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Pflege darf nicht zum Sparobjekt auf dem Rücken der Pflegebedürftigen werden
Zu den Berichten, dass die Bund-Länder-Arbeitsgruppe Pflege der Bundesregierung die Abschaffung des Pflegegrades 1 prüft, erklärt Simone Fischer, Sprecherin für Pflegepolitik:
Seit sie angetreten ist, schiebt die Koalition die drängenden Finanzfragen der Pflegeversicherung vor sich her. Statt endlich konkrete Lösungen zur Stabilisierung vorzulegen, setzt sie auf eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe – die nun sogar Kürzungen für die Schwächsten diskutiert. Wer Verantwortung trägt, darf nicht auf Zeit spielen – und schon gar nicht auf dem Rücken der pflegebedürftigen Menschen und ihrer Angehörigen sparen.
Pflegegrad 1 wurde eingeführt, um Menschen frühzeitig Unterstützung im Alltag zu ermöglichen und ihre Eigenständigkeit so lange wie möglich zu sichern. Es geht nicht nur um den längeren Verbleib in der eigenen Häuslichkeit, sondern auch darum, Verschlechterungen der Pflegesituation rechtzeitig zu verhindern. Wer diesen Pflegegrad infrage stellt, riskiert den Verlust von Selbstständigkeit für über 860.000 Menschen – und handelt kurzsichtig. Für pflegende Angehörige wäre eine Streichung zudem ein schwerer Rückschlag.
Die Verantwortung für diese Fehlsteuerung trägt die gesamte Koalition. CDU/CSU und SPD haben gemeinsam entschieden, die dringend notwendigen Reformen an eine Kommission zu delegieren. Heraus kommen langwierige Vorschläge, die am Ende nicht einmal innerhalb der Koalition tragfähig sind. Das zeigt, wie zerstritten sie ist – und wie aussichtslos es ist, so zu einer verlässlichen Lösung zu kommen.
Statt Kürzungsdebatten braucht es endlich eine ehrliche Analyse der Finanzierungslage: Welche Kosten gehören tatsächlich in die Pflegeversicherung, welche müssen aus Steuermitteln finanziert werden? Solange diese Fragen nicht beantwortet sind, bleibt jede Reform Stückwerk – und das Vertrauen der Menschen in die Pflegeversicherung weiter beschädigt.
Pflege braucht Verlässlichkeit – keine weitere Verunsicherung, keine neuen Belastungen. Ministerin Warken muss jetzt handeln: Die versicherungsfremden Leistungen gehören aus Steuermitteln finanziert, die milliardenschweren Corona-Mehrkosten müssen in die Pflegekassen zurückfließen. Und es braucht endlich einen gerechten Ausgleich zwischen sozialer und privater Pflegeversicherung. Nur mit einem fairen und zukunftsfesten Finanzierungskonzept gibt es Perspektive und Halt – für die Millionen Menschen, die gepflegt werden, pflegen und Beiträge zahlen.