Rede von Sascha Müller Aktuelle Stunde „Klimastiftung Mecklenburg-Vorpommern“

Sascha Müller MdB
01.03.2023

Sascha Müller (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Stiftung Klima- und Umweltschutz MV – schon der Name ist maximales Greenwashing; denn der mutmaßliche Hauptzweck der Stiftung war es nicht, besonders viel für den Klima- und Umweltschutz zu tun. Nach vielen wohlklingenden Spiegelstrichen hinsichtlich des Stiftungszweckes heißt es im Antrag der damaligen Landesregierung Mecklenburg-Vorpommern an den Landtag im Januar 2021 am Schluss sehr unverblümt, Stiftungszweck sei es eben auch, einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb innerhalb der Stiftung zu gründen mit dem Zweck, so wörtlich, „einen Beitrag zum Fortgang der Arbeiten an der Pipeline Nord Stream 2 zu leisten“. Das Stiftungskapital in Höhe von 20 Millionen Euro sollte dann auch vom russischen Energiekonzern Gazprom stammen.

Stellen wir uns einmal vor, ein politischer Beobachter wäre Ende 2020 bedauerlicherweise in ein Koma gefallen und erst heute wieder aufgewacht und würde mit dem Betrachten der heutigen weltpolitischen Realität die Geschichte dieser Stiftungsgründung, wie ich sie gerade in aller Kürze wiedergegeben habe, nachlesen. Wer könnte es diesem politischen Beobachter verdenken, wenn er dazu einfach rhetorisch fragen würde: Wie konnte dieser Wahnsinn tatsächlich politisch umgesetzt werden?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Nun, bekanntlich wurde er politisch genau so umgesetzt. Und stand die Landesregierung damit ganz alleine da? Nein; denn der Bau von Nord Stream 2 war auch ganz im Sinne der damaligen Regierung unter Kanzlerin Angela Merkel. Dabei hatte es an Warnungen aus dem Ausland wie aus dem Inland nicht gefehlt. Ich erinnere mich noch ganz genau, dass es die damalige Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock war, die immer und immer wieder auf die geopolitischen Risiken dieses Projektes hingewiesen hatte.

(Timon Gremmels [SPD]: Stimmt!)

Am Ende ist das wieder einer dieser Punkte, wo wir uns als Grüne wünschten, wir hätten nicht recht gehabt; aber leider ist es eben anders.

Zumindest ist festzuhalten, dass Ministerpräsidentin Manuela Schwesig nach dem Beginn des Krieges in der Ukraine ihren Fehler, wenn auch sehr spät, korrigieren und die Stiftung auflösen will. Gleichwohl bleiben weiter Fragen offen.

Eine dieser Fragen betrifft den Umgang mit der Erhebung von Schenkungsteuer auf das von Gazprom an die Stiftung überwiesene Kapital in Höhe von 20 Millionen Euro. Wenn am Ende Schenkungsteuer auf die kompletten 20 Millionen Euro berechnet werden sollte, dann würde das ja bedeuten, dass dieses Kapital in Gänze niemals dazu gedacht war, dem Klima- und Umweltschutz zu dienen und damit gemeinnützig zu sein. Wie also kam das Finanzamt Ribnitz-Damgarten zu dieser Einschätzung und damit zu einer offensichtlichen Kehrtwende? Hat es politischen Druck gegeben? Hat es umgekehrt zuvor einen politischen Einfluss gegeben, diese Festsetzung angesichts des eingesetzten Untersuchungsausschusses zu verzögern? Ich nehme die verschiedenen Angaben der Beteiligten dazu, auch hinsichtlich des Steuergeheimnisses, gestern und heute mit Erstaunen zur Kenntnis.

Und: Ist das Verbrennen einer Steuererklärung der Stiftung in einem privaten Kamin durch eine Finanzbeamtin tatsächlich nur eine skurrile Nebennotiz, weil ja Kopien der Unterlagen vorlagen? Selbst wenn das so wäre – das mag ja so sein –, passt das doch ganz gut ins Bild des Projekts einer Klima- und Umweltstiftung mit dem Geld eines russischen Gaslieferanten, das ebenso wie das Projekt der Pipeline Nord Stream 2 nie hätte begonnen werden dürfen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich bin froh, dass meine Kolleginnen und Kollegen der Grünenfraktion in Mecklenburg-Vorpommern hier nicht lockerlassen und sich für umfassende Aufklärung einsetzen. Und den Vorschlag, mit den Restmitteln der Stiftung die Opfer von Putins Angriffskrieg zu unterstützen, finde ich doch sehr bedenkenswert.

Eines kann ich Ihnen aber leider nicht ersparen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union, nämlich das Benennen einer gewaltigen politischen Verantwortung auch auf Ihrer Seite.

(Friedrich Merz [CDU/CSU]: „16 Jahre“ kommt jetzt! „Nicht vergessen! Immer an die 16 Jahre denken!“ – Gegenruf der Abg. Claudia Müller [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sprechen Sie mal mit Herrn Pfeiffer zu dem Thema!)

Es war die von Ihnen geführte Bundesregierung, die den Bau von Nord Stream 2 trotz aller Warnungen weiter vorangetrieben hat. Und es war eben auch eine CDU-Landesministerin, die die Errichtung dieser Stiftung innerhalb von 24 Stunden genehmigt hat.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Timon Gremmels [SPD]: Ja! So ist es!)

Innerhalb von 24 Stunden: Wow, die neue Deutschlandgeschwindigkeit!

Aber Scherz beiseite. Auch wenn wir uns als Koalition wirklich bemühen, Genehmigungsverfahren deutlich zu beschleunigen – manchmal geht Gründlichkeit, also Lieber-noch-mal-Hinschauen und Noch-mal-drüber-Nachdenken, eben doch vor Geschwindigkeit. Das wäre in diesem Fall wirklich wünschenswert gewesen.

(Mario Czaja [CDU/CSU]: Die 16 Jahre fehlen noch!)

Ich hoffe, alle Beteiligten haben daraus gelernt. Es darf keine Abhängigkeiten von fossilen Energieträgern mehr geben, erst recht nicht einseitig von solchen aus autokratischen Staaten. Wir haben dafür teuer bezahlt. Nur durch die großen Anstrengungen dieser Bundesregierung, insbesondere von Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck und den Menschen in seinem Ministerium, sind wir noch mal davongekommen. Das Fazit kann also nur lauten: Kein Greenwashing mehr, keine Abhängigkeit von Autokraten mehr, und die Zukunft ist erneuerbar.

Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Vizepräsidentin Petra Pau:

Das Wort hat Dr. Dietmar Bartsch für die Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)