Rede von Dr. Anton Hofreiter 20 Jahre EU-Osterweiterung

Foto von Dr. Anton Hofreiter MdB
25.04.2024

Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der 1. Mai vor 20 Jahren war ein historisches Datum für die Europäische Union. Es ist bereits erwähnt worden: Die Europäische Union – nicht Europa – ist um zehn Länder erweitert worden, und relativ bald darauf sind drei weitere Länder gefolgt: Bulgarien, Rumänien und als letztes Beitrittsland Kroatien. All diese Länder waren und sind immer Teil Europas, aber sie sind auch der Europäischen Union beigetreten.

Gestern hatten wir eine sehr gute Veranstaltung im Europaausschuss. Von den 13 beigetretenen Ländern waren die Vorsitzenden oder stellvertretenden Vorsitzenden von immerhin 11 Ländern dabei. Diese Veranstaltung hat noch mal deutlich gemacht, wie wichtig es auch für Deutschland ist, dass wir mit all diesen Ländern intensiv im Dialog sind und genau zuhören, was sie uns zu sagen haben. Sie kennen nämlich manche Regionen besser, sie verstehen manche Dinge besser, und es wäre dringend notwendig, dass wir die Erfahrungen der letzten Jahre ernst nehmen. Gerade die Länder – es ist schon angesprochen worden – aus dem Baltikum haben uns schon vor vielen Jahren gewarnt: Was ist mit Nord Stream 2? Was ist mit dem imperialistischen, wieder aggressiv werdenden Russland? Und wir haben den Ländern gesagt: Schaut mal, wir sind Deutschland. Wir sind so groß. Wir haben so viele Erfahrungen. Wir haben die ganzen Probleme im Griff. Ihr habt ein Sowjetunion-Trauma. Wir wissen es besser. – Und jetzt, spätestens seit dem 24. Februar 2022 kann man klar erkennen, wer es besser wusste: Die baltischen Staaten wussten es besser; Polen wusste es besser.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Ich glaube, das ist für uns eine Lehre, nämlich – das ist auch gestern wieder deutlich geworden –: Wir wissen oft gar nicht so viel, was in unseren europäischen Nachbarländern diskutiert wird. Aber die wissen sehr, sehr genau, was bei uns diskutiert wird. Die achten sehr genau darauf, was wir besprechen. Und deswegen muss uns bewusst sein, dass wir für ganz viele Nachbarländer ein zentraler Ansprechpartner sind. Und es muss uns bewusst sein, dass sehr genau darauf geachtet wird, was wir hier diskutieren. Gleichzeitig müssen wir als inzwischen mächtigstes Land innerhalb der Europäischen Union lernen, was in den Nachbarländern diskutiert wird. Die sind oft näher dran, haben sehr diverse Erfahrungen, und das muss in unserer Politik berücksichtigt werden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Ich glaube, es könnte eine der ganz großen Stärken der Europäischen Union sein, wenn wir die unterschiedlichen Erfahrungen unserer Nachbarländer in unsere Politik, auch hier im Bundestag, einfließen lassen. Deswegen bin ich auch ein sehr großer Befürworter davon, dass nicht nur die Regierungen enger zusammenarbeiten, sondern auch die Parlamente.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Wir brauchen deutlich mehr Parlamentsdiplomatie, um zu verstehen, was in den vielen Parlamenten unserer Nachbarn diskutiert wird.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)

Und: Wir müssen dafür sorgen, dass wir sowohl aufnahmefähig als auch aufnahmewillig sind. Denn es ist nicht nur im Interesse der Ukraine, der Westbalkanstaaten, Georgiens und am Ende auch Armeniens und der Republik Moldau, dass sie Mitglied der Europäischen Union werden, sondern es ist auch in unserem eigenen sicherheitspolitischen Interesse.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

Präsidentin Bärbel Bas:

Als Nächster hat das Wort für die AfD-Fraktion Norbert Kleinwächter.

[Beifall bei der AfD)