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Klausur der Grünen Bundestagsfraktion

Anlässlich der heutigen Klausur der Grünen Bundestagsfraktion nachfolgend Statements der Fraktionsvorsitzenden Britta Haßelmann und Katharina Dröge

Britta Haßelmann:
Friedrich Merz hat in dieser Woche einmal mehr vollmundig erklärt, es werde soziale Reformen geben. Aber er hat, wie in den vergangenen Wochen und Monaten auch, nicht geliefert. Weder gab es Vorschläge zum Bürgergeld noch zur Zukunft der Rente. Stattdessen Ankündigungen, die Enttäuschung produzieren werden. Jetzt ist der Herbst der Reformen angekündigt und eigentlich wissen alle bereits jetzt, dass es im Herbst keine Ergebnisse geben wird. Denn diese Koalition hat sich dazu entschieden, sämtliche Herausforderungen im Bereich der Sozialreformen in Kommissionen zu verlegen.Auch die Bürgergeldreform ist für den Herbst angekündigt, obwohl jeder weiß, dass es dauern wird. So werden wir wahrscheinlich einen Winter der Enttäuschungen erleben - oder gehen, was Reformankündigungen angeht, durch die Jahreszeiten. 

Das ist alles andere als gut. Das weckt Erwartungen bei Bürgerinnen und Bürgern. Das produziert Enttäuschung. Und das gibt alles andere als Zuversicht. Das gibt keine Orientierung. 

Dabei wäre einiges auch sofort möglich. Wir könnten zum Beispiel die drohende Steigerung der Beiträge in der gesetzlichen Krankenversicherung abfedern oder verhindern, indem wir versicherungsfremde Leistungen ab sofort aus Steuermitteln zahlen und nicht mehr auf Arbeitnehmer*innen und Arbeitgeber*innen abwälzen. Das heißt, wir könnten die Beitragszahlung für Bürgergeldempfänger*innen oder pflegende Angehörige aus Steuermitteln zahlen und nicht mehr den Versicherten aufbürden. 

Auch bei der Frage, wie wir Menschen aktivieren, um in den Arbeitsmarkt zu kommen, fehlen Sofortmaßnahmen. Eine konsequente Finanzierung von Weiterbildung, Qualifizierung und aktiver Arbeitsmarktpolitik würde mehr Menschen die Möglichkeit geben, zu arbeiten. 

Gerade für Alleinerziehende, insbesondere für Frauen, ist die Rückkehr in die Erwerbstätigkeit häufig schwer. Hier sind eine verlässliche Betreuungsinfrastruktur und eine aktive Arbeitsmarktpolitik nötig.

Das wären Maßnahmen, die sofort ergriffen werden könnten.Stattdessen wird angekündigt und wieder zurückgenommen, wird ein Versprechen gegeben, das am Ende nicht eingehalten ist. Das sorgt für Vertrauensverlust. Hier ist dringend eine andere Politik notwendig. Verlässlichkeit, Kontinuität, Klarheit und konkrete Vorschläge sind gefordert. 

Auffällig ist auch, dass bei Fragen der Ungleichheit vonseiten der Koalition keinerlei Vorschläge gemacht werden. Dabei wäre es auch hier einfach, Sofortmaßnahmen zu ergreifen. Bei der Erbschaftssteuer etwa könnten wir einige Gerechtigkeitslücken schließen. Es ist niemandem zu erklären, warum jemand 26 Millionen Euro als Unternehmenserbe oder 300 Wohnungen privat vererbt bekommen kann, ohne einen Cent Steuern zu zahlen, während andere bei einem Haus selbstverständlich Steuern zahlen. All solche Gerechtigkeitslücken könnten wir sofort schließen, wenn die Koalition den Mut dazu hätte. 

Auch in Bezug auf die Altersversorgung fehlen Vorschläge: Warum machen wir uns nicht daran, sofort zu sagen, Abgeordnete und Selbstständige werden in Zukunft miteinbezogen? Irgendwann müssen wir doch damit anfangen. Stattdessen kündigt Friedrich Merz an, fünf Milliarden Euro beim Bürgergeld zu sparen. Ich frage mich manchmal, wer ihn eigentlich berät. Oder berät er sich nur mit sich selbst? Jede und jeder, der sich mit dieser Frage auskennt, weiß, dass das Ziel, das er ausgegeben hat, nicht zu erreichen ist. 

Deshalb geht es jetzt darum, konkrete Vorschläge zu machen, die schnell realisierbar sind. Das wäre ein Zeichen auch an die Bürgerinnen und Bürger, dass man macht und nicht nur ankündigt. 

 

Katharina Dröge: 
Wir als Grüne Bundestagsfraktion schauen auf das nächste halbe Jahr mit der Frage: Was wäre eigentlich notwendig und was macht diese Bundesregierung? Wir werden sowohl das Regierungshandwerk als auch die Inhalte besprechen müssen. 

Friedrich Merz hat Olaf Scholz einmal einen Klempner der Macht genannt. Und ich muss ganz ehrlich sagen, dieses Kompliment können wir Friedrich Merz nicht machen. Denn die Klempner in diesem Land, die verstehen ihr Handwerk. Friedrich Merz hingegen versteht sein Regierungshandwerk leider nicht. Diese Koalition ist in den Sommer gestolpert mit einem Kanzler, der von seinen eigenen Abgeordneten keine eigene Mehrheit bekommen hat, und dann die Wahl für Richterinnen am Bundesverfassungsgericht hat scheitern lassen. In diesem Sommer hat diese Koalition sich bei allen großen, wichtigen Fragen zerstritten. 

Beispielsweise bei dem so sensiblen Thema der Außenpolitik.Wir als Grüne Bundestagsfraktion haben lange vor Friedrich Merz einen Stopp von Waffenlieferungen an Israel gefordert, die in Gaza eingesetzt werden können. Die humanitäre Situation in Gaza und das Vorgehen der israelischen Regierung sind katastrophal. Und es braucht dringend mehr Handlung der deutschen Bundesregierung. Als Friedrich Merz dann aber diesen wichtigen Schritt gegangen ist, haben wir feststellen müssen, dass er das offensichtlich nicht mal mit seiner eigenen Schwesterpartei, der CSU, besprochen hat. Die hat sofort gesagt: Unsere Position ist das nicht, und uns hat auch keiner informiert. Man muss doch erwarten, dass in so einer sensiblen Frage der Außenpolitik ein Bundeskanzler erstmal mit seiner eigenen Schwesterpartei spricht, bevor er in die Öffentlichkeit geht. Weil es in vielen Parteien unterschiedliche Perspektiven bei diesem Thema gibt, sollten wir uns möglichst auf ein gemeinsames Handeln verständigen. 

Beim Thema Wehrpflicht und Wehrdienst gibt es keine gemeinsame Positionierung – noch nicht einmal in der CDU.

Und dann kommt der Bundeskanzler aus der Sommerpause und beschimpft als Allererstes seinen eigenen Koalitionspartner, die SPD, indem er sagt: Ich kündige den Herbst der Reformen an, gegebenenfalls mit Kahlschlag und Sozialabbau, und die SPD muss da mit durch. So spricht vielleicht der Wahlkämpfer Friedrich Merz, aber so spricht nicht ein Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland. Gerade in dieser Zeit wäre es notwendig, dass Friedrich Merz in seine Rolle reinfindet, dass Friedrich Merz annimmt, dass er Kanzler ist. Das heißt auch, dass er handwerklich seinen Job anders machen muss, sonst wird er dem Ganzen schlichtweg nicht gerecht. 

Das zweite große Thema ist die Wirtschaft. Wir haben schlechte Wirtschaftszahlen. Wir haben die höchste Arbeitslosigkeit seit zehn Jahren. Wir haben eine schrumpfende Wirtschaft und eine wieder steigende Inflation. Da reicht es nicht, was Friedrich Merz aktuell macht. 

Wir als Grüne Bundestagsfraktion machen eigene Vorschläge, was jetzt konkret getan werden müsste.

Als Allererstes: Die Energiepreise müssen runter, auch für den Mittelstand - das heißt, die Stromsteuer muss für alle gesenkt werden. 

Das Zweite ist: Friedrich Merz verantwortet einen schlechten Zolldeal auf europäischer Ebene: Stichwort 15 Prozent auf alles in die USA. Er muss sich jetzt darum kümmern, dass Stahl- und Autoindustrie, die am härtesten betroffen sind –, noch mehr unterstützt werden. Gerade in der Stahlindustrie hängen Tausende Jobs dran. Wir brauchen einen Bundeskanzler, der keine Stahl- und Autogipfel veranstaltet, sondern der sagt: Ich fahre nach Brüssel, ich setze mich dafür ein, dass stärkere Schutzinstrumente für die Stahlindustrie genutzt werden. 

Wir brauchen keinen Bundeskanzler, der über das Verbrenner-Aus philosophiert, sondern einen Kanzler, der ernst macht mit einem Aktionsplan für die Elektromobilität. 

Wir brauchen auch keinen Innenminister, der mit rechtswidrigen Grenzkontrollen unsere europäischen Nachbarn verärgert. Das schadet der Wirtschaft und der europäischen Zusammenarbeit in der absolut falschen Zeit. Stattdessen braucht es eine europäische Zusammenarbeit, gerade auch in Wirtschaftsfragen. 

Und der fünfte Punkt: Friedrich Merz hat offensichtlich seiner Wirtschafts- und Energieministerin einen Kampfauftrag gegen den Klimaschutz gegeben. Das, was Katherine Reiche macht, ist eine Blockade der erneuerbaren Energien. Es ist ein Abwickeln dessen, was wir im Klimaschutz in den letzten Jahren geschafft haben. Wenn sie ausgerechnet die erfolgreichste Form der erneuerbaren Energien - die Solaranlagen – bremsen will, und das gerade in der Bürgerenergie, also dort, wo die Leute mitmachen können und wo die Akzeptanz besonders hoch ist, weil jeder auf seinem Dach mit Solarenergie etwas dazuverdienen kann, dann torpediert sie im Kern die Energiewende und damit das, was unser Land unabhängig, stark und erfolgreich macht. 

Für erneuerbare Energien gibt es keine Planungssicherheit mehr. Sie planen neue Gaskraftwerke. Sie stellen das europäische Klimaziel in Frage. Das alles schadet der Wirtschaft in diesem Land. Das verunsichert Unternehmen. Und es ist eine Absage an die Zukunft unserer Kinder. 

Deswegen haben wir den Herbst des Klimawiderstands ausgerufen, solange diese Regierung in Deutschland den Klimaschutz abwickelt.