Rede von Emilia Fester Zivilgesellschaft

Emilia Fester MdB
16.12.2022

Emilia Fester (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen des demokratischen Hauses! Der Bericht, den wir hier heute debattieren, ist aus dem Jahr 2020. Er berichtet schon von sehr großen Veränderungen des Ehrenamts während der Coronapandemie und auch von neuen Formen von Engagement, zum Beispiel in der Klimagerechtigkeitsbewegung. Was er aber noch nicht verrät und auch nicht verraten kann, ist, inwiefern sich Engagement seit dem Kriegsbeginn erneut verändert hat.

Engagement entwickelt sich stetig fort. Wenn die Welt sich verändert, dann verändert sich auch das Engagement. Das gilt aber auch umgekehrt: Wenn das Engagement sich verändert, dann verändert sich die Welt. Das wohl aktuellste und gewaltigste Beispiel dafür ist die Revolution der mutigen Frauen und Männer im Iran. Natürlich können wir uns nicht mit ihnen vergleichen. Und doch steckt im Kern genau das, was allem Engagement gemein ist: Engagement ist, wofür unser Herz abseits von Lohnjobs oder Familie schlägt. Es ist das Einsetzen für das, was uns in dieser Gesellschaft etwas bedeutet. Ob es der eigene Sportverein ist, in dem wir zusammenkommen, die freiwillige Feuerwehr oder das Seenotrettungsschiff, um unseren Mitmenschen zu helfen, der demokratische Protestzug für das eigene Recht auf Zukunft, ob auf der Kinderkrankenstation, im Altersheim, in Sprachkursen, in der Schülervertretung, bei der Tafel, in Museen, im Netz – die Orte für Engagement sind zahllos, vielfältig und so unterschiedlich. Und doch haben Engagierte eben alle eines gemein: Sie stützen unser Zusammenleben, wollen im Kleinen wie im Großen etwas Gutes beitragen. Auch an dieser Stelle von mir noch einmal herzlichen Dank dafür!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Das Schöne ist, dass Engagement nicht nur der Gesellschaft etwas gibt, sondern auch denen, die es ausführen. Sich einzusetzen und sich starkzumachen, ist gerade für die vielen jungen Menschen, die sich engagieren, ein riesiger Teil ihres Wachstumsprozesses. Es sensibilisiert für gesellschaftliche Herausforderungen, stärkt die Selbstverantwortung, zeigt ihnen, dass sie wirksam sein und etwas verändern können. Maßgeblich dafür ist aber ihre intrinsische Motivation. Deswegen ist mir wichtig, das hier noch einmal zu betonen: Ein soziales Pflichtjahr wird junge Menschen nicht langfristig zu engagierten Demokratinnen und Demokraten machen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Daniel Baldy [SPD])

Es wird unsere Gesellschaft nicht in ihrem Zusammenhalt stärken. Auch den Fachkräftemangel, der nach 16 Jahren Misswirtschaft entstanden ist, kann ein „Deutschlandjahr“, liebe Union, nicht kitten.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Verpflichtete und unausgebildete junge Menschen sind nämlich keine Fachkräfte. Das Ganze ist übrigens auch noch irre teuer und dazu wahrscheinlich verfassungswidrig. Was Sie hier versuchen, ist mal wieder nichts anderes, als über den Kopf junger Menschen hinweg zu entscheiden. Und das nennt man – da habe ich noch mal ein neues Hasswort für Ihr Woke-Vokabelheft – „Adultismus“.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir als Ampel gehen das zum Glück ein bisschen anders an. Gegen den Fachkräftemangel gehen wir in die Offensive. Junge Menschen unterstützen wir mit der Weiterentwicklung von Freiwilligendienst und anderen Beteiligungsformen.

(Martin Reichardt [AfD]: Machen Sie doch mal eine Ausbildung gegen den Fachkräftemangel!)

Für den Bereich der Engagementpolitik erarbeiten wir Hand in Hand mit der Zivilgesellschaft, mit Verbänden, Wissenschaft und Wirtschaft die neue Engagementstrategie des Bundes. Wir wollen neue Formen von Engagement absichern, klare Kante gegen Demokratiefeinde zeigen und für Krisenfestigkeit sorgen;

(Widerspruch des Abg. Martin Reichardt [AfD])

denn wir finden: Wir tun als Staat sehr gut daran, die Engagierten in ihrer Freiwilligkeit zu unterstützen.

Danke schön.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Nico Tippelt [FDP])

Vizepräsidentin Aydan Özoğuz:

Ich bin noch mit dem Wort „Adultismus“ beschäftigt.

(Denise Loop [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sehr gut!)

Nächste Rednerin ist für die CDU/CSU-Fraktion Petra Nicolaisen.

(Beifall bei der CDU/CSU)