for Difference zu designen; sie ist fertig und befindet sich jetzt in der Abstimmung mit den anderen Häusern. Wir werden also im nächsten Jahr Verträge für die Industrie anbieten, die dann die Dekarbonisierung, den Weg hin zur Wasserstofftechnologie beschreiten wird.
Sehr geehrte Damen und Herren, abschließend: Wir sind mitten in einer Krise. Der Druck auf die Wirtschaft und auf die Bevölkerung ist enorm hoch. Wir kämpfen uns aber – ich glaube, das letzte Jahr hat gezeigt, dass wir durchaus in der Lage sind, das zu tun – erfolgreich Schritt für Schritt aus dieser Krise heraus. Das nächste Jahr wird nicht weniger hart werden. Der Haushalt gibt uns die Möglichkeit, diese nächsten Schritte Zug um Zug zu gehen, so diese Zeit zu überstehen und die Wertschöpfung, die Wirtschaft und die Prosperität in Deutschland hochzuhalten.
Danke schön.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)
Präsidentin Bärbel Bas:
Nächster Redner: für die AfD-Fraktion Leif-Erik Holm.
(Beifall bei der AfD)