Rede von Nina Stahr Zu Protokoll: Alleinerziehende

13.10.2022

Nina Stahr (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): In der letzten Debatte zu diesem Thema haben viele von uns, auch ich, darauf hingewiesen, wie viel Alleinerziehende leisten, wie schwer es ist, für alles allein verantwortlich zu sein. Und das stimmt auch immer noch.

Dennoch hat mich eine alleinerziehende Mutter, die mir nach der Debatte geschrieben hat, ins Nachdenken gebracht; denn sie schrieb: Ja, das ist alles richtig; wir leisten viel, und das ist anstrengend. Aber das allein ist mir zu defizitorientiert. Immer gesagt zu bekommen, wie viel schwerer das ja alles ohne Partner ist! Denn unsere Familien sind genauso Familien wie alle anderen. Bei uns wird gelacht, geliebt, auch mal geweint, gestritten und sich wieder vertragen. Und wir kriegen das alles hin. Aber was mich ärgert, ist, dass die Politik uns in den letzten Jahren mit unseren Bedürfnissen ignoriert hat. Wir wollen kein Mitleid; wir wollen ernst genommen und gerecht behandelt werden.

Ich finde es wichtig, dass wir wissen, wie anstrengend es ist, allein für alles verantwortlich zu sein – fürs Einkaufen, fürs Checken der Hausaufgaben, fürs Essenmachen, fürs Vorlesen und fürs Ins-Bett-Bringen –, wie es ist, morgens schon durchgeschwitzt bei der Arbeit anzukommen, weil niemand da war, der dir hilft, die Schulbrote zu schmieren, allen Kindern die Zähne zu putzen und alle in die Regenhosen zu stecken. Und na klar muss das Kleinste noch mal gewickelt werden, nachdem man den Schneeanzug schon angezogen hatte!

Aber als Politik können wir das nicht ändern. Wir müssen also der Mutter, die mir geschrieben hat, zuhören und auf die Bitte um echte Unterstützung und vor allem um Gerechtigkeit reagieren. Und da gibt es so einiges, das in den letzten Jahren liegen geblieben ist, was wir als Ampelkoalition jetzt angehen.

Zusätzlich zu allem, was ich eben beschrieben habe, müssen Alleinerziehende auch alleine für den Lebensunterhalt ihrer Familie aufkommen. Und das ist nicht so einfach, wenn die Kita um 16 Uhr zumacht – wenn man denn überhaupt einen Kitaplatz hat. Das ist nicht so einfach, wenn die Kinderkrankentage aufgebraucht sind, aber das Kind trotzdem Windpocken bekommt. Und das ist auch nicht so einfach, wenn man alleinerziehend plötzlich steuerlich schlechter dasteht als vorher in der Ehe.

Deshalb haben wir mit der Ampelkoalition Maßnahmen verabredet, die Alleinerziehende gezielt unterstützen werden. Wir werden die Kinderkrankentage ausweiten und Eltern auf dem Arbeitsmarkt besser schützen. Mit dem Kita-Qualitätsgesetz werden wir in den kommenden zwei Jahren 4 Milliarden Euro in die Länder geben, um sie beim Ausbau einer qualitativ hochwertigen Kinderbetreuung zu unterstützen. Mit der Kindergrundsicherung werden wir dafür sorgen, dass alle Kinder abgesichert sind, und damit viele Familien – gerade Einelternfamilien – aus der Armut holen. Und mit der Steuergutschrift für Alleinerziehende werden wir auch steuerlich eine deutliche Entlastung schaffen.

Alleinerziehende sind vier- bis fünfmal häufiger von Armut betroffen als Paarfamilien. Das werden wir nicht länger hinnehmen. Für uns Bündnisgrüne und für uns als Ampelkoalition ist klar: Es darf nicht entscheidend sein, aus welcher Familienkonstellation ein Kind kommt. Alle Kinder müssen dieselben Chancen bekommen.

Mit all diesen Maßnahmen tun wir das, was die alleinerziehende Mutter, die mir geschrieben hat, einfordert: Wir nehmen sie ernst und sorgen für mehr Gerechtigkeit für Einelternfamilien.

Der Antrag der CDU/CSU-Fraktion ist hingegen keine ausreichende Antwort. Wir haben im Koalitionsvertrag die richtigen Maßnahmen vereinbart, und die bringen wir nun auf den Weg.