Rede von Dr. Sandra Detzer Wirtschaftsstandort Deutschland

Dr. Sandra Detzer MdB
21.04.2023

Dr. Sandra Detzer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Vielen herzlichen Dank, Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, für die Glückwünsche. Es ist in der Tat eine schöne Gelegenheit, hier eine Geburtstagsrede zu halten. Darüber freue ich mich sehr.

Zur Ernsthaftigkeit zurück.

(Enrico Komning [AfD]: Fanden Sie meine Rede nicht ernsthaft?)

Das Ziel des Unionsantrags ist natürlich richtig und gut. Gesetze und Normen sollten so einfach und so schlank wie möglich sein. Jetzt füge ich aber mit einem Augenzwinkern hinzu: Ich würde allerdings dann in der Konsequenz einen anderen Weg vorschlagen. Ich würde vorschlagen, dass die Union vielleicht noch möglichst lange in der Opposition bleiben sollte; denn ihre Regierungsjahre in der Vergangenheit haben uns genau diesen Reformstau und diese Langsamkeit beschert.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Reinhard Houben [FDP] – Julia Klöckner [CDU/CSU]: Falsch!)

Wir sind froh, dass wir an dieser Stelle die neue Deutschlandgeschwindigkeit in unserem Land haben, und wollen natürlich nicht zu dem zurück, was wir in der Vergangenheit gesehen haben.

Was sind die ganz konkreten Ergebnisse, die wir jetzt schon vorzeigen können und die Indiz dafür sind, dass es vorwärtsgeht in Deutschland? LNG- Terminals entstehen in Rekordzeit. Damit befreien wir gerade Deutschland aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit, die uns diese 16 Jahre CDU-geführter Bundesregierung eingebrockt haben.

Aus meinem Heimatland Baden-Württemberg kann ich an dieser Stelle berichten: Wir hatten gestern einen wunderbaren Austausch mit der Energieministerin Thekla Walker. Sie hat uns berichtet: Endlich ist in Baden-Württemberg der Altmaier-Knick im Ausbau der Windkraft überwunden. Der Ausbau der Windkraft geht voran.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Die Planungszeit für Windkraftanlagen hat sich halbiert, und das ist eine richtig gute Nachricht. Das ist Bürokratieabbau in Echtzeit, und so machen wir da weiter.

Was haben wir weiter konkret erreicht? Für Lieferungen und Installationen von PV-Anlagen entfällt die Mehrwertsteuer. PV-Anlagen bis zu 30 Kilowatt werden von der Einkommensteuer befreit. Das bedeutet weniger Bürokratie für die Nutzung der Sonnenenergie und schnellere Ausbaumöglichkeiten.

Wer bei Investitionen in erneuerbare Energien Hindernisse erkennt, der kann jetzt beim BMWK einen Praxischeck machen. Dieser Praxischeck ist eben nicht noch eine weitere AG zum Bürokratieabbau, sondern er ist ganz konkretes Mittel, konkrete Hindernisse anzugehen, die dann aus dem Weg geräumt werden. Genau das hilft Unternehmen, und deswegen sind sie auch dankbar für diesen neuen Praxischeck.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Präsidentin Bärbel Bas:

Frau Detzer, Entschuldigung, es ist wahrscheinlich kein Geburtstagsgruß, aber gestatten Sie eine Zwischenfrage oder Zwischenbemerkung aus der CDU/CSU-Fraktion?

(Julia Klöckner [CDU/CSU]: Wir sind immer nett!)

Dr. Sandra Detzer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Ja, natürlich.

Präsidentin Bärbel Bas:

Herr Donth, Sie haben das Wort.

(Jürgen Coße [SPD]: Erst zum Geburtstag gratulieren!)

Michael Donth (CDU/CSU):

Vielen Dank, Frau Kollegin Detzer. Zunächst einmal herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, um die Erwartungen zu erfüllen.

(Heiterkeit – Leni Breymaier [SPD]: Geht doch! – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Geht doch!)

– Die FDP wollte Ihnen noch ein Ständchen singen; deshalb habe ich mich nicht gemeldet.

Ich wollte auf Ihre Bemerkung über Ihr Gespräch mit Frau Ministerin Walker eingehen, die darauf hinweist, dass jetzt dieser Altmaier-Knick überwunden wäre und jetzt endlich in Baden-Württemberg Windräder gebaut werden könnten. Das hat auch Herr Kretschmann schon mal so behauptet, deshalb meine Frage: Die Grünen stellen den Regierungschef in Baden-Württemberg seit über zehn Jahren, wenn ich mich richtig entsinne. Baden-Württemberg ist seither das Bundesland, in dem die wenigsten Windräder gebaut wurden.

(Leni Breymaier [SPD]: Ihr regiert aber sicher!)

Offensichtlich war es aber doch so, dass andere Bundesländer deutlich mehr Windräder gebaut haben,

(Zuruf des Abg. Jürgen Coße [SPD])

Wirtschaftsminister Altmaier aber ja für ganz Deutschland und nicht nur für Baden-Württemberg zuständig war und Regeln erlassen hat.

(Zuruf des Abg. Jürgen Coße [SPD])

Wie kann es denn dann sein, dass dieser Altmaier-Knick, wie Sie ihn nennen und auch Herr Kretschmann ihn genannt hat,

(Zuruf der Abg. Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

sich nur in Baden-Württemberg ausgewirkt hat, wo die Grünen den Regierungschef stellen, während in anderen Bundesländern mit anderen Regierungschefs, egal welcher Couleur, deutlich mehr Windräder gebaut wurden?

(Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: In ganz Deutschland gab es einen Altmaier-Knick!)

Können Sie mir das erklären?

Dr. Sandra Detzer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Vielen Dank, Herr Kollege, für diese gute Frage; denn so habe ich Zeit, das noch einmal zu erklären.

Wir sehen – es tut mir leid, Sie an der Stelle korrigieren zu müssen – in ganz Deutschland einen ganz vehementen Einbruch beim Ausbau der Windkraft nach den falschen Entscheidungen des ehemaligen Kollegen Altmaier.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Das ist ja genau der Grund, warum wir so viele Projektierer/-innen, so viele Windkraftanlagenbauer eben nicht mehr in Deutschland haben

(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Bauer/-innen! – Zuruf des Abg. Klaus-Peter Willsch [CDU/CSU])

und warum es so schwierig war, diese Industrie wirklich zum Hochlauf zu bringen. Genau das wollen wir jetzt ändern.

Wenn Sie Baden-Württemberg ansprechen, dann empfehle ich Ihnen sehr, sich die konkreten Zahlen anzuschauen. Wir haben nach der Regierungsübernahme 2011, dann auch mit der SPD zusammen, wesentliche Planungsänderungen vorgenommen.

(Michael Donth [CDU/CSU]: Nein!)

Wir hatten dann einen massiven Zubau bei der Windkraft; über 300 Anlagen sind entstanden. Und dann kam ab 2014/2015 der Knick durch Ihre Deckelung der Erneuerbaren. Das war Ihr Versagen in dieser Sache.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Das ist industriepolitisch genau die falsche Richtung gewesen, und das beheben wir jetzt.

Ich darf zurückkommen zu unserem Thema „Wirtschaftsstandort Deutschland – Bürokratieabbau“.

(Zuruf des Abg. Klaus-Peter Willsch [CDU/CSU])

Unbestritten ist natürlich die Tatsache, dass wir noch viel zu tun haben. Die Rahmenbedingungen unserer Wirtschaftsordnung insgesamt müssen so angepasst werden, dass wir eben wegkommen von der Wegwerfgesellschaft hin zu einer klimaneutralen Kreislaufwirtschaft, die die Ressourcen und unseren Planeten schont. Viele Unternehmen und ihre Beschäftigten sind wirklich in den Startlöchern. Sie sind mit voller Kraft hinterher. Mit ihren Innovationen, mit ihrem Know-how und auch mit ihrem Geld wollen sie dazu beitragen. Denen wollen wir natürlich die Hindernisse aus dem Weg räumen. Denen wollen wir die unternehmerische Aktivität leicht machen.

Dafür braucht es natürlich wesentlich mehr als nur Bürokratieabbau. Das ist mir an der Stelle wichtig. Es braucht bezahlbare, sichere und vor allen Dingen saubere Energie; wir sprachen gerade darüber. Es braucht ausreichend Fachkräfte. Wir sollten zum Beispiel die stille Reserve weiblicher Fachkräfte endlich aktivieren. Ganz, ganz viele Frauen wollen arbeiten. Aber gerade wenn sie Kinder unter sechs Jahren haben, ist das momentan noch viel zu schwierig. Deswegen braucht es selbstverständlich auch eine feministische Wirtschaftspolitik in diesem Land. Es ist gut und richtig so, dass wir sie andenken.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Reinhard Houben [FDP]: Wenn sie erfolgreicher ist als die feministische Außenpolitik!)

Ich will an der Stelle, weil wir auch Besucherinnen und Besucher hier haben, die uns zuhören, eine Bitte an Sie richten. Belohnen Sie Politiker/-innen, die handeln, die entscheiden und die mutige Entscheidungen treffen! Wir machen da nicht alles richtig. Wer handelt, macht Fehler. Aber was noch viel schlimmer ist, ist, Probleme aufzuschieben, Entscheidungen nicht zu treffen. Wir handeln. Das ist gut für den Wirtschaftsstandort Deutschland, und das ist gut für unser Land.

Herzlichen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Präsidentin Bärbel Bas:

Nächster Redner: für die Fraktion Die Linke Christian Leye.

(Beifall bei der LINKEN)