Komplexe Spielzüge in bestem Klima
Das Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung, kurz PIK, liegt malerisch gelegen im Wald auf dem Telegrafenberg nur einen Steinwurf vom Potsdamer Hauptbahnhof entfernt auf dem Gelände des ehemaligen Kaiser-Wilhelm-Instituts. Dieser Vorläufer der heutigen Max-Planck-Gesellschaft war zu Beginn des 20. Jahrhunderts weltweit führend in der Theoretischen Physik. Dort wurden die wissenschaftlichen Grundlagen des physikalischen Weltbildes gelegt. Die Überlegenheit des KWI war so groß, dass Kaiser Wilhelm angeblich das Institut bat, einer neuen Universität in Harvard in den USA ein wenig Unterstützung anzubieten, um ihr auf die Sprünge zu helfen. Diese außergewöhnliche Stellung veranlasste Frank Schirrmacher in der FAZ 2007, das PIK mit dem KWI zu vergleichen und der Klimaforschung die Rolle einer weltweiten Leitwissenschaft, deren globales Zentrum wieder auf dem Telegrafenberg liegt, zuzuschreiben.
Doch damit nicht genug. John Schellnhuber, der legendäre Gründer des PIK, selbst ein in jungen Jahren begnadeter Fußballer, hat nicht nur die wissenschaftliche Grundlage des Grünen Markenkerns, einer nachhaltigen Klimapolitik, geliefert, sondern an diesem Montagabend auch noch die Herausforderer der Grünen Tulpe. Das PIK wurde im Poststadion vorstellig, und Ziel war es natürlich für beide Seiten unter 1:5 zu bleiben.
Entsprechend defensiv begann die Tulpe gegen den neuen Gegner. Der war aber offensichtlich von ihrem Gründervater Schellnhuber goldrichtig eingestellt. Schellnhuber war ursprünglich von der Erforschung komplexer Systeme zur Modellierung des Klimas und der Klimaforschung gekommen. In Fachkreisen wird die Komplexitätsforschung auch Chaosforschung genannt. Chaos im wissenschaftlichen Sinne ist aber nicht chaotisch im herkömmlichen Sinne, eher eben komplex, zyklisch und nicht-linear. Und so schlugen die Klimaforscher denn auch gerade zu, als die Tulpe besser ins Spiel fand, Konsti sich aus der Innverteidigung elegant löste und einen perfekten Pass mit dem Beckenbauer-Außenrist in den Lauf von Hans spielte, der allein vor dem Torwart vergab. Quasi im Gegenzug kombinierten sie sich durch die zu statische Tulpen-Defensive zum 1:0.
Man merke sich: je komplexer organische Systeme desto größere Fähigkeiten haben sie.
In der Folge spielte die Tulpe durchaus gefällig, aber auch nicht gerade überkomplex. Eine Grätsche von Schlitzohr Toffi ca. 40m vor dem PIK-Tor legte den Ball am weit herausgerückten Klima- und Tor-Hüter vorbei, der ihn seinerseits nur mit Mühe gegen den Pfosten lenken konnte. Aber auch unterkomplexer Fußball kommt zu Toren: durch Standards.
Eine Ecke fand den aufgerückten Finn, der problemlos zum 1:1 per Fuß halbhoch vollstreckte. Und damit ging es auch in die Halbzeit. Da stand es um das Torverhältnis noch besser als ums Klima.
Und das sollte sich schlagartig nach der Pause ändern: Anstoß Tulpe, unmotivierter Ballverlust im Mittelfeld, das war der Kipppunkt. Es folgt ein schöner Steckpass von der Strafraumgrenze, den der PIK-Mittelstürmer noch vor der Grundlinie erreicht und an Verteidiger, erstem Pfosten, Torwart ins lange Eck zum 2:1 spitzelte.
Coach Toffi hatte schon in der Pause vorausgesagt, dass den Klimaschützern – sonst nur Kleinfeld gewöhnt – ab der 70. Minute die Puste ausgehen würde. So blieb die Tulpe geduldig und kam eher ihrerseits mit einem Chaos-Ball hoch in die Mitte, einem gewonnenen Kopfball-Duell, das zur Vorlage für Matse Daun wurde, der den seinerseits chaotisch hin- und herirrenden Goalie per Kopf gegen die Laufrichtung über-lobbte. 2:2.
Aber das Chaos der Kipppunkte komplexer Systeme ging weiter. Der nächste unnötige Ballverlust im Mittelfeld, Moon versucht zu retten, spitzelt den Ball Richtung eigenes Tor und der Passgeber zum 2:1 kommt einen Schritt vor dem Tulpen-Verteidiger 30m vor dem Tor an den Ball. Aber es reicht nur noch zu einem Direktschuss und der senkt sich genau über Tulpe-Keeper Jochen ins Netz zum 3:2.
Doch nun folgte die angekündigte 70. Minute und die Kipppunkt-Momente von Kylian Monti Mbonté. Ein eigentlich ungefährlicher Ball vom Tor weg ans Eck vom Strafraum, ins Chaos der Verteidiger und Angreifer, aus dem Monti den Ball schießt? Hebt? Nicht richtig trifft? Was auch immer: die Bogenlampe senkt sich perfekt ins lange Toreck: 3:3
Und wer den Jubel von Tardelli aus dem WM-Finale 1982, den wohl schönsten Torjubel der Fußballgeschichte, kennt, kann sich auch ungefähr die Reaktion von Monti vorstellen.
Und schon rollt der nächste Angriff der Tulpen über links. Blitzsauber ausgespielt. Ein Pass in den Lauf bis in den PIK-Strafraum, eine Hereingabe zurück in den Rückraum ins Zentrum. Und da steht er: Kylian Mbonté. Sekundenbruchteile werden zu Ewigkeiten. Alles frei. Wie wird er den Ball nehmen? Wohin wird der Ball gehen? Er überlegt, analysiert die Abwehrreihe vor ihm, den Laufweg des Keepers, sucht sich die Ecke aus und vollendet vollendet links unten. 3:4
Und das Chaos geht weiter. Langer Ball, Laufduell. Eigentlich ist Toffi aus dem Alter raus. Aber wenn das alte Zirkuspferd die Musik hört, tanzt es. Er ist einen Tick vor dem herausstürzenden PIK-Keeper am Ball und spitzelt ihn an ihm vorbei, über ihn hinweg. Und mit scheinbar aller Zeit der Welt trudelt der Ball Richtung Tor, ließ genug Zeit, Wetten abzuschließen, ob der reingeht. Und er tut es. 3:5
Aber von Erschöpfung bei den Klimaforschern ist nichts zu sehen. Die tauchen noch zweimal allein vor Jochen auf, der aber einmal den Ball unter sich begräbt, einmal zur Seite abwehrt und schließlich noch einen Freistoß souverän entschärft. Und dann ist Schluss.
Spektakuläre Tore, herausgespielte Tore, immer ein gutes Klima. Das ist Fußball at its best. Und das PIK ist unter 1:5 geblieben, und die Tulpe hat sogar gewonnen. Da sind doch alle Ziele erreicht.