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Was für eine starke Eisenbahn nötig ist

  • Bundesverkehrsminister Schnieder (CDU) hat seine Bahn-Agenda vorgelegt. Sie löst die Probleme nicht und sorgt für Verunsicherung bei der Finanzierung des Schienennetzes.
  • Wir Grüne im Bundestag wollen, dass die Bahn wieder verlässlich, pünktlich und bezahlbar wird. Dazu gehören flächendeckende Angebote, stabile Verbindungen und ein starker Service.
  • Um das zu erreichen, braucht es konkrete Gesetze und eine klare Finanzierung. Wir erwarten, dass die Regierung die Bahn-Agenda mit einem klaren Zielbild für den Schienenverkehr umsetzt und die überfälligen Konzepte wie den Bahnfonds und die Entflechtung der DB InfraGO endlich verbindlich anpackt.

Deutschland braucht wieder eine verlässliche und krisenfeste Eisenbahn. Die Bundespolitik ist deswegen gefordert: Das marode Bestandsnetz muss wieder fit gemacht werden, damit Züge pünktlich unterwegs sind und auf Fahrpläne Verlass ist. Gleichzeitig gilt es, in den nächsten Jahren das Schienennetz auszubauen und zu modernisieren. Die Bahn muss in der ganzen Fläche durch gute Angebote, stabile Verbindungen und starken Service überzeugen. Und nicht zuletzt müssen Zugtickets für alle Bürgerinnen und Bürger bezahlbar bleiben. Denn die Eisenbahn gehört zur Daseinsvorsorge, ist Eckpfeiler für ein funktionierendes Land. Nur mit mehr Bahn erreichen wir die Klimaschutzziele.

Bundesverkehrsminister Schnieder weckt nun mit der Auswechslung des Bahnchefs und seiner „Bahn-Agenda“ Erwartungen. Der Bund, so lautete sein Versprechen vorab, will sich künftig stärker um die Bahn kümmern. Die Erwartungen hat Schnieder jedoch jetzt schon jäh enttäuscht. Denn zahlreiche drängende Fragen bleiben weiter offen. Zumal auf der Rückseite des Hochglanzpapiers, auf dem seine Bahnstrategie gedruckt ist, die nüchternen Zahlen des Bundeshaushalts eine ganz andere Wahrheit sprechen.

Wie konnte die Eisenbahn so sehr in die Krise geraten?

Doch zunächst ein Blick zurück. Wie konnte es so weit kommen, dass in Deutschland Züge unpünktlich fahren, Bahnstrecken monatelang gesperrt und generalsaniert werden müssen, Technik veraltet ist und Bahnfahren oft zum ungewissen Abenteuer wird?

Bundesverkehrsministerium und Kanzleramt versagen seit Jahrzehnten darin, der Deutschen Bahn klare verkehrspolitische Ziele zu setzen und das bundeseigene Unternehmen adäquat zu steuern. Sie haben zugesehen, wie einerseits Managementabteilungen bei der DB immer größer, die Qualität des Netzes und wirtschaftliche Erfolge aber immer geringer wurden. 

An den Bedürfnissen der Kunden vorbei sollte die DB lange zum globalen Logistikplayer aufsteigend, während das Schienennetz zu Hause vernachlässigt und kaputtgespart wurde. Während das Straßennetz immer länger und der Autoverkehr immer dichter wurden, hat der Bund sein Schienennetz geschrumpft und – anders als die Autobahnen – einem hohen Renditedruck ausgesetzt.

Wichtigen Neubaustrecken fehlt seit Jahren eine verlässliche Finanzierung. Den Eisenbahnverkehr in Deutschland auszubauen, haben CDU/CSU und SPD keine Priorität gegeben. Zwar ist der Schienenverkehr insgesamt in den letzten Jahrzehnten gewachsen, sein Anteil am Gesamtverkehr liegt jedoch gerade einmal bei mageren 10 Prozent. Die Ziele der Bahnreform von 1994 wurden damit deutlich verfehlt.

Vor allem CDU und CSU haben in der Ära Merkel die „schwarze Null“ im Haushalt über alles gestellt. Trotz vieler Warnungen über die Folgen haben sie notwendige Mehrinvestitionen in die Verkehrsnetze verweigert und damit dem Volksvermögen Infrastruktur einem massiven Wertverlust ausgesetzt. Deutschland war mal einmal herausragend bei Straßen- und Schienennetz. Heute türmen sich die Unpünktlichkeitsminuten der Bahn und auch immer mehr Entschädigungsansprüche bei den Fahrgästen auf – sie gehen auf das Konto einer verfehlten Verkehrspolitik vor allem unter den Verkehrsministern Ramsauer, Dobrindt und Scheuer (alle CSU). 

Schwarz-Rot darf Modernisierung des Netzes nicht vertrödeln

Die erste eisenbahnpolitische Entscheidung der neuen schwarz-roten Bundesregierung betraf den Zeitplan für die Generalsanierung der Hochleistungskorridore. Von der Ampel-Regierung auf den Weg gebracht, wurde der Zeitplan neu sortiert und gestreckt – das Tempo also verlangsamt. Die schlechte Nachricht: Aus seiner Pünktlichkeit- und Kapazitätskrise kommt der Schienenverkehr nicht so schnell heraus. 

Noch schlimmer ist: An Geld fehlt es der Regierung nicht. Statt jedoch das neue Sondervermögen Infrastruktur und Klimaneutralität konsequent für eine Verbesserung der Schienenwege zu nutzen, sorgen Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) und Verkehrsminister Patrick Schnieder (CDU) für hohe Unsicherheiten. Die Mittel aus dem neuen Sondervermögen fließen zwar zu guten Teilen in die Verkehrsnetze – weil die Koalition aber gleichzeitig den regulären Verkehrshaushalt massiv zusammenkürzt, um teure Wahlversprechen zu finanzieren, entstehen kaum zusätzliche Investitionen. Die Mittel für die Schiene (und ebenso für die Sanierung der Straßen und Autobahnbrücken) bleiben weit hinter den Bedarfen zurück. 

Schnieder enttäuscht die immensen Erwartungen

Wolkige Statements sorgen nicht dafür, dass es der Deutschen Bahn bald wirklich besser geht. Einer nach dem anderen legt der nächste Bundesminister ein Papier vor, das Verbesserungen verspricht, das aber vor allem als Beruhigungspille wirken und Zeit gewinnen soll. Tatsächlich hat der Bahnkonzern selbst in den letzten Jahren regelmäßig solche Papiere präsentiert. Geändert hat sich nichts, die Leistungsbilanz wurde im Gegenteil immer schlechter.

Nicht der DB Konzern, sondern der Bund als Eigentümer des Konzerns ist deswegen am Zug. Doch Schnieder hat auf die zentralen Fragen keine Antworten: 

  • Wie will er das Geld für Neu- und Ausbau besorgen?
  • Warum ist das Moderne Schiene Gesetz nicht schon im längst im Parlament?
  • Wie sollen die Trassenpreise gesenkt werden?
  • Welche Aus- und Neubaustrecken werden vorangebracht?
  • Wo bleibt der im Koalitionsvertrag besprochene Bahnfonds?

Mit dem Personalaustausch an Spitze alleine ist nichts gewonnen. Viele Vorschläge, die Minister Schnieder als „Agenda“ präsentiert, standen schon im Lastenheft der Vorgängerregierungen. Jetzt muss es aber darum gehen, Infraplan, Bahnfonds, Entflechtung der DB InfraGO endlich verbindlich und konkret umzusetzen. Unerklärt bleibt, warum Schnieder viele Konzepte erst in 2027 und 2028 anpacken will, obwohl sie fertig in der Schublade liegen. 

Deutschlandtakt im ganzen Land

Mit dem Deutschlandtakt liegt längst der Plan vor, der im Schienenverkehr sichere Umsteigeverbindungen und optimale Anschlüsse schafft, flächendeckende Angebote im Regional- und Fernverkehr herstellt und mehr Güter auf die Schiene verlagert. Die erforderlichen Baumaßnahmen heben Überlastungen im Schienennetz auf, erweiterte Kapazitäten stabilisieren den Eisenbahnverkehr insgesamt. Auf der Basis des fahrplanbasierten Ausbaus des Schienennetzes kann der Bahnverkehr im Fern- wie im Regionalverkehr wachsen. 

„Was bringt mir der D-Takt im Alltag?“ 

Viele Menschen verbinden mit dem Deutschlandtakt ein reines Infrastrukturprogramm für schnelleren Fernverkehr auf der Schiene. Tatsächlich ist er viel mehr, als die Fahrzeitverkürzung zwischen großen Metropolen. Der Deutschlandtakt ermöglicht ein aufeinander optimal abgestimmtes Zusammenspiel von Fern-, Regional- und lokalem Nahverkehr. Alle Verkehrsarten laufen regelmäßig zu festen Zeiten in Knotenpunkten zusammen. Umstieg im Bahnhof und Weiterfahrt im Anschlusszug oder Bus erfolgen dann ohne großen Aufschub. Mit getakteten aufeinander abgestimmten Zug- und Busangeboten werden automatisch lange Reiseketten möglich, die in der Fläche beginnen und genau so enden können. Deswegen hat der Deutschlandtakt gerade für die einzelnen Regionen in Deutschland eine wichtige Bedeutung, denn Regionalhalte und Bahnhöfe vor Ort wertet er stark auf.

Wichtige Vorhaben für den Deutschlandtakt wie etwa die ICE-Strecke Frankfurt-Mannheim und die Neubaustrecken in Nord- und Westdeutschland dürfen nicht immer weiter hinausgezögert werden.

Was wir von Bundesminister Schnieder nun erwarten

Die Bahn muss wieder für sicheres und entspanntes Reisen stehen, „pünktlich wie die Eisenbahn“ wieder zum glaubwürdigen An- und Ausspruch werden. Als Grüne im Bundestag erwarten wir von der Regierungskoalition, dass sie gesetzlich beschlossene Projekte finanziell umsetzen, damit Deutschland wieder einen starken flächendeckenden Bahnverkehr erhält, auf den die Menschen setzen können.

Wir erwarten, dass Bundesminister Schnieder seine Strategie um ein klares Zielbild für den Schienenverkehr ergänzt und es nicht bei vagen Pünktlichkeitszielen belässt, die 2029 erreicht werden sollen. Das ist zu wenig. Die Bahn muss selbstverständlich pünktlich und zuverlässig sein. Vor allem aber muss sind in Deutschland ein flächendeckendes Angebot zu bezahlbaren Preisen garantieren. Wir erwarten, dass Bundesminister Schnieder seine Agenda in konkrete Gesetzesarbeit überführt, um so eine bessere Steuerung der Deutschen Bahn sicherzustellen.