Rede von Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn Wohnungslosen- und Wohnungsnotfallhilfen
Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Frau Staatssekretärin! Liebe Frau Senatorin! In Deutschland leben über 30 000 Menschen auf der Straße, überwiegend deshalb, weil sie dort leben müssen. Nach dem ersten Wohnungslosenbericht, den die Bundesregierung vorgelegt hat, sind es 37 400 Menschen – geschätzt. Offizielle amtliche Zahlen gibt es dazu leider immer noch nicht; da müssen wir noch nachbessern. Über 30 000 Menschen, die auf der Straße leben müssen, in einem reichen Land wie Deutschland: Das ist ein Skandal, den wir beenden müssen!
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)
Ich habe schon viele Diskussionen hier geführt. Vor allen Dingen die Union hat immer gesagt: Der Bund ist dafür überhaupt nicht zuständig. Überlassen wir das den Kommunen, vielleicht noch den Ländern. – Nach den vielen Diskussionen ist es diese Koalition, die sich vorgenommen hat, bis 2030 Wohnungs- und Obdachlosigkeit zu beenden. Wir gehen also den Weg dahin, dass in Deutschland tatsächlich niemand mehr wohnungs- und obdachlos ist.
Dafür braucht es viele Maßnahmen, aber für uns ist klar: Housing First ist ein ganz zentraler Baustein. Sie haben es auch an den Reden der Kolleginnen und Kollegen aus den anderen Fraktionen der Ampel gemerkt: Da rennen Sie bei uns offene Türen ein. Die Delegationsreise nach Finnland ist schon angesprochen worden – das ist das Musterland, was Housing First angeht; es ist nicht das einzige, aber eines der Musterländer –, auf der sich die Ministerin und die Abgeordneten das vor Ort angucken.
Die Arbeit in der Koalition dazu nimmt jetzt Fahrt auf. Die Vorlage des Aktionsplans ist für dieses Jahr geplant; das ist bei der Ministerin jetzt ganz oben auf der Agenda. Was uns wichtig ist – das hat auch die Staatssekretärin gesagt –, ist, dass auch die Betroffenen mit einbezogen werden, mit gehört werden. Ich habe mich sehr gefreut, dass die Ministerin sich vor wenigen Tagen mit Vertretungen der Wohnungslosen getroffen hat. Auch das ist wichtig: dass die Betroffenen mit gehört werden, wenn es darum geht, Wohnungslosigkeit zu beseitigen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Es braucht aber, wie gesagt, viele Maßnahmen. Housing First ist ganz wichtig für die Betroffenen, aber wir müssen natürlich auch durch Wohnungspolitik präventiv agieren; dazu haben viele etwas gesagt. Wohnungsgemeinnützigkeit ist uns als Grünen besonders wichtig. Aber wir brauchen auch sozialpolitische Maßnahmen und eine bessere soziale Absicherung. Die Bürgergeldreform, die Verbesserung beim Wohngeld und die Einführung der Kindergrundsicherung sind Vorhaben, die wir zum Teil umgesetzt haben und zum Teil noch umsetzen wollen, mit denen wir die soziale Absicherung verbessern, damit die Menschen sich eine Wohnung leisten können.
Wir müssen auch – das hat die Senatorin eben schon gesagt – das Problem mit den EU-Bürgerinnen und -Bürgern angehen; viele Menschen, die auf der Straße leben, kommen aus dem EU-Ausland. Auch da geht die Ampelkoalition ran: Wir haben im Koalitionsvertrag vereinbart, uns das Problem „Obdachlosigkeit von EU-Bürgerinnen und -Bürgern“ noch mal explizit anzuschauen. Auch da müssen wir aktiv werden und nach Lösungen suchen. Nach Meinung von uns Grünen braucht es da ebenfalls eine verbesserte soziale Absicherung.
Wenn wir gemeinsam darangehen – alle demokratischen Parteien, von der Linken bis zur CDU, von der ich jetzt auch konstruktive Beiträge gehört habe –, dann können wir es tatsächlich schaffen, dass bis 2030 niemand mehr auf der Straße leben muss.
Vielen Dank.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Rainer Semet [FDP] und Susanne Hennig-Wellsow [DIE LINKE])