Rede von Lisa Paus Wirtschaftsprüfung

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27.11.2020

Lisa Paus (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es wurde bereits darauf hingewiesen: Wir haben gestern viel Zeit im Untersuchungsausschuss verbracht, bis nachts um halb vier. Wir hatten sowohl einen Vertreter von KPMG als auch verschiedene Prüfer von EY zu Gast.

Man kann natürlich sagen – um Herrn Fritz Güntzler zu zitieren –: Ein Hauptproblem war, dass der PS 302, der Prüfungsstandard 302, des Instituts der Wirtschaftsprüfer nicht eingehalten worden ist.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN – Fritz Güntzler [CDU/CSU]: Sehr richtig! Gut aufgepasst!)

– Gut aufgepasst, genau. – Man kann natürlich sagen: Das war das Hauptproblem. Wenn das gemacht worden wäre, wenn EY vernünftig geprüft hätte, wenn auch EY der Meinung gewesen wäre, dass die Einholung von Drittbestätigungen auch einen konkreten Kontoauszug umfasst, auf dem tatsächlich 1,9 Milliarden Euro ausgewiesen sind, dass das wichtiger Teil der Prüfung ist, dann hätten wir den ganzen Skandal nicht gehabt, dann hätten wir die ganzen Probleme nicht, dann wären die 10 Milliarden Euro noch da, dann wäre alles kein Problem.

(Beifall der Abg. Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Das wäre der Abschluss dieses Untersuchungsausschusses und der Beschäftigung mit dem Untersuchungsgegenstand, und dann bräuchten wir tatsächlich nicht mehr groß über Reformen bei der Wirtschaftsprüfung zu reden; denn im Kern bestünde doch eigentlich nur das kleine Problem: EY hat den PS 302 des Instituts der Wirtschaftsprüfer nicht eingehalten.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

So einfach ist es nicht, meine Damen und Herren. Vielmehr gibt es seit Jahren einfach eine massive Marktmacht und Konzentration im Bereich der Wirtschaftsprüfer. Man kann davon reden, dass ähnlich wie bei den Banken in diesem Bereich ein „too big to fail“ gilt. Es gibt ja jetzt schon große Panikattacken, dass wir aufgrund dieses Skandals bei EY plötzlich nicht mehr die Big Four haben, die alle DAX-30-Unternehmen prüfen – beim MDAX und beim SDAX sieht es nicht viel anders aus –, weil die anderen alle sagen: Das können wir gar nicht. – Also totale Marktkonzentration! Das Ergebnis dieses Skandals ist jetzt womöglich, dass wir dann nur noch drei haben, also nicht mehr einen Quadrupol, sondern nur noch einen Tripol. Das ist sozusagen das Ergebnis von Wirecard.

Wir müssen jetzt im Bereich der Wirtschaftsprüfung ganz dringend dafür sorgen, dass wir wieder Marktverhältnisse haben, damit in diesem Bereich auch vernünftig Prüfungen und Aufsicht stattfinden können, meine Damen und Herren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Fritz Güntzler [CDU/CSU]: Aber nicht mit Ihren Maßnahmen!)

Deswegen hat eben auch meine Fraktion einen Antrag vorgelegt.

Wir brauchen erstens eine Trennung von Prüfung und Beratung.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Die Quersubventionierung muss ein Ende haben. Sie ist zentral dafür, dass sich diese Marktmacht überhaupt etablieren konnte. Wir wissen sehr wohl: Das geht nicht von heute auf morgen; das ist ein Prozess. Aber gerade deswegen sagen wir: Fangen wir jetzt schon an, damit wir auch die Zeit haben, um das zu machen. Großbritannien hat es vorgemacht. Sie haben denen entsprechend Zeit gegeben. So schlagen wir es auch in unserem Antrag vor. Lassen Sie uns gemeinsam diesen Pfad gehen, damit die Trennung dann auch tatsächlich stattfindet! Wir denken, bis 2024 ist ein realistischer Zeitraum, in dem das geschafft werden kann, meine Damen und Herren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Zweite wurde auch schon angesprochen: Wir müssen die Unabhängigkeit der Prüferinnen und Prüfer durch Joint Audits stärken, sodass es möglich wird, dass eben nicht eine Gesellschaft prüft, sondern zwei Gesellschaften prüfen. Es wird übrigens immer gesagt: Das macht alles teurer. – Es gibt wissenschaftliche Studien, die unterstreichen: Das Gegenteil ist der Fall. Das macht es in der Summe für alle Beteiligen günstiger.

(Fritz Güntzler [CDU/CSU]: Die würde ich aber gerne mal sehen!)

Auch deswegen, sagen wir, müssen wir das machen.

Dritter und heute letzter Punkt. Wir brauchen tatsächlich auch eine Veränderung der Haftungsgrenzen. Wir können gerne darüber reden, wie wir das genau ausgestalten, Herr Hirte. Sie haben unseren Antrag gesehen.

Vizepräsidentin Petra Pau:

Kollegin Paus, das müssen Sie jetzt verschieben, bitte.

Lisa Paus (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Wir sagen nicht einfach: „Alles rauf“, sondern wir müssen das staffeln. Aber auch da müssen wir ran, weil es völlig absurd ist, dass es in Deutschland einen Berufsstand gibt, bei dem es eine solche Ausnahme gibt, während es überall sonst anders ist. Das sollte auch bei den Wirtschaftsprüfern geändert werden.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsidentin Petra Pau:

Das Wort hat Dr. Volker Ullrich für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)