Rede von Filiz Polat Zu Protokoll: Digitale Teilnahme an Ausschusssitzungen

Foto von Filiz Polat MdB
Bündnis 90/Die Grünen Bundestagsfraktion / Kaminski
07.07.2022

Filiz Polat (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Außergewöhnliche Zeiten erfordern außergewöhnliche Maßnahmen. Unter diesem Motto – so banal es daherkommt – haben wir seit Ende März 2020 im Deutschen Bundestag unsere Rolle als Abgeordnete in unzähligen Fällen wahrgenommen, wahrnehmen müssen; denn Corona hat uns gezwungen, bei unserer parlamentarischen Arbeit andere, neue Instrumente zu nutzen.

Glücklicherweise sind mittlerweile viele unangenehme Beschränkungen wieder gefallen. Hoffentlich bleibt das auch so.

Die infolge der Covid‑19-Pandemie beschlossene Absenkung des Quorums für die Beschlussfähigkeit im Plenum ist schon wieder passé. Anders steht es um die andere damals beschlossene Sonderregelung, um die es heute geht; sie betrifft den anderen zentralen Ort unserer Arbeit als Legislative: die Ausschüsse.

Ich zitiere aus dem Antrag, der uns heute vorliegt, weil er alles Wesentliche zusammenfasst: „Die aufgrund der Coronapandemie eingeführten Sonderregeln zur digitalen Teilnahme an Ausschusssitzungen, zum Umlaufverfahren für Abstimmungen und Beschlussfassungen sowie zur Echtzeitübertragung von öffentlichen Sitzungen haben sich in den letzten zwei Jahren gut etabliert, die Instrumente könnten zukünftig auch unabhängig von einer Pandemie- oder ähnlichen Krisensituation nutzbar gemacht werden.“

Nein, wir werden unsere Ausschusssitzungen, die gerade auch deswegen so wertvoll sind, weil wir uns zusammen- und gegenübersetzen, uns in die Augen schauen können, nicht ins virtuelle Dauerdasein verbannen. Wir wollen aber aus der zuletzt erfahrenen Not eine Tugend machen. In der Coronazeit haben wir uns unfreiwillig mit Abläufen und Prozessen anfreunden müssen, aus denen sich durchaus auch nützliche Lehren für unsere künftige Arbeit ziehen lassen.

Also: Es wird beim Grundsatz analog vor digital bleiben, beim Vorrang von Ausschusssitzungen in Präsenz vor solchen im Zoom-, Webex- oder sonst welchem Format. Wir sind ein Parlament, das kommt von „parlare“ (sprechen) – und hier sind nicht in erster Linie die Mikros von Notebooks oder Smartphones gedacht.

Aber wir sollten uns auch nicht der Möglichkeiten berauben, die uns den parlamentarischen Alltag erleichtern, uns mehr Flexibilität verschaffen können. Ausschüsse tagen auch mal in Nichtsitzungswochen. Unsere Büros sind über Dutzende Gebäude verteilt, viele Kolleginnen und Kollegen sitzen in mehreren Ausschüssen, die bisweilen zeitgleich tagen, manche sind auf Dienstreisen, wieder andere leider auch mal krank.

Um es klar zu sagen: Die Regel wird die Sitzung in einem Sitzungsraum bleiben, ergänzt hier und da um das hybride Format. Und natürlich reden wir nicht von der Ausschussteilnahme im Urlaub, von der Abstimmung aus dem Strandkorb.

Wir schreiben heute für weitere sechs Monate eine bewährte und sinnvolle Regelung fort. Ich erwähne hier übrigens auch ausdrücklich das Umlaufverfahren. Aber dies ist nur ein Anfang. Diese Koalition plant ja eine breit angelegte, ambitionierte Reform der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages – von der Regierungsbefragung über das Lobbyregister bis hin zu mehr Öffentlichkeit von Ausschusssitzungen; und eben auch Projekte wie ein digitales Gesetzgebungsportal, elektronische namentliche Abstimmungen oder die Veröffentlichung von Ausschussdrucksachen und ‑protokollen im Internet.

Wir verlängern heute abermals eine außergewöhnliche Maßnahme. Sie hat uns sehr geholfen; so sehr, dass sie demnächst zum Mosaikstein einer viel größeren Reform werden soll. Darauf freue ich mich jetzt schon sehr.