Foto von Agnieszka Brugger MdB
05.09.2023

Agnieszka Brugger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eine ganze Welle von Staatsstreichen im Sahel, tödliche Fluten als Folge der Klimakrise in Pakistan, und alle 13 Sekunden stirbt ein Kind unter fünf Jahren an den Folgen von Hunger. Die globalen Herausforderungen werden immer größer, und diese traurige Liste ließe sich noch lange fortsetzen. Auch die Verbrechen der kolonialen Vergangenheit, unfaire Wirtschaftsbeziehungen und der Beitrag der Industriestaaten zur Klimakrise gehören zu den Ursachen der Probleme, unter denen die Menschen im Globalen Süden leiden.

Gemeinsam für bessere Bildung und Gesundheit, für Demokratie und Entwicklung weltweit einzutreten, das ist auch Teil unserer internationalen Verantwortung.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Zugleich sind langfristiger Wohlstand und die Eindämmung der Folgen der Klimakrise auch für uns in Deutschland nur dann möglich, wenn die Länder des Globalen Südens endlich eine gerechte Chance auf nachhaltige Entwicklung haben, wie es zum Beispiel gerade auch auf dem ersten afrikanischen Klimagipfel in Nairobi diskutiert wird.

(Zuruf von der AfD: Aha!)

Unsere Welt befindet sich im Umbruch. Autokratische Machthaber unterdrücken nicht nur die Menschen in ihrem eigenen Land, sondern verbünden sich miteinander, um unsere regelbasierte internationale Ordnung zu schwächen. Dabei braucht es mehr Kooperationen; denn die globalen Herausforderungen nehmen zu. Kein Land der Welt kann alleine die Folgen der Klimakrise oder eine Pandemie bewältigen. Und auch deshalb ist es wichtig, dass andere Staaten uns als verlässliche und ehrliche Verbündete an ihrer Seite wissen

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

und dass wir uns umgekehrt auf unsere Partner verlassen können.

Wir engagieren uns für globale Solidarität nicht allein, weil es unseren Werten und unserer Verantwortung entspricht, sondern wir schützen dadurch auch unseren Wohlstand, unsere Sicherheit und unsere Interessen.

Zur Lösung der globalen Probleme müssen Strukturen verändert und gerechter gestaltet werden. Es geht dabei nicht nur ums Geld. Deshalb hat sich die Bundesregierung – auch dafür vielen Dank, Frau Ministerin – zu einer feministischen Entwicklungszusammenarbeit verpflichtet oder engagiert sich stark für eine nachhaltige Reform der Weltbank, die Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit endlich zusammendenkt.

Gleichzeitig ist es eben nicht egal, ob wir mehr oder weniger Geld für Entwicklungszusammenarbeit ausgeben. Im Koalitionsvertrag hat die Ampel mit einem sehr umfassenden und, wie ich finde, sehr klugen Sicherheitsbegriff die Eins-zu-eins-Regelung vereinbart. Das bedeutet: Für jeden Euro, den wir mehr für Verteidigung ausgeben wollen, wollen wir eigentlich auch einen Euro mehr in Entwicklungszusammenarbeit, humanitäre Hilfe oder Diplomatie investieren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Auch mit der neuen Nationalen Sicherheitsstrategie denkt die Bundesregierung in genau dieser Logik Sicherheit nicht allein militärisch. Denn auch Entwicklungszusammenarbeit, zivile Krisenprävention oder internationaler Klimaschutz

(Zuruf des Abg. Hermann Gröhe [CDU/CSU])

leisten einen unverzichtbaren Beitrag für die Sicherheit von Menschen hier bei uns und anderswo auf der Welt. Aber auch bei diesem Regierungsentwurf zum Haushalt sind wir leider weit von diesem Ziel entfernt. Und dabei ist das in der Sache richtige Sondervermögen von 100 Milliarden Euro für Verteidigung nicht einmal eingerechnet.

Seit Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine habe ich immer wieder Stimmen gehört – leider manchmal auch aus den Reihen der Koalitionspartner –, dass diese Eins-zu-eins-Vereinbarung seit dem 24. Februar 2022 doch überholt sei. Das teile ich explizit nicht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Ich war auch sehr irritiert, dass Sie, Ministerin Schulze, in einem Interview mit dem RND – wenn auch mit Bedauern – gesagt haben, dass Sie diese Regelung nicht mehr für realistisch halten. Denn wir sehen doch, wie dieser russische Krieg globale Probleme wie den Hunger massiv verschärft. Wir sehen doch, wie wichtig es ist, Allianzen zu schmieden, um gemeinsam und global für ein Ende der Gewalt und die Stärke des internationalen Rechts einzutreten. Wir brauchen nicht weniger, sondern mehr Zusammenarbeit und mehr Partnerschaften, wenn wir das mit der Zeitenwende wirklich ernst meinen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP – Paul Ziemiak [CDU/CSU]: Aber das spiegelt sich nicht im Haushalt wider!)

Gerade auch in der Ukraine zeigt sich übrigens überdeutlich, dass Sicherheit nicht allein militärisch gedacht werden kann. Denn so wichtig Waffenlieferungen bei der mutigen Selbstverteidigung der Ukraine sind, so macht unsere Unterstützung doch zu Recht so viel mehr aus. Vor wenigen Wochen hat meine Kollegin Debbie Düring die Ukraine besucht und folgenden Satz mitgebracht, über den ich seitdem sehr viel nachdenken musste: Auch Wiederaufbau ist Widerstand. – Indem sie kaputte Wohnhäuser, Kindergärten und Krankenhäuser wieder aufbauen, beweisen die mutigen Menschen in der Ukraine Tag für Tag, wie ihr Mut, ihr Lebenswille und ihre Kraft über die zerstörerische Brutalität Russlands siegen.

Unsere Sicherheit, unseren Wohlstand und unsere Lebensgrundlagen schützen – das können wir nur in enger Zusammenarbeit mit unseren Partnern. Und das bedeutet auch: Wenn die globalen Herausforderungen wachsen, müssen wir unser Engagement verstärken. Deshalb ist jeder Euro zur Lösung internationaler Probleme ein gut investierter Euro,

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

während uns jedes Versäumnis in der Zukunft einen viel höheren Preis kosten kann. Das sollte uns bei all den Debatten zu diesem Einzelplan begleiten und leiten.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Vizepräsidentin Yvonne Magwas:

Für die AfD-Fraktion hat das Wort Dr. Michael Espendiller.

(Beifall bei der AfD)