Rede von Dr. Till Steffen Zu Protokoll: Leitentscheidungsverfahren beim Bundesgerichtshof

09.11.2023

Dr. Till Steffen (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Massenverfahren stellen eine große Belastung für die betroffenen Gerichte dar. Das hat uns insbesondere die Klageflut, die der Dieselskandal nach sich gezogen hat, deutlich gemacht. Einen wichtigen Schritt zur Bewältigung dieser Verfahren haben wir als Ampelkoalition mit der Umsetzung der Verbandsklagerichtlinie in deutsches Recht gemacht: Seit Oktober steht Verbrauchern die Verbandsklage nun zur Verfügung.

Die Einführung eines Leitentscheidungsverfahrens bei dem Bundesgerichtshof ist der nächste wichtige Schritt: In Massenverfahren stellen sich in der Regel die gleichen entscheidungserheblichen Rechtsfragen. Sind diese Rechtsfragen durch den BGH höchstrichterlich geklärt, kann man sich in gleichgelagerten Verfahren, die bei den Instanzgerichten noch anhängig sind, an dieser Leitentscheidung orientieren.

Nach dem jetzigen Vorschlag soll der Bundesgerichtshof selbst ein passendes Verfahren aus den ihm vorliegenden Revisionen auswählen und zum Leitentscheidungsverfahren bestimmen können. Es dauert aber, bis diese Fälle den BGH erreichen, und viele gleichgelagerte Verfahren werden sich in dieser Zeit erledigen. Ich zweifle deshalb, ob die jetzige Ausgestaltung wirklich Beschleunigung und Entlastung bringt. Stattdessen sollten wir die Vorschläge des Bundesrates und des Deutschen Richterbundes aufgreifen und Vorlageverfahren durch die Instanzgerichte zulassen. Das würde eine schnelle und richtungsweisende Leitentscheidung des BGH ermöglichen.

Im weiteren Verfahren sollten wir auch überlegen, ob wir Verbraucherverbänden eine Beteiligungsmöglichkeit im Leitentscheidungsverfahren einräumen sollten. Die finanziellen Möglichkeiten der Beklagtenseite übersteigen regelmäßig die der Klägerseite deutlich. Verbraucherverbände könnten helfen, dieses Ungleichgewicht auszugleichen.

Schließlich sollten wir aber insbesondere auch prüfen, ob eine sinnvolle Verzahnung der Leitentscheidungen mit den Verbandsklageverfahren möglich ist. Die effiziente Abwicklung von Massenverfahren liegt im Interesse der Gerichte, der öffentlichen Kassen und nicht zuletzt der Verbraucher. Daher werde ich mich weiterhin für durchschlagskräftige Verfahren einsetzen.