Hanna Steinmüller
12.05.2023

Hanna Steinmüller (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Bürgerinnen und Bürger! Es ist bei Ihnen vermutlich unterschiedlich lange her, aber die meisten werden sich daran erinnern, wie es war, nach der Schule auszuziehen: in die eigene Wohnung, ins Wohnheimzimmer, vielleicht in ein WG-Zimmer. Meistens ist es eher klein, vielleicht auch nicht sonderlich schön; aber es ermöglicht immerhin Eigenständigkeit. Und dann, im Laufe des Lebens, verändert sich das. Man findet vielleicht eine Partnerin oder einen Partner, mit der oder dem man zusammenzieht. Man gründet möglicherweise eine Familie und braucht deswegen mehr Platz. Vielleicht ist der Grund auch einfach, dass man Homeoffice macht und dafür ein Arbeitszimmer braucht. Der Lebenszyklus setzt sich fort: Manchmal gehen Beziehungen in die Brüche, Kinder ziehen aus, der Ruhestand erlöst einen vom Homeoffice und der Notwendigkeit des Arbeitszimmers. Kurz: Der Wohnbedarf verändert sich im Laufe des Lebens. Und ich glaube, dass wir dafür Lösungen finden müssen.

Momentan ist es so, dass der Wohnbedarf immer nur steigt. Je älter man wird, desto höher ist die Quadratmeterzahl. Und an dem Punkt, an dem der Bedarf eigentlich sinkt, kommt es nicht zur Verkleinerung. Vor 30 Jahren haben Menschen im Durchschnitt auf 35 Quadratmetern gewohnt, mittlerweile sind es 48 Quadratmeter. Natürlich kann man jetzt sagen: Wir bauen, bauen, bauen einfach die ganze Zeit. – Es gibt Regionen, wo wir das brauchen; zum Beispiel in Berlin, einer Stadt mit großem Zuzug, werden wir Neubau brauchen. Wir müssen aber auch schauen: Wie können wir die Flächen, die wir haben, besser verteilen?

(Zuruf des Abg. Dr. Jan-Marco Luczak [CDU/CSU])

Da gibt es verschiedene Hemmnisse; das ist schon angesprochen worden. Niemand von uns zieht gerne um. Es ist erstens aufwendig, Kisten zu packen. Es ist zweitens oft schwer, eine Wohnung im Umfeld zu finden. Wenn ich seit Jahrzehnten in meinem Haus, in meiner Wohnung, in meiner Nachbarschaft lebe, dann möchte ich in der Wohngegend bleiben. Um direkt darauf einzugehen: Niemand zwingt einen, beim Wohnungstausch 20 Kilometer weiter zu ziehen. Im Gegenteil: Vielleicht ist es so viel einfacher, direkt in der Nachbarschaft, da, wo man verwurzelt ist, eine Alternative – wenn man älter ist, vielleicht eine kleinere Wohnung – zu finden. Momentan ist das Problem: Wenn es zu einem Tausch kommt, ist es meistens viel teurer. Das ist einfach kein Anreiz, umzuziehen. Ich glaube, dieser Realität müssen wir ins Auge schauen. Beim Recht auf Wohnungstausch geht es um ein Recht. Es geht darum, dass wir das Umziehen leichter machen. Niemand wird gezwungen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Bettina Hagedorn [SPD] und Caren Lay [DIE LINKE])

Aber bleiben wir bei dem Beispiel von der älteren Person, das jetzt oft angesprochen wurde. Was hat diese Person von ihren fünf Zimmern im vierten Stock, wenn sie keine Möglichkeit hat, umzuziehen, weil sie es sich nicht leisten kann? Es wäre doch viel besser, wenn sie mit einem Tauschrecht in eine barrierefreie Wohnung im Erdgeschoss umziehen kann. Ich finde, das ist ein sehr sinnvolles Konzept.

Jan-Marco Luczak, ich habe auch in die Tauschportale geguckt. Ich weiß: Im Land Berlin läuft das noch nicht so gut. Aber ich habe gestern Abend mal bei eBay Kleinanzeigen nachgeschaut: Allein für Berlin gab es 111 Gesuche.

(Dr. Jan-Marco Luczak [CDU/CSU]: Gesuche sind ja das Problem!)

Das waren nicht nur Menschen, die eine größere Wohnung wollten. Es waren auch Menschen darunter, die gesagt haben: Wir wollen uns aktiv verkleinern. – Und das bezog sich nicht nur auf den Stadtrand von Berlin, sondern auch auf Kreuzberg und auf Charlottenburg. Da sind Menschen, die sich vielleicht getrennt haben und sich räumlich verkleinern wollen, und andere, die sich räumlich vergrößern wollen, weil sie Kinder bekommen haben. Dafür brauchen wir einfach Lösungen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Caren Lay [DIE LINKE])

Es gibt verschiedene Unterstützungsmöglichkeiten, um den passenden Wohnungsbedarf in den unterschiedlichen Lebenslagen zu ermöglichen. Man kann Umzugsunterstützung anbieten.

(Dr. Jan-Marco Luczak [CDU/CSU]: Stimmen die Grünen dem jetzt zu oder nicht?)

Wenn ich beruflich umziehe, gibt es ja auch die Möglichkeit, dass mein Arbeitgeber mich unterstützt und zum Beispiel das Umzugsunternehmen bezahlt oder vielleicht einen Zuschuss zu den neuen Möbeln gibt. Es gibt auch die Möglichkeit, das Matching zu verbessern; das wurde ja schon angesprochen. Dabei stellen sich die Fragen: Wie erfahre ich davon? Gibt es vielleicht eine zentrale Seite, damit ich meine Wohnung tauschen kann? Das Dritte wäre ein Rechtsanspruch. Wir Grüne finden das sinnvoll. Wir haben das schon in unserem Wahlprogramm gefordert.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD und der Abg. Caren Lay [DIE LINKE])

Weil das schon so oft thematisiert wurde, möchte ich es noch einmal sagen: Das Recht auf Wohnungstausch ist keine Pflicht zum Wohnungstausch. Wer in seiner Wohnung bleiben möchte, kann das jederzeit ohne Nachteile tun. Die Frage ist aber: Was ist mit den Menschen, die sagen: „Meine Lebenssituation hat sich verändert“ – das passiert im Laufe des Lebens; das wird Ihnen allen so gehen – und sich vergrößern oder verkleinern möchten?

(Dr. Jan-Marco Luczak [CDU/CSU]: Es gibt ja drei Beteiligte: zwei Mieter und ein Eigentümer! Vielleicht sollten Sie diese Perspektive nicht ganz ausblenden!)

Ich finde, es ist sinnvoll, das zu ermöglichen.

Unser Ziel ist es, Wohnraum für alle Lebenslagen zu schaffen, ganz egal, ob ich gerade von zu Hause ausgezogen bin, ob mir gerade total viele Kinder um die Beine wuseln oder ob ich mittlerweile möglicherweise alleine lebe. Wir wollen, dass der Wohnraum besser verteilt wird

(Dr. Jan-Marco Luczak [CDU/CSU]: Wohnraum verteilen!)

und dass es einfache Möglichkeiten zum Wohnungstausch gibt. Deswegen freue ich mich auf die Beratungen des Antrags im Ausschuss.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Dr. Jan-Marco Luczak [CDU/CSU]: Wir machen jetzt ein Wohnraumverteilungsgesetz!)

Vizepräsidentin Aydan Özoğuz:

Roger Beckamp hat das Wort für die AfD.

(Beifall bei der AfD)