Rede von Dr. Robert Habeck Haushalt 2023: Wirtschaft und Klimaschutz, Epl. 09

08.09.2022

Dr. Robert Habeck, Bundesminister für

Wirtschaft und Klimaschutz:

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Herren und Damen! Guten Morgen! Eigentlich haben wir Besseres und Wichtigeres zu tun, als übereinander zu reden. Die

Wirklichkeit fordert unsere volle Konzentration und Aufmerksamkeit.

(Beatrix von Storch [AfD]: Das ist ja lächerlich!)

Dennoch möchte ich einmal sagen, dass der Sound der Selbstkritiklosigkeit, den ich hier gestern gehört habe, eine Antwort erfordert.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Lieber Herr Merz, 16 Jahre lang hat die Union dieses Land und viele Bundesländer regiert. 16 Jahre energiepolitisches Versagen. Und wir räumen in

wenigen Monaten auf, was Sie in 16 Jahren verbockt, verhindert und zerstört haben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP – Lachen bei der AfD – Friedrich Merz [CDU/CSU]: Echt ein Witz, was

Sie da von sich geben!)

Sehr geehrte Damen und Herren, das tun wir mit einigem Erfolg.

(Tino Chrupalla [AfD]: Ihr räumt auf! Ihr räumt richtig auf!)

Seit einer Woche gibt es kein Gas aus Russland. Die Speicher füllen sich weiter. Nach einem kurzen Ausschlag an der Börse ist der Preis noch immer

hoch, zu hoch, aber nicht explodiert.

(Tino Chrupalla [AfD]: Nee!)

Seit einer Woche sind wir unabhängig von russischem Gas. Wegen der konsequenten und vorausschauenden Handlungen dieser Regierung und dieser

Koalition.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP – Friedrich Merz [CDU/CSU]: Das ist ein Witz!)

Gestern hat Frankreich, nachdem es immer Abnehmerland war, erstmals Gas nach Deutschland geliefert. Ein Erfolg von diplomatischen Anstrengungen und

Bemühungen. Es war ein Testbetrieb, aber auch ein historischer Moment; denn er verstärkt die europäische Solidarität.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Sehr geehrte Damen und Herren, dass wir dort stehen, wo wir sind, liegt daran, dass diese Regierung von Tag eins an einen konsequenten Kurs gefahren

ist,

(Beatrix von Storch [AfD]: Ja! Das stimmt allerdings! Das ist wahr!)

wusste, wohin sie will, und weiß, was die Not des Tages erfordert. Nämlich ein Bekämpfen der aktuellen Krise bei gleichzeitiger Umsetzung der

notwendigen strukturellen Veränderungen, die dieses Land in die Zukunft führen werden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Deswegen haben wir immer alle Maßnahmen mit der notwendigen Transformation kombiniert. Energieeffizienz und der Ausbau der Erneuerbaren waren immer

integraler Bestandteil unserer Politik.

Dass die Union in dieser Krise, in dieser Wirtschaftskrise, ernsthaft gegen die notwendigen Investitionen in erneuerbare Energien, in

Energieeffizienz, in den Wasserstoffhochlauf und auch gegen Investitionen in die Robustheit der Unternehmen, die verfassungswidrig sein sollen, klagt, das ist

ökonomischer Wahnsinn.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP – Thorsten Frei [CDU/CSU]: Das ist verfassungswidrig! Auch Minister haben sich an geltendes

Recht zu halten! – Friedrich Merz [CDU/CSU]: Schauen Sie einmal, was in der Verfassung steht!)

Wie wollen Sie denn den Unternehmen erklären, dass sie am Ende in dieser Situation, wo wir einen Nachfrageschock haben, keine staatliche Unterstützung

mehr bekommen? Es zeigt, wes fossilen Geistes Kind Sie noch immer sind.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP – Friedrich Merz [CDU/CSU]: Das wollen wir mal sehen! – Thorsten Frei [CDU/CSU]: Sie stehen

nicht über der Verfassung!)

Ich habe manchmal den Eindruck, dass Sie überhaupt noch nicht verstanden haben, welches Ausmaß die Herausforderungen der Zeit angenommen haben,

(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Das hat man vorgestern Abend im Fernsehen gesehen, dass Sie da auf der Höhe der Zeit sind!)

welche Anstrengungen wir unternehmen müssen, welche Umstellungen – auch in der Art, wie wir Politik denken – notwendig sind. Stattdessen immer nur

weiter Oppositionsgeklingel und Möchtegernwirtschaftspolitik.

(Lachen bei der CDU/CSU und der AfD – Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP – Friedrich Merz [CDU/CSU]: Das sagt der

Richtige! – Dr. Rainer Kraft [AfD]: Die Regierung kann es ja nicht!)

Sehr geehrte Damen und Herren, was ist das Wichtigste? Das Wichtigste ist, dass wir die Preismanipulationen durch Putin beenden. Wir können auf Dauer

nicht gegen die hohen Preise ansubventionieren. Deswegen müssen und werden wir jetzt das Energiemarktdesign so ändern, dass die günstigen Kosten an die

Verbraucher weitergegeben werden

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

und die hohen Kosten zwar nach dem Marktmechanismus gehen, aber nicht mehr durchgereicht werden.

Morgen ist der Energieministerrat in Brüssel. Die Vorschläge der Kommission liegen vor – man sieht, wie gut Europa arbeiten kann –, und sie gehen sehr

in die Richtung, die auch wir vorgeschlagen haben. Da sind wir auf einem guten Weg. Aber – auch das muss man aussprechen – wir machen etwas in wenigen Wochen,

was normalerweise Jahre, wahrscheinlich zwei Jahre Beratung gebraucht hätte. Wir gehen in das Strommarktdesign rein, und wir halten uns eine Option offen. Wenn

das nicht sofort und solide gelingt, dann werden wir über eine Abschöpfungsabgabe die Gewinne kassieren und den Bürgerinnen und Bürgern zurückgeben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Wir werden auch beim Gaspreis etwas machen müssen, wenngleich das komplizierter ist. Aber es ist nicht richtig, dass wir uns in eine Situation

hineinbegeben, wo wir es für jeden Preis einkaufen.

(Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: Das macht ihr doch im Moment schon!)

Wir werden auch dort Mechanismen finden und den Gaspreis herunterbringen.

Wir stoppen damit den Abfluss des Geldes ins Ausland. Und wir stoppen ihn perspektivisch am stärksten, indem wir uns nicht nur von russischer Energie,

sondern von den fossilen Energien insgesamt freimachen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie des Abg. Dr. Lukas Köhler [FDP])

Wer das verkennt, der verkennt auch, in welcher Phase wir uns eigentlich befinden. Bis wir die Preise runterbekommen haben – und das wird sicherlich

ein bisschen dauern –, werden wir den Unternehmen jede Hilfe zukommen lassen. Wir werden einen breiten Rettungsschirm aufspannen, sodass vor allem auch die KMUs

unter die Bestimmungen dieses Rettungsschirms fallen.

(Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: Und warum stand das am Sonntag nicht in Ihrem Kompromiss drin? – Zuruf des Abg. Stefan Keuter [AfD])

Was heißt das konkret? Wir werden das Programm, das wir jetzt für die Industrie aufgestellt haben, das Energiekostendämpfungsprogramm, für KMUs

öffnen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Wir werden damit die Handelsbezogenheit als Kriterium aufgeben. Wir werden es branchenoffen gestalten, aber natürlich an Kriterien festhalten.

Kriterium kann beispielsweise der Energiekostenanteil am Produkt oder am Umsatz sein. Es wird zeitlich befristet sein, weil wir an anderen Instrumenten

arbeiten, die die Preise stoppen und so die Unternehmen und die Bürgerinnen und Bürger entlasten. Es kann also keine Dauersubvention sein. Aber dieses Programm

wird aufgelegt werden. Und es wird der deutschen Wirtschaft den Weg in diese neue Zukunft erleichtern bzw. dafür sorgen, dass wir ihn gehen können.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP – Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: Wann hatten Sie denn eigentlich diese

Idee?)

Wir werden die deutschen Unternehmen und den deutschen Mittelstand schützen.

Sehr geehrte Damen und Herren, nicht alle Unternehmen leiden unter den hohen Energiekosten. Wir haben einen Nachfrageschock; das Geld in den

Haushalten wird knapp. Deswegen werden wir weitere wirtschaftspolitische, vor allem strukturelle Maßnahmen ergreifen müssen, damit die Menschen in Deutschland

genug Geld haben, auch um zu konsumieren und so die Unternehmen stützen zu können.

(Zurufe von der CDU/CSU)

Ebenfalls sollen Unternehmen geschützt werden, die von den Programmen nicht allein über die energieintensive Produktionsweise, wie eben skizziert,

erfasst werden.

Und wir werden im Oktober einen Mechanismus – Gas gegen Geld – auflegen, mit dem der Gasverbrauch runtergebracht wird und durch den die Unternehmen,

die dann die Produktion etwas zurückfahren, geschützt und finanziell entschädigt werden.

Sehr geehrte Damen und Herren, Putins Angriff zielt auch auf unser Wirtschaftssystem. Es wird immer gesagt: Das ist die schwerste Energiekrise seit

1973. Das ist nicht richtig. Diese Energiekrise ist weit komplexer; die Aufgaben sind weit größer.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Und deswegen müssen wir das, was im Normalfall gut funktioniert, jetzt hinterfragen und ändern. Wir müssen das Marktdesign am Strommarkt ändern. Wir

müssen den fiskalpolitischen Rahmen neu denken. Wir müssen die Geschwindigkeit und die Entschlossenheit, mit der politische Entscheidungen gefällt werden, so

hinterfragen und verändern, wie wir es getan haben. Und wir sollten vielleicht auch überdenken, in welchen Rollen Opposition und Regierung sich manchmal

befinden.

Sehr geehrte Damen und Herren, vielen Dank.

(Anhaltender Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Präsidentin Bärbel Bas:

Nächster Redner: für die CDU/CSU-Fraktion Jens Spahn.

(Beifall bei der CDU/CSU)