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Katharina Dröge zu den Themen: Zustand der Koalition, wirtschaftliche Lage und Automobilindustrie sowie AfD-Verbot


Anlässlich der heutigen Fraktionssitzung der Grünen Bundestagsfraktion nachfolgend Statements der Fraktionsvorsitzenden Katharina Dröge zu den Themen Zustand der Koalitionwirtschaftliche Lage und Automobilindustrie sowie AfD-Verbot.

Zustand der Koalition:

Ich freue mich darauf, dass der Bundestag endlich wieder loslegt, denn es gibt viel zu tun und viel zu diskutieren. Ich möchte anfangen mit dem Zustand der Regierung, denn wir haben uns ja mit einem ziemlichen Chaos dieser Bundesregierung in die Sommerpause verabschiedet. Sie erinnern sich: Die Wahl für Richter*innen des Bundesverfassungsgerichts ist gescheitert und ich hätte erwartet, dass wir mit mehr Klarheit aus diesem Sommer herauskommen und zumindest in dieser Woche die Koalition so strukturiert ist, dass eine Bundesverfassungsrichterwahl stattfinden kann. Das ist in keiner Weise möglich. Und das ist ein Ausdruck für den Gesamtzustand, in dem sich diese Koalition befindet, die reingestolpert ist in den Sommer, rausstolpert aus diesem Sommer und die weiterhin eigentlich vor allen Dingen Streit und keinen klaren Plan präsentiert. 

Ein Beispiel – ein wirklich besorgniserregendes – ist der Umgang mit dem Thema Reform der sozialen Sicherungssysteme. Denn ja, es gibt da wirklich viel zu tun. Wenn wir jetzt auf den Herbst und Winter schauen, dann werden die Krankenversicherungsbeiträge wieder steigen. Das wird teurer für die Beschäftigten, das wird teurer für die Arbeitgeber. Deswegen ist hier Handeln notwendig und nicht das Vertagen in Kommissionen. Natürlich fragen sich die Menschen in diesem Land, ob die Rente sicher ist und ob sie in Zukunft auch noch bezahlbar sein wird. Auch hier wäre Handeln notwendig und nicht das Verschieben von Themen in Kommissionen. Bei allem gäbe es auch kurzfristige Maßnahmen, die ergriffen werden könnten.

Bei den Krankenversicherungen beispielsweise könnte als Erstes ein Steuerzuschuss helfen, mit dem die versicherungsfremden Leistungen bei Pflege und Krankenversicherung durch Steuergeld übernommen würden. Das würde schon einen kurzfristigen Dämpfer bei den Kosten für die Versicherten bedeuten. Und auch bei der Rente müsste man endlich das Thema angehen, mehr Beschäftigte in die Rente, in das Rentensystem – mehr Beitragszahler*innen – zu bekommen. Das ist die große Frage. Wenn wir darauf schauen, dass die sogenannte Boomer-Generation jetzt Schritt für Schritt in Rente geht, dann ist das ein gigantisches Problem, das Deutschland sieht, aber einfach beschließt zu ignorieren, anstatt hier kurzfristig zu handeln. Das wäre notwendig. Das heißt: Wir brauchen mehr Zuwanderung in den Arbeitsmarkt und wir brauchen mehr Beschäftigung von Frauen. 

Doch darüber redet die Koalition erst mal nicht. Stattdessen hat sie sich im Sommer gestritten. Der Bundeskanzler hat gesagt: Er scheut das Wort Sozialabbau und Kahlschlag nicht. Die Arbeitsministerin hat das Ganze ‚Bullshit‘ genannt. Dann hat man sich zum Bier getroffen und heraus kam ein Deal, den ich so erwartbar wie schäbig fand – nämlich, dass der Bundeskanzler jetzt nicht mehr Kahlschlag sagt und dafür die Arbeitsministerin die Arbeitslosen ein Stück weit mehr sanktioniert. Ich finde, das ist erwartbar, denn Menschen in Arbeitslosigkeit, das sind Menschen, die wenig politische Möglichkeiten haben, sich einzusetzen, laut für ihre Rechte einzutreten. Das sind diejenigen, über die man so leicht die Vorurteile schüren kann, dass sie zu faul sind, dass sie nur alle anderen ausnutzen würden. 

Diese Bilder beschreiben aber nicht die Realität von vielen Menschen, die im Bürgergeld leben, die zu einem großen Teil Kinder sind, zu einem großen Teil Alleinerziehende sind, auch zu einem relevanten Teil Menschen sind, die arbeiten gehen und aufstocken müssen, weil der Lohn einfach nicht reicht. Wenn man sich streitet, dann einigt man sich mal eben darauf, die Arbeitslosen zu diffamieren. Ich fand es erwartbar und trotzdem schäbig und das sollte eine Bundesregierung nicht machen. 

Was eine Bundesregierung aus meiner Sicht stattdessen tun sollte, ist, die Gerechtigkeitsfragen in diesem Land anzugehen. Denn diese Regierung hat kein Geldproblem. Sie hat ein Gerechtigkeitsproblem. Heute ist der OECD-Bildungsbericht vorgestellt worden und hat noch einmal sehr klar für Deutschland gesagt: Wir haben ein Problem mit sozialer Ungleichheit im Bildungssystem. Die Herkunft entscheidet über den Bildungsabschluss und in diesem Bereich ist Deutschland auch im internationalen Vergleich wirklich schlecht. Deswegen wäre es notwendig, zu handeln und das zur Priorität zu machen – die Zukunft unserer Kinder zur Priorität zu machen, auch in dieser Bundesregierung.

Wir haben in der letzten Regierung ein gutes Startchancen-Programm auf den Weg gebracht. Das könnte mit den richtigen Prioritäten schnell ausgeweitet werden. Wir als Grüne Bundestagsfraktion schlagen vor, die Erbschaftsteuer zur Zukunftssteuer für unsere Kinder weiterzuentwickeln. Und als erste Maßnahme könnte man die Steuerprivilegien für die Superreichen abbauen. Es ist nicht gerecht, dass man in diesem Land 300 Wohnungen erben kann, ohne einen Cent Erbschaftsteuer zu zahlen. Und es ist auch nicht gerecht, dass man in diesem Land 26 Millionen Euro erben kann, ohne einen Cent Erbschaftsteuer zu zahlen. Hier zu handeln und das Geld in die Zukunft unserer Kinder zu stecken, wäre notwendig, angemessen und gerecht. 


Wirtschaftliche Lage und Automobilindustrie:

Das zweite große Thema in dieser Woche ist die wirtschaftliche Lage. Dazu gehören große Industrien wie die Automobilindustrie und die Stahlindustrie. Der Bundeskanzler hat jetzt angekündigt, einen Stahlgipfel zu machen, einen Autogipfel zu machen. Aber ich habe mit den Unternehmen gesprochen. Gipfel sind wirklich das Letzte, was sie brauchen. Was sie brauchen, ist eine Regierung, die handelt. Eine Stahlindustrie braucht endlich Klarheit bei der Frage: Machen wir Tempo bei der Wasserstoffinfrastruktur? Kriegen die damit eine Förderung und den Wechsel hin zur grünen Stahlproduktion? Spricht sich die Bundesregierung auf europäischer Ebene dafür aus, dass wir die Handelsschutzinstrumente, die möglich sind, auch entschlossen und energisch nutzen in dieser Zeit? 

Es gibt eine riesige Enttäuschung über Friedrich Merz, der einen Zolldeal auf europäischer Ebene mit verantwortet hat, der für die Stahlindustrie verheerend ist. Mit 50 Prozent Zöllen für den Export von Stahl in die USA. Das sind Tausende von Jobs, die gerade in Nordrhein-Westfalen da dranhängen. Und auch die deutsche Automobilindustrie braucht eine Regierung, die handelt und braucht auch eine Regierung, die an die Zukunft der deutschen Automobilindustrie und an die Stärke der deutschen Automobilindustrie glaubt. Wir müssen jetzt endlich Ernst machen bei dem Weg Richtung Elektromobilität. Wir müssen investieren in eine Ladesäuleninfrastruktur, die überall in Deutschland so gut ist, dass niemand mehr die Frage hat, ob Umsteigen eine gute Entscheidung ist oder nicht. Wir müssen dafür sorgen, dass Menschen sich für Elektroautos entscheiden und gerade auch für kleine und günstige. Deswegen sind Social-Leasing-Modelle, die sagen, wir fördern das Leasing gerade für Menschen mit geringem Einkommen, ein wichtiger und notwendiger Schritt. Die Regierung hat das in ihrem Koalitionsvertrag stehen. Sie könnte da endlich handeln. Auch Maßnahmen, die die Strompreise weiter herunterbringen, wären notwendig. 

Was aus unserer Sicht nur zur Verunsicherung beiträgt und nichts bringt, ist eine Debatte über das Datum des Verbrenner-Aus. Markus Söder hat das jetzt wieder angefangen. Gestern in Gillamoos, heute auf der IAA. Er hat wieder damit angefangen zu sagen, dass er das Verbrenner-Aus 2035 grundsätzlich kippen will. Ich kann dazu nur sagen: Markus Söder ist wahrscheinlich auch ein Mann, der noch mit der Pferdekutsche hinter der Dampflokomotive hergefahren wäre und hätte gejammert: ‚Das geht alles so schnell‘. Das ist eine Politik von gestern. Markus Söder ist ein Mann der Vergangenheit. Was wir brauchen, das sind Politiker, die erkennen, dass wir in die Zukunft investieren müssen. Und die Zukunft ist die Elektromobilität. 

Wenn wir das nicht entschlossen angehen, dann wird China die Frage für uns beantworten. Dann wird China am Ende den europäischen Markt mit günstigen und bezahlbaren Elektroautos fluten und die deutsche Automobilindustrie unter Druck setzen. Das ist die Frage, die wir uns stellen und nicht die Frage, ob eine sinnvolle europäische Regulierung, die Planungssicherheit gibt für die Automobilindustrie, in Frage gestellt werden sollte. 

Um auch vielleicht noch einmal zur Debatte über die Grüne Position ein paar Worte zu sagen: Das Verbrenner-Aus ist wichtig. Ich kann verstehen, wenn Menschen sich fragen: Ein Jahr mehr oder ein Jahr weniger, macht das wirklich so einen großen Unterschied? Deswegen war es mir wichtig, noch einmal zu sagen: Das ist nicht die Debatte, die wir führen. Das ist nicht die Frage, die gestellt wird. Sondern wenn man das einmal aufmacht mit dem Argument, ein Jahr mehr oder weniger, das macht doch keinen Unterschied, dann geht es am Ende darum, das gesamte Verbrenner-Aus zu kippen. Das ist das Interesse von Leuten wie Markus Söder. Das ist das Interesse von verschiedenen Ländern auf europäischer Ebene. Deswegen ist es keine dogmatische Debatte um eine Jahreszahl, sondern es geht im Grunde um das Ganze. Deswegen werden wir als Grüne Bundestagsfraktion auch diese Woche noch einmal einen Antrag in den Deutschen Bundestag einbringen, um die Regierung aufzufordern, ganz klar zu dem Verbrenner-Aus und dem verabredeten Zeitplan zu stehen.

AfD-Verbot:

Und drittes Thema: AfD-Verbot. Wir haben den Fraktionsvorsitzenden der demokratischen Fraktionen eine Einladung geschickt. Ein Vorschlag zum Gespräch, denn wir sind davon überzeugt, dass es überfällig ist, dass der Deutsche Bundestag handelt. Wenn wir uns anschauen, wie weit sich die AfD jetzt schon radikalisiert hat, was für Möglichkeiten sie jetzt schon hat, auch durch die öffentliche Finanzierung die Meinung immer weiter zu manipulieren und zu beeinflussen. Dass die AfD das klare Ziel hat, die Demokratie von innen heraus zu zerstören, dann muss die Demokratie sich wehren und dann müssen die demokratischen Fraktionen auch in der Lage sein zu handeln. Und deswegen wäre es großartig, wenn wir uns auf einen gemeinsamen Weg verständigen könnten zwischen CDU, CSU, SPD und Linken. Und wir freuen uns sehr, dass SPD und Linke diese Einladung auch schon angenommen haben. Wir warten noch auf die Antwort der CDU. Ich kann nur an Jens Spahn appellieren: Es wäre ganz großartig, wenn wir uns in dieser Woche zusammensetzen könnten. Terminvorschläge haben wir gemacht und handeln sollten wir gemeinsam.