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Binnengrenzen: Regierung sorgt schon am ersten Tag für Chaos

  • Die neue Bundesregierung schafft politisches und organisatorisches Chaos an den Grenzen zu unseren Nachbarstaaten. Der Innenminister und der Regierungssprecher geben widersprüchliche Stellungnahmen dazu ab, was genau und auf welcher Rechtsgrundlage gerade an den Grenzen passiert.
  • Alleingänge bei Binnengrenzkontrollen und Zurückweisung von Schutzsuchenden sind rechtlich wie menschlich fragwürdig und gefährden den Zusammenhalt in der Europäischen Union.
  • Abgeordnete der Bundestagsfraktion Bündnis B90/Die Grünen haben deshalb eine Vielzahl von Fragen an die Bundesregierung gestellt, die - entgegen den parlamentarischen Regeln - nur langsam und unzureichend beantwortet werden. Wir bleiben hart am Ball und werden die parlamentarische Auseinandersetzung mit der großen Schaden verursachenden Grenzpolitik der schwarz-rot Koalition weiter vorantreiben.

Chaos in der neuen Bundesregierung bei Grenzkontrollen und Zurückweisungen

Mit Aufnahme seiner Amtsgeschäfte hat Bundesinnenminister Dobrindt die Bundespolizei angewiesen, die Binnengrenzen zu Deutschlands EU-Nachbarstaaten intensiver zu kontrollieren und auch Schutzsuchende zurückzuweisen. Dabei berief er sich auf einen (angeblichen) Notstand, um EU-Recht nicht anwenden zu müssen. Der Regierungssprecher dementierte jedoch anschließend: Kanzler Friedrich Merz habe keine „nationale Notlage“ ausgerufen, um Zurückweisungen an der Grenze zu rechtfertigen. In der Regierungsbefragung am 14. Mai im Bundestag konnte Vizekanzler Lars Klingbeil nicht beantworten, auf welcher Rechtsgrundlage seine Regierung handelt. 

Ganz offenbar setzt die neue Bundesregierung auf Symbolpolitik, egal ob sie der Wirtschaft und der europäischen Integration massiv schadet. Zurückweisungen Schutzsuchender an den Grenzen sind und bleiben europarechtswidrig. Das Vorgehen von Friedrich Merz und Alexander Dobrindt soll Stärke ausstrahlen, ist de facto aber von reinem Chaos geprägt.

Die Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen verlangt nun Antworten auf die drängendsten Fragen zum neuen Grenzregime. 

Der Bundesinnenminister hatte angegeben, dass eine Weisung an die Bundespolizei erfolgt sei, wonach Schutzsuchende zurückgewiesen werden könnten, gleichzeitig vulnerable Personen wie Frauen und Kinder jedoch an die zuständigen Stellen in Deutschland weitergeleitet werden können. Die Verantwortung über Zurückweisung oder Einreise liegt nun offenbar alleine bei den einzelnen Bundespolizist*innen. Der Innenminister macht sich einen schlanken Fuß und wälzt die Last auf seine Beamt*innen ab.

Gefahren für Europäische Union

Die Grünen Abgeordneten befürchten, dass ein deutscher Alleingang bei Binnengrenzkontrollen und Zurückweisungen von Schutzsuchenden den Zusammenhalt in der Europäische Union und die Freizügigkeit gefährden könnte. Sie möchten nun genau wissen, auf welcher Rechtsgrundlage die Zurückweisungen erfolgen und wie genau darüber entschieden werden soll, ob diese „Kann-Bestimmung“ zu Zurückweisungen umgesetzt wird. Weiterhin stellen sie in Frage, wie der Rückgriff auf eine angebliche Notlage in Deutschland überhaupt begründet werden kann. Ebenfalls stellt sich die Frage, ob die Bundespolizist*innen ausreichend geschult sind, vulnerable Personen zu erkennen. Vulnerabel sind Personen, die in besonderem Maße physisch oder psychisch gefährdet sind, wie zum Beispiel Menschen mit Behinderung, Ältere Menschen, Folteropfer und Opfer von Menschenhandel. 

Da mit den intensivierten Grenzkontrollen erhebliche Mehrbelastungen für die Bundespolizei, aber auch für den Personen- und Warenverkehr zu rechnen ist, fragen wir nach, wie die Bundesregierung die Auswirkungen für die Grenzpendlerinnen und Grenzpendler geringhalten will. So pendeln zum Beispiel fast 95.000 Personen aus Polen täglich aus beruflichen Gründen über die deutsche Grenze. Ebenso möchten wir wissen, wie häufig Bundespolizeidienststellen zum Beispiel an Bahnhöfen durch die personalintensiven Grenzkontrollen unterbesetzt oder unbesetzt bleiben. 

Wie wird mit den vulnerablen Personen verfahren

Wenn sich der Bundesinnenminister über EU-Recht hinwegsetzen will, ist auch wichtig zu erfahren, wie dann mit den vulnerablen Personen verfahren werden soll, denen für ihr Schutzgesuch der Zugang zum Asylverfahren in Deutschland gestattet wird. Bedeutet es für diese Fälle, dass Deutschland die Verantwortung übernimmt oder sollen sie dann erneut im Dublin-Verfahren in ein anderes EU-Land überstellt werden?

Durch Zurückweisungen werden die Nachbarländer wie Polen, Österreich und Tschechien aber auch die Schweiz besonders belastet. Eine weitere Frage ist, mit welchen konkreten Maßnahmen die Bundesregierung auf die deutliche und wiederholte Kritik der polnischen Regierung an der erneuten Verschärfung der Grenzkontrollen an der deutsch-polnischen Binnengrenze reagiert? Für die Beantwortung der Fragen hatte das Bundesinnenministerium nach der Geschäftsordnung des Bundestages eine Woche Zeit. In dieser Frist wurden pflichtwidrig lediglich sechs Fragen durch die Bundesregierung beantwortet. 

Die spärlich eingetroffenen Antworten waren zudem nur unzureichend, so beispielsweise zur Frage, mit welchen Maßnahmen die Bundesregierung auf die Kritik der polnischen Regierung an den verschärften Grenzkontrollen reagiert. Das Bundesinnenministerium antwortete lediglich, dass es am 8. Mai auf Staatssekretärsebene alle betroffenen Botschafter sowie die EU-Kommission in einem persönlichen Gespräch informiert habe und vereinbart hätte weiterhin im Gespräch zu bleiben. Ob eine bloße Information die angekündigte Vereinbarung im Koalitionsvertrag „in Abstimmung mit den EU-Nachbarländern“ sein soll, ließ die Bundesregierung offen. 

Auch in der Befragung des Bundesinnenministers am 21. Mai 2025 wich Innenminister Dobrindt beständig aus und konnte keine rechtlichen Begründungen für den Bruch europäischen Rechts bei den Zurückweisungen von Schutzsuchenden an den Binnengrenzen geben. 

Wir bleiben hart am Ball und werden die parlamentarische Auseinandersetzung mit der großen Schaden verursachenden Grenzpolitik der schwarz-rot Koalition weiter vorantreiben.

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