Rede von Erhard Grundl Aktuelle Stunde „Meinungsfreiheit“

Foto von Erhard Grundl MdB
23.02.2024

Erhard Grundl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Schon der Titel der vom Martin-Sellner-Fanklub beantragten heutigen Aktuellen Stunde ist so durchgeknallt, dass man Humor dahinter vermuten könnte, wenn man nicht wüsste, von wem er stammt. „Kritik ist kein Rechtsextremismus“, so hat es mal geheißen. Wie wahr! Aber Kritik an Rechtsextremisten ist auch keine Einschränkung der Meinungsfreiheit.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Im Gegenteil: Kritik an Rechtsextremisten ist dringend geboten!

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD und des Abg. Philipp Hartewig [FDP])

Ja, Meinungsfreiheit, die „Songs of Freedom“, die Bob Marley gesungen hat: Wohlgemerkt, wir sitzen hier nicht im Bierzelt bei der zweiten Maß, wir sind im Deutschen Bundestag. Die Debatte wird live im Parlamentsfernsehen übertragen und bleibt dort archiviert. Außerdem wird sie im schriftlichen Protokoll festgehalten und ist später für jede und jeden nachzulesen.

Mehr Öffentlichkeit, mehr Meinungsfreiheit, mehr Transparenz geht eigentlich nicht. Für Wladimir Putin, mit dem Ihr Bernd Höcke so gern zusammen „unschlagbar“ sein möchte, wäre das, was wir hier und jetzt als parlamentarische Realität leben, ein Ding der Unmöglichkeit, etwas, was Höcke und Putin mit allen Mitteln unterdrücken würden.

(Maja Wallstein [SPD]: Ja!)

Aktueller Anlass für Ihre verlogene Jammerarie ist die Ankündigung der Bundesinnenministerin, Rechtsextremismus entschlossen bekämpfen zu wollen und die Instrumente der wehrhaften Demokratie zu nutzen. Das gefällt Ihnen nicht. Angeblich dürfen Sie die Bundesregierung nicht kritisieren. Wer es trotzdem tut, gilt nach Ihren Aussagen als „rechtsextrem“, so die Unterstellung. Was für ein großer Schmarrn! Das zeigt doch jede einzelne Debatte, die hier geführt wird. CDU und CSU kritisieren die Bundesregierung hart, sehr hart.

(Lachen des Abg. Kay-Uwe Ziegler [AfD])

Aber sind sie deshalb rechtsextrem? Nein, natürlich nicht. Die Grenze zwischen Opposition und Rechtsextremen verläuft hier im Haus entlang des Ganges zwischen CDU/CSU und AfD.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP und des Abg. Alexander Hoffmann [CDU/CSU])

Hass und Hetze sind Ihr Geschäftsmodell. Darauf machen wir alle sehr gerne aufmerksam, und aus der Nummer kommen Sie auch nicht mehr raus.

(Martin Reichardt [AfD]: Werden wir noch sehen!)

„Cicero“-Chef Marguier weiß dazu noch zu sagen, dass das, was Menschen privat denken, den Staat nichts anginge. Ich stimme ihm zu; das sehe ich genauso.

(Martin Reichardt [AfD]: Jetzt kommt aber das Aber!)

Was Sie zu Hause Ihrer Cannabispflanze erzählen, ist Ihre Sache. Auch was Abgeordnete hier im Bundestag sagen, unterliegt erst einmal der Meinungsfreiheit, selbst wenn es unerträglich ist, selbst wenn es Lügen sind,

(Martin Reichardt [AfD]: Wie Ihre!)

gespickt mit zurechtgebogenen Halbwahrheiten und von besserem Wissen ungetrübt.

Tatsache ist: Unsere Verfassung garantiert Demokratie und Meinungsfreiheit. In einem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zum § 130 StGB heißt es:

„Das Grundgesetz gewährt Meinungsfreiheit im Vertrauen auf die Kraft der freien öffentlichen Auseinandersetzung vielmehr grundsätzlich auch den Feinden der Freiheit.“

(Zuruf von der AfD: Darum auch Ihnen!)

Und ja, damit sind Sie gemeint.

Meinungsfreiheit gilt also selbst für eine Partei, von der mehrere Landesverbände vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestuft werden und von der gleich noch ein paar mehr als Verdachtsfall gelten; eine Partei, die den Schulterschluss mit den Vorturnern des internationalen Antisemitismus sucht und diese Leute in den Deutschen Bundestag einlädt; eine Partei, die sich erdreistet, über den Wert von Menschen entscheiden zu wollen.

(Dr. Götz Frömming [AfD]: Den Antisemitismus, den zelebrieren Sie doch auf der documenta oder in den Unis oder auf den Straßen!)

Sie hatten Ihre braunen Finger mit im Spiel, als vor Kurzem in einer Potsdamer Villa Pläne geschmiedet wurden, um weite Teile der deutschen Bevölkerung als „fremd“ auszusortieren: Menschen, die hier zu Hause sind, Menschen, die den Laden am Laufen halten. Das lassen Ihnen die Millionen von Leuten, die gegen Ihr Geschäftsmodell von Hass und Hetze auf die Straße gehen, nicht durchgehen.

Meinungsfreiheit ist kein Freifahrtschein dafür, dass Menschen hier in unserem Land diskriminiert werden dürfen. Hass und Hetze lassen den Funken von rechten Reden ins menschenverachtende Handeln überspringen. Und das passiert immer wieder: Oktoberfestattentat, Hoyerswerda, Hanau, der NSU, Halle. Rechte Gewalt hat hier lange Tradition. Dagegen zieht die Bundesinnenministerin eine rote Linie. Sie nutzt die Instrumente, die eine wehrhafte, wachsame Demokratie zum Selbstschutz und zum Schutz aller Bürgerinnen und Bürger zur Verfügung hat. Das ist richtig!

Klar ist auch: Wir alle als Gesellschaft sind gefragt, den öffentlichen, gemeinsamen Raum zu gestalten. Wir müssen uns die Demokratie nicht zurückholen, wir müssen sie verteidigen. Dafür und für eine weltoffene, plurale Gesellschaft, für alles, was Deutschland stark und groß gemacht hat, demonstrieren seit Wochen Bürgerinnen und Bürger zu Tausenden auf den Straßen und Plätzen unseres Landes. Das ist gelebte Meinungsfreiheit. Dafür bin ich allen, die es tun, sehr dankbar.

Ich danke Ihnen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Vizepräsidentin Yvonne Magwas:

Philipp Hartewig für die FDP-Fraktion ist der nächste Redner.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)