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26.11.2020

Steffi Lemke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bundesgesundheitsminister Jens Spahn eröffnete in der vergangenen Woche die Debatte zum Infektionsschutzgesetz mit der Aussage, dass die gegenwärtige Pandemie ein Naturereignis, eine Naturkatastrophe sei, die schicksalhaft über uns gekommen ist. Nun kann man über den Begriff „Schicksal“ möglicherweise lange diskutieren; aber diese Pandemie ist definitiv keine Naturkatastrophe. Sie ist menschengemacht. Es ist eine Katastrophe mit Ansage.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir wussten, dass das auf uns zukommt. Wir wussten es spätestens seit der SARS-Pandemie 2003, eine meldepflichtige Krankheit in Deutschland. Wir wussten es, seit die WHO einen internationalen Pandemieplan aufgestellt und von den Nationalstaaten nationale Pandemiepläne gefordert hat. Und wir wussten es spätestens, seitdem auch Deutschland über das RKI einen Nationalen Pandemieplan vorgelegt hat. Trotzdem haben wir dieses Problem vernachlässigt. Wir waren schlecht vorbereitet, als diese Pandemie im letzten Winter nach Europa gekommen ist.

Fakt ist, dass die Pandemie menschengemacht ist, dass nicht die Natur die Ursache ist, sondern eher die Naturzerstörung. Menschliches Tun ist die Ursache dieser Pandemie. Es ist richtig, dass wir uns gegenwärtig im Bundestag, in den Ländern und in den Kommunen auf die Pandemiebekämpfung konzentrieren und auf die Hilfen für die Wirtschaft, Lösungen im Bereich Schulen und auf die Vorbereitung möglicherweise weiter steigender Infektionszahlen. Aber wenn wir diese Katastrophe nicht gleichzeitig zum Anlass nehmen, mehr und bessere Vorsorge zu treffen, dann haben wir, glaube ich, immer noch nicht verstanden, was gerade passiert.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dazu gehört erstens eine vertiefte Risikoanalyse über Pandemien, auch wenn wir möglicherweise den Ursprung der letzten Pandemie nie erfahren werden. Wir wissen, dass das Virus mit hoher Wahrscheinlichkeit von einem Wildtiermarkt oder von Marderhundfarmen in Asien stammt. Auf die Analyse muss als zweiter Schritt die Risikominimierung folgen. Wir werden das Risiko von Pandemien nicht völlig ausmerzen können; das ist nicht mehr möglich. Unsere Aufgabe, der wir uns jetzt parallel zuwenden müssen, ist, zu überlegen, welche Risiken wir zu welchem gesellschaftlichen und volkswirtschaftlichen Preis schnell und auch langfristig reduzieren können. Wenn wir bis zur nächsten Pandemie damit warten, ist es zu spät.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Dr. Barbara Hendricks [SPD])

Uns liegt das IPBES-Arbeitspapier aus dem letzten Monat vor, das eine so deutliche Sprache spricht, wie ich es persönlich nicht erwartet hatte. Ohne Prävention werden Pandemien in Zukunft häufiger auftreten, und sie werden noch schneller und noch tödlicher verlaufen und einen größeren wirtschaftlichen Schaden mit sich bringen. Das ist ein so glasklarer Handlungsauftrag an alle Regierungen in Europa und natürlich darüber hinaus, dass ich mich wundere, dass sich dieses Thema im gegenwärtigen Handeln so wenig niederschlägt; darauf komme ich gleich noch zurück.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

70 Prozent der momentan neu entstehenden Krankheiten sind Zoonosen, also Krankheiten, die von Tieren auf Menschen und umgekehrt übertragen werden können. Alle bekannten Pandemien sind Zoonosen. Deshalb muss die Verdrängung und Zerstörung von Natur reduziert werden. Ich sage gar nicht: „innerhalb kurzer Zeit beendet werden“; ich bin ja nicht illusionär. Ich weiß, dass wir die Vernichtung des Regenwalds nicht im nächsten Jahr komplett stoppen werden. Aber diesem Thema muss im internationalen Handeln eine höhere Priorität beigemessen werden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ein weiteres Thema, das wir mit dieser Debatte adressieren, ist der internationale Wildtierhandel, der zum Schutz der Biodiversität, aus Tierschutzgründen und – jetzt neu – zum Schutz vor weiteren Pandemien dringend begrenzt und eingeschränkt werden muss.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE])

An dieser Stelle hat die Bundesregierung ihren Handlungsauftrag bisher komplett verschlafen. Die Koalitionsfraktionen legen heute endlich einen Antrag vor, den sie seit Jahren angekündigt haben.

Vizepräsident in Petra Pau:

Kommen Sie bitte zum Schluss.

Steffi Lemke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Aber wir brauchen mehr Tempo und mehr Handeln, nicht bloß Absichtsbekundungen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsident in Petra Pau:

Das Wort hat der Kollege Dr. Klaus-Peter Schulze für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)