Rede von Katrin Göring-Eckardt Zu Protokoll: Vertriebene und Geflüchtete

16.11.2023

Katrin Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Was Spätaussiedler/-innen seit dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vor zwei Jahren erlebt haben, sind vermehrt Ablehnungen, Frustration und Unverständnis. Wir als Ampelkoalition haben wichtige Änderungen auf den Weg gebracht, um dem ein Ende zu setzen. Damit schaffen wir die notwendige Klarheit und wichtige Verbesserungen für die Betroffenen.

Wir passen das Bundesvertriebenengesetz an die Lebensrealität und die aktuellen Umstände von Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedlern an. Eine Änderung des Nationalitäteneintrags soll künftig ausreichen, um das sogenannte „Bekenntnis zum deutschen Volkstum“ vorzuweisen. Damit kehren wir zu einer Aufnahmepraxis von früher, vor dem höchstrichterlichen Urteil zurück. In einem zweiten Schritt setzen wir der Aktenvernichtung von Aussiedler- und Spätaussiedlerdaten ein Ende. Der Gesetzentwurf sieht nun eine verbesserte Datenaufbewahrung und -übermittlung vor.

Zuletzt haben wir Grüne uns besonders dafür starkgemacht, ein Augenmerk auf die aktuelle Gefahrenlage für Spätaussiedler/-innen in der Ukraine und den angrenzenden Gebieten zu richten. Der grausame russische Angriffskrieg auf die Ukraine trifft die Menschen dort jeden Tag. Anfang dieser Woche erst stand die Stadt Cherson in der Südukraine wieder unter starkem Beschuss. Wer sich davor in Sicherheit bringt, darf seinen Anspruch als Spätaussiedler nicht verlieren.

Wir stellen mit der gesetzlichen Änderung sicher, dass das nicht passiert. Und mehr noch: Fluchtgründe sind vielfältig. Deshalb habe ich mich dafür eingesetzt, dass Fälle von Menschen miteinbezogen werden, die vor Pogromen oder staatlicher Verfolgung fliehen müssen. Denn gerade die Situation in Russland wird sich unter Putins Regime in nächster Zeit voraussichtlich noch verschärfen.

Für mich ist außerdem wichtig – und da sind wir uns als Kolleginnen in der Ampelkoalition einig –, dass russische Kriegsdienstverweigerer mit in die Regelung aufgenommen werden. Auch darf eine Rückkehr in die Aussiedlungsgebiete nicht gefordert werden, wenn dies zu einer Belastung und Gefahr für die Betroffenen führt; das gilt für Russland, aber auch für andere ehemalige Sowjetrepubliken. Dazu wird und muss es zeitnah eine weitere Regelung geben.

Mit der Verabschiedung des Gesetzes setzen wir auch die Entfristung der Beschäftigungsduldung um: Das gibt einen weiteren wichtigen Impuls für die Arbeitsmarkintegration von Geflüchteten.

Vor 70 Jahren hat der Deutsche Bundestag das Bundesvertriebenengesetz auf den Weg gebracht. Dieses Gesetz ist ein wichtiges Zeichen unserer historischen Verantwortung gegenüber den deutschen Minderheiten in den osteuropäischen Staaten und den Nachfolgestaaten der Sowjetunion – eine Überzeugung, für die auch wir als Bündnisgrüne bis heute einstehen und der wir heute nachkommen werden. Es ist gut, dass wir als Koalition das in den wesentlichen Punkten auch gemeinsam mit der Union so sehen. Das ist ein wichtiges Zeichen auch für diejenigen, um die es hier geht!