Rede von Kai Gehring Wissenschaftssprache

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19.12.2019

Kai Gehring (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gute Wissenschaft ist international und damit multilingual. Sagt und schreibt die AfD „Klapprechner“ statt „Laptop“? Spricht sie von „Großblockständer“ statt „Flipchart“? Ist sie „im Weltnetz“, statt „im Internet zu surfen“? Natürlich nicht! Das müsste die AfD aber, wenn sie Anglizismen vermeiden will oder ihre eigene Initiative ernst nimmt. Beides tun Sie nicht, und damit fehlt Ihnen jedwede Seriosität.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)

Die AfD hat kein Rentenkonzept, sie leugnet die Klimakrise, beschäftigt das Hohe Haus einmal mehr mit einem Problem, das es so eigentlich gar nicht gibt – weil sie mit Vielfalt nicht klarkommt, natürlich auch nicht mit linguistischer Vielfalt. Wie berechenbar!

Deutsch ist eine lebendige Sprache. Die größte Gefahr für lebendige Sprachen ist, wie es die AfD fordert, Sprachwandel zu unterdrücken. Wir drücken uns anders aus als Goethe vor 200 Jahren oder Walther von der Vogelweide vor 700 Jahren – und das ist auch gut so. Die AfD erklärt sich zur Hüterin der deutschen Sprache, ist aber eher Totengräberin für ein lebendiges Deutsch.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. René Röspel [SPD] und Jörg Cezanne [DIE LINKE])

Wer seine Sprache liebt, ist dankbar, wenn sie sich wandelt. Denn das ist ein Zeichen, dass sie lebt.

Wer mit exzellenter Forschung wirken möchte, schreibt so, dass sie oder er auch im Ausland verstanden wird – sei es in Hongkong, Berkeley oder Singapur. Wer nur auf Deutsch schreibt, wird dort nicht gelesen. Ich will nicht, dass sich deutsche Forscherinnen und Forscher so beschränken müssen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

Die AfD will Deutschzwang in der Wissenschaft. Wir wollen Wissenschaftsfreiheit. Und Wissenschaft setzt nicht auf Einheitssprache, sondern auf Mehrsprachigkeit.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN und des Abg. Andreas Steier [CDU/CSU])

Deutsch als internationale Wissenschaftssprache hat weiter Stellenwert in den Sozial- und Geisteswissenschaften. Aber gerade vor diesen Disziplinen haben autoritäre Kräfte wie die AfD am meisten Angst, prägen doch gerade diese Disziplinen kulturellen Wandel, gesellschaftliche Erkenntnis und kritischen Geist. Das macht Wissenschaft wirkungsmächtig.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Dr. Petra Sitte [DIE LINKE])

Man kann auf Deutsch und in jeder Sprache publizieren. Es kommt aber immer auf den Inhalt an und die Qualität. Es macht keinen Unterschied, ob wir von „Gender Studies“ oder „Geschlechterforschung“ reden – Sie flippen so oder so aus.

(Heiterkeit und Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)

Mir ist egal, ob Gender Studies auf Französisch oder Ungarisch veröffentlicht werden – Hauptsache, sie können ungestört forschen und lehren.

Wenn es nach Ihrem AfD-Antrag liefe, dann würde keine Vorlesung mehr „cum tempore“ beginnen. Statt in „Mensen“ äßen Studierende in „Gemeinschaftsverpflegungsstätten“; denn „Kantinen“ wäre auch ein Unwort, da italienischen Ursprungs. Damit steht die AfD für „Abwegige Fraktion Deutschlands“.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Dr. Petra Sitte [DIE LINKE])

Komplexität, Rationalität und Intellektualität brauchen Sprachenvielfalt, keinen Deutschzwang, keine national bornierte Einfalt à la AfD.

Ihre nächsten bedeutungslosen Anträge wie „Nur deutsches Liedgut im deutschen Radio“ erwarten wir mit Langeweile und aufgeklärter Gelassenheit.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN sowie der Abg. Dr. Dietlind Tiemann [CDU/CSU])

Vizepräsidentin Petra Pau:

Das Wort hat die Kollegin Dr. Astrid Mannes für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)