Rede von Helge Limburg Wohnungseinbrüche

Helge Limburg MdB
11.04.2024

Helge Limburg (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Keine Frage, ein Wohnungseinbruch – juristisch korrekt: Wohnungseinbruchiebstahl – ist ein schlimmes Verbrechen. Zu einem materiellen Verlust kommt die massive Unsicherheit und die Angst, die ein Wohnungseinbruch bei Betroffenen auslöst. Jemand Fremdes ist in die Privatsphäre, vielleicht ins eigene Schlafzimmer eingedrungen, durchwühlt die Sachen – das erzeugt natürlich ein ganz, ganz großes Maß an Unsicherheit.

Darum ist es ausdrücklich richtig, dass der Wohnungseinbruch hart bestraft wird und härter bestraft wird als zum Beispiel der einfache Diebstahl. Und natürlich ist es wichtig, Einbrüche aufzuklären, um Opfern zumindest ein Stück Sicherheitsgefühl zurückzugeben. Da besteht hier Konsens.

Was aber ist der Kernunterschied in dieser konkreten Debatte, liebe Kolleginnen und Kollegen? Wir reden heute über ein Ermittlungsinstrument, das – das ist gesagt worden – in die Strafprozessordnung im Jahr 2019 ergänzend eingeführt wurde und das in bestimmten Fällen von Ermittlungen zu Wohnungseinbrüchen auch erlaubt, Telefonüberwachung durchzuführen. Es wurde zunächst – und das begrüßen wir ausdrücklich – auf fünf Jahre befristet eingeführt, mit dem Ziel, das Instrument dann zunächst zu evaluieren, zu schauen, ob es notwendig, richtig und eben auch angemessen ist. Ausdrücklich ein richtiger Gedanke: Statt – wie Sie, Herr Krings, das hier immer wieder fordern – auf Vorrat immer weitere Ermittlungs- und Eingriffsbefugnisse zu schaffen, wollen wir zielgerichtet Instrumente schaffen und sie sorgfältig prüfen.

(Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Auf Vorrat? Was für ein Vorrat denn? Einbrüche, die täglich passieren! Nehmen Sie doch die Realität wahr! Nehmen Sie doch die Wirklichkeit wahr! Was für ein Vorrat?)

Sie behaupten jetzt einfach, die Maßnahmen hätten sich bewährt, und fordern, sie sollen entfristet werden. Sie ignorieren völlig – Sie sind darauf gerade schon hingewiesen worden –, dass wir in den vergangenen Jahren, und das wissen Sie ja in Wahrheit, durch die Coronapandemie einen absoluten Sondereffekt hatten. Gerade im Bereich der Wohnungseinbrüche sind die Zahlen dadurch überhaupt nicht mehr valide. Während der Coronapandemie waren Millionen Menschen in diesem Land zu Hause. Salopp gesagt: Für Einbrecher war das keine gute Zeit. Insofern war das aber auch keine gute Zeit, um seriöse Zahlen über Ermittlungen zu Wohnungseinbrüchen zu erlangen.

Deshalb sind wir ausdrücklich dafür – und ich bin dem Kollegen Fiedler dankbar, dass auch er das gesagt hat; auch Kollege Hartewig hat es gesagt –, die Maßnahme beizubehalten. Deswegen ist Ihr Generalanwurf, wir würden hier Ermittlungsinstrumente abschaffen, auslaufen lassen, völlig daneben, völlig deplatziert, und das wissen Sie in Wahrheit auch, Herr Krings. Nein, wir wollen sie beibehalten.

(Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Wo ist denn Ihr Gesetzentwurf, wo ist er denn?)

Aber wir wollen sie befristet beibehalten, damit wir dann in fünf Jahren in der Lage sind, eine valide Evaluation zu machen, dann zu schauen, wie es weitergeht, Herr Kollege. Das ist sachgerecht, und es wäre besser, wenn Sie sich mal auf so einen Pfad begeben würden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn ich so unsauber und unseriös argumentieren würde, wie die Union es in den vergangenen Tagen bezogen auf die Polizeiliche Kriminalstatistik getan hat, dann müsste ich Sie jetzt auf folgende Zahlen aus Ihrem eigenen Gesetzentwurf hinweisen. Da schreiben Sie nämlich, dass die Aufklärungsquote im Jahr 2022 auf 16,1 Prozent gesunken ist. Also die Union schreibt: Während die erweiterte Telefonüberwachung gilt, sinkt die Aufklärungsquote in diesem Delikt. Daraus müsste man ja den Schluss ziehen, dass dieses Instrument eine Aufklärung sogar behindert und man es unverzüglich abschaffen müsste.

(Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: In der zweiten Klasse vielleicht schon!)

Das ist natürlich völliger Unsinn, Herr Kollege Krings.

(Zuruf der Abg. Dr. Günter Krings [CDU/CSU])

Die Zusammenhänge sind eben andere. Auch das hat Ihnen Herr Fiedler gerade erläutert. Ganz entscheidend waren Präventionsmaßnahmen der Vergangenheit in nahezu allen Bundesländern. Wichtig waren auch gezielte Ermittlungsgruppen. Gerade dort, wo wir es mit internationalen Banden zu tun haben, waren Fahndungsmaßnahmen an Autobahnen und anderen Knotenpunkten tatsächlich sehr, sehr erfolgreich. Also, wir sollten schon differenziert hinschauen und nicht so plumpe, einfache Zahlenspiele hier betreiben, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Meine Damen und Herren, wir müssen uns klarmachen, dass Ermittlungsmaßnahmen immer wieder auch völlig Unschuldige treffen, direkt oder indirekt. Zunächst einmal sind Verdächtige keine Verurteilten. Das Wesen des Strafverfahrens ist ja, herauszufinden, ob ein Verdächtiger schuldig ist oder nicht. Wenn sich ein Verdacht nicht erhärtet, dann hat eine Ermittlungsmaßnahme in die Privatsphäre eines Unschuldigen eingegriffen.

Bei der Telefonüberwachung trifft das ganz besonders zu; Kollege Hartewig hat darauf hingewiesen. Es wird zunächst jedes Gespräch abgehört, nicht nur ein Gespräch zwischen zwei Verdächtigen, sondern jedes Gespräch. Die Person am anderen Ende der Leitung weiß aber im Zweifel nicht mal, dass sie mit einem einer Straftat Verdächtigen telefoniert und dass dieses Gespräch gerade von Dritten mitgehört wird.

(Stephan Brandner [AfD]: Vom Verfassungsschutz! Wir kennen das!)

– Dass Sie den Verfassungsschutz kennen, das ist klar.

(Stephan Brandner [AfD]: Wir kennen das!)

Das ist auch zu Recht so. Das wird Ihnen in Münster, Herr Brandner, auch erneut bestätigt werden. Es wird dabei bleiben – das ist meine sichere Prognose –, weil ein Rechtsstaat sich so etwas, was Sie hier immer veranstalten, nicht bieten lassen muss.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP – Stephan Brandner [AfD]: Achten Sie auf Ihre Redezeit!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, solche Überwachungsmaßnahmen betreffen regelmäßig auch Unschuldige. Gerade weil Ermittlungsmaßnahmen in die Privatsphäre von unschuldigen, rechtstreuen Bürgern eingreifen,

(Stephan Brandner [AfD]: Das kennen wir auch!)

ist es richtig, sorgfältig abzuwägen, aber nicht so, wie es die Union immer wieder macht nach ihrem ewigen Muster der Innen- und Rechtspolitik, das seit Jahren so durchsichtig wie sachfremd wie doppelzüngig ist.

(Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Was soll denn aus weiteren Evaluierungen noch rauskommen? Welche neuen Erkenntnisse versprechen Sie sich?)

Kein Problem, dem Sie nicht mit dem Strafrecht oder mit der Strafprozessordnung begegnen wollen! Blockierende für Klimaschutz wollen Sie hart sanktionieren und ihnen mit Gesetzesverschärfungsorgien begegnen. Blockierende für Agrarsubventionen beklatschen und bejubeln Sie.

(Zuruf des Abg. Stephan Brandner [AfD])

Eine tote Radfahrerin in Berlin wird hier im Plenum thematisiert und mit Anträgen oder anderweitig in die Öffentlichkeit gezogen. Die zweistellige Zahl von toten Radfahrenden in Berlin allein im vergangenen Jahr ist Ihnen dagegen keine einzige Silbe wert.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, bei der Vorratsdatenspeicherung – Sie haben es selber gesagt – rennen Sie seit zehn Jahren mit dem Kopf gegen eine Wand namens Grundrechte.

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Herr Kollege, kommen Sie zum Schluss, bitte.

Helge Limburg (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

– Ich komme zum Schluss. – Bürgerrechte, Datenschutz, Privatsphäre, all das ist nichts, was man einfach mal so beiseitewischen kann.

(Zuruf des Abg. Dr. Günter Krings [CDU/CSU])

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

So, jetzt aber wirklich.

Helge Limburg (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Das muss man sorgfältig abwägen. So macht es die Ampel.

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Herr Kollege, bitte jetzt wirklich.

Helge Limburg (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sie sind herzlich eingeladen, dabei mitzumachen.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Danke sehr. – Nächster Redner – er ist schon auf dem Weg – ist der Kollege Dr. Volker Ullrich, CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU – Stephan Brandner [AfD]: Kommt aber sehr oft heute, der Herr Ullrich! – Gegenruf des Abg. Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Bürgt für Qualität! – Gegenruf des Abg. Stephan Brandner [AfD]: Der Einzige, der was kann!)