Veröffentlicht am

Vier Jahre nach dem Abzug aus Afghanistan: Statt ihrer Verantwortung gerecht zu werden, hofiert die Bundesregierung die Taliban

Anlässlich des vierten Jahrestags der Machtübernahme durch die Taliban in Afghanistan am 15. August 2021 erklären Deborah Düring, Sprecherin für Außenpolitik, und Schahina Gambir, Mitglied im Innenausschuss:

Die internationale Gemeinschaft hat in Afghanistan nicht an diesem Tag verloren, sie verliert seit vier Jahren in Afghanistan. Seit der Machtübernahme durch die Taliban herrscht in Afghanistan ein Regime der Angst. Die Taliban entrechten Frauen und Mädchen systematisch. Sie verbannen sie aus Bildung, Beruf und Öffentlichkeit. Oppositionelle verschwinden, Menschen werden gefoltert. Körperstrafen und die Todesstrafe sind zurück.

Das Land steckt in einer schweren humanitären Krise. Über die Hälfte der Bevölkerung ist auf Unterstützung angewiesen, Millionen Kinder sind mangelernährt. Dürren und Überschwemmungen verschärfen die Lage zusätzlich. Afghanistan gehört auch zu den Ländern, die am stärksten von der Klimakrise betroffen sind. Die Taliban sind aber nicht in der Lage, die Grundbedürfnisse der afghanischen Bevölkerung zu stillen.

Deutschland trägt Mitverantwortung für die heutige Lage in Afghanistan. Der überstürzte Abzug 2021 und das Versäumnis, gefährdete Partner*innen rechtzeitig zu evakuieren, stehen sinnbildlich für ein politisches und moralisches Scheitern. Menschen, die sich mit uns für ein freies und demokratischeres Afghanistan eingesetzt haben, werden im Stich gelassen.

Trotz dieser Zustände sucht die Bundesregierung den Kontakt zum Taliban-Regime, um Abschiebungen zu ermöglichen. Das ist rechtsstaatlich inakzeptabel, innenpolitisch kurzsichtig und außenpolitisch gefährlich.

Mit einem Regime zu sprechen, das Frauen entrechtet, Oppositionelle foltert und systematisch Gewalt einsetzt, ist eine rote Linie, die nicht überschritten werden darf. Jede Art von Diplomatie mit den Taliban legitimiert Terror und Unterdrückung und verrät jene, die sich mit uns für ein demokratisches Afghanistan eingesetzt haben.

Wir fordern die Bundesregierung auf, ihrer Verantwortung gerecht zu werden. Afghaninnen und Afghanen mit einer Aufnahmezusage müssen endlich nach Deutschland ausreisen können. Visumsverfahren müssen beschleunigt und zusätzliches Personal nach Pakistan entsendet werden. Menschen, auf die wir uns in schwierigsten Situationen verlassen konnten, müssen sich auch auf uns verlassen können. Abschiebungen nach Afghanistan sind vollständig und dauerhaft auszusetzen. Um auf humanitäre Krisen besser reagieren zu können, muss die Bundesregierung außerdem die Mittel für humanitäre Hilfe ausweiten, statt sie zu kürzen.