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05.11.2020

Filiz Polat (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Zensusverschiebung ist richtig und notwendig; aber die unsachgemäße Verknüpfung mit der Änderung des Aufenthaltsgesetzes lehnen wir ab. Dies hat auch hier im Hause schon zu Irritationen geführt. Deswegen haben Sie, glaube ich, auch keine Zuschriften bekommen, Helge Lindh, weil das, wie meine Kollegin Ulle Schauws gesagt hat, eine Vernebelungstaktik ist. Das ist anscheinend die neue Strategie innerhalb der Koalition.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Helge Lindh [SPD]: Das ist eine Verschwörungsstrategie!)

Meine Damen und Herren, diese Themen sind einander in Gänze nicht nur wesensfremd – das hat im Übrigen auch der Bundesrat festgestellt –; viel schlimmer noch: Die Eilbedürftigkeit in der einen Materie auf einen massiven Grundrechtseingriff zu übertragen, ist schlicht unverantwortlich.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vor gerade einmal drei Tagen wurde in der Sachverständigenanhörung die Regelung zu der sogenannten Vorbereitungshaft von den Sachverständigen mehrheitlich kritisiert; denn anstatt die notwendigen Anforderungen an ein solches Gesetz angesichts der Normeingriffstiefe zu würdigen – wir sprechen hier davon, dass jemand einen Asylantrag aus der Haft heraus stellen soll, obwohl er keine Straftat begangen hat –, wird das Verfahren einfach durch das Parlament gepeitscht.

Dass es, wie von Ihnen behauptet – auch von der FDP; ich bin etwas irritiert –, eine Regelungslücke gebe, wurde von den eigenen Sachverständigen der Regierungskoalition, Herr Throm, verneint. Sie nehmen einen Einzelfall zum Anlass, den Fall Miri aus Bremen, der genauso – das wurde gesagt – mit den gegenwärtigen Regelungen gelöst werden könnte. Sie treffen damit aber nicht nur angebliche Clanchefs, sondern auch alle anderen Menschen, die nach Ihrem Gesetz nun ihren Asylantrag – ich habe es bereits gesagt – aus der Abschiebehaft heraus stellen müssen. Das ist absolut unverhältnismäßig, und das Problem daran wird sein, dass wir jetzt schon 50 Prozent aller Anordnungen zur Abschiebehaft als rechtswidrig feststellen müssen, und diese Zahl wird auch noch steigen. Damit wird der starke Rechtsstaat infrage gestellt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zudem riskieren Sie mit Ihrer Gesetzesänderung, dass bereits die erste Inhaftierung – das prophezeie ich Ihnen – vor Gericht kassiert wird. Damit verlieren sie auch das Vertrauen in den Rechtsstaat, und das ist das Problem an Ihrer vermeintlichen Kriminalitätsbekämpfung;

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

denn nicht umsonst stellt die Inhaftierung einen der massivsten Eingriffe des Staates dar. Wenn nun mal keine Straftat vorliegt, ist es auch schwierig, die Abschiebehaft hierfür zu missbrauchen; denn sie dient allein der Durchsetzung der Abschiebung, und die muss unmittelbar bevorstehen. Sie wissen, wenn jemand einen Asylantrag stellt, kann sozusagen diese Prognose nicht festgestellt werden.

Meine Damen und Herren, dieser Gesetzentwurf dokumentiert erneut, dass das Aufenthaltsrecht nicht der richtige Ort für Ihre Kriminalitätsbekämpfung ist. Hören Sie endlich auf, das Aufenthaltsrecht mit dem scharfen Schwert des Strafrechts zu vermengen.

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Frau Kollegin, kommen Sie zum Schluss, bitte.

Filiz Polat (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Das ist weder erforderlich noch rechtsstaatlich verantwortbar. Wir lehnen Ihren Gesetzentwurf ab.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)