Rede von Dr. Till Steffen Zu Protokoll: Wirtschaftsstreitigkeiten

12.10.2023

Dr. Till Steffen (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

„Es lohnt sich für die Wissenschaft, für die Forschung und für die Lehreinrichtungen, sich auf einen internationalen Wettbewerb und auf den globalen Vergleich und Austausch einzulassen. Dies gilt in gleicher Weise für unser Rechtssystem und unsere Rechtsordnung, die ebenfalls in Konkurrenz etwa zum angloamerikanischen Recht stehen.

Es mag auf den ersten Blick skurril erscheinen, dass deutsche Anwälte vor deutschen Richtern auf der Grundlage deutschen Rechts in Deutschland prozessieren und trotzdem die Verhandlungssprache Englisch sein soll. Dies ist jedoch keine bloße Skurrilität mehr, wenn man sich vor Augen führt, dass diese Situation dann entsteht, wenn internationale Unternehmen beteiligt sind, die ansonsten ein englischsprachiges Gericht außerhalb Deutschlands angerufen hätten.

Die Möglichkeit, dass Gerichtsverfahren auch in englischer Sprache vor deutschen Gerichten geführt werden, bedeutet eben nicht, wie es der Präsident des Bundesgerichtshofes, Herr Tolksdorf, befürchtet, dass der ’Heimvorteil Muttersprache’ preisgegeben wird. Im Gegenteil werden durch die derzeitige Regelung viele Unternehmen unnötig oft gezwungen, zu einem Auswärtsspiel anzutreten, wenn sie ihre Ansprüche durchsetzen wollen. Unsere Initiative kann ihnen künftig einen Heimvorteil verschaffen.“

Wenn Sie sich jetzt fragen: „Moment, wir haben doch gerade Frau Limperg als Präsidentin des Bundesgerichtshofes und nicht mehr Herrn Tolksdorf“, dann liegen Sie richtig. Das war ein Auszug aus meiner Rede im Bundesrat am 12. Februar 2010. Damals habe ich zusammen mit Nordrhein-Westfalen für Hamburg den Entwurf eines Gesetzes zur Einführung von Kammern für internationale Handelssachen im Bundesrat eingebracht. Der Gesetzentwurf fand eine Mehrheit.

Im September 2011 fand die erste Lesung im Bundestag statt. Im November 2011 folgte eine öffentliche Anhörung, bei der sich die Mehrheit der eingeladenen Sachverständigen für die vom Bundesrat vorgeschlagene Einrichtung von Kammern für internationale Handelssachen bei den deutschen Landgerichten aussprach. Trotzdem wurde der Entwurf unter der damaligen schwarz-gelben Regierung nie Gesetz und fiel 2013 in die Diskontinuität.

2014 brachte der Bundesrat den Gesetzentwurf erneut ein. Es passierte nichts. 2018 erneut: Es passierte nichts. 2021 erneut! Nun jedoch wird die Initiative endlich nach 13 Jahren aufgriffen. Auch wenn die Union mit einem Antrag suggerierte, es hätte nie an ihr gelegen, ist es die Ampel, die endlich die längst überfällige Reform umsetzt.

Nun machen wir uns aber nichts vor: Der Vorschlag ist mittlerweile 13 Jahre alt. Die Welt ist in der Zeit nicht stehen geblieben. Wenn wir ehrlich sind, reicht diese Reform nicht mehr aus, um international wettbewerbsfähig zu sein. Die Anhörung zu den Eckpunkten hatte uns einige Hinweise gegeben, die wir jetzt aufgreifen sollten. Weitere 13 Jahre will ich nicht warten.