Rede von Sylvia Kotting-Uhl Atomgesetz

08.06.2018

Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Umweltministerin Schulze bezeichnete das Urteil im Umweltausschuss ein unerfreuliches Urteil. Ich musste ihr da ein bisschen widersprechen; denn angesichts der Dimension der Klagen der Konzerne war das Urteil am Ende tatsächlich erfreulich. Woran es lag, dass die Klagen überhaupt möglich waren, ist hier schon ein paarmal erwähnt worden: schwarz-gelbe Bundesregierung 2010/2011.

Die Optionen, die das Bundesverfassungsgericht in den Raum gestellt hat, hat Frau Skudelny benannt. Das Bundesumweltministerium hat sich für die Option drei entschieden und gesagt: Unsere Leitlinie ist ein möglichst schneller Atomausstieg. Das heißt: keine Strommengenübertragung, sondern finanzielle Entschädigung. Das haben wir Grüne für völlig richtig gehalten.

Der Gesetzentwurf sagt nun allerdings: Strommengen werden entschädigt, wenn sie „trotz ernsthaften Bemühens nicht auf ein anderes Kraftwerk übertragen werden konnten“. – Angesichts dieses Textes, Frau Staatssekretärin Schwarzelühr-Sutter, müssen Sie mir die Leitlinie „möglichst schneller Atomausstieg“ vielleicht noch einmal erklären.

Zusätzlich steht der geplante Geschäftsfeldtausch von EON und RWE an. Kurz gesagt: EON bekommt die Netze von RWE; RWE bekommt Kohle- und Atomkraftwerke von EON. EON ist das Unternehmen mit der Strommengenlücke. RWE ist das Unternehmen mit dem gigantischen Strommengenüberschuss. Ohne Brennelementesteuer lohnt sich der Betrieb von Atomkraftwerken durchaus wieder. Das heißt, RWE wird sich vermutlich dafür entscheiden, auf Entschädigungen zu verzichten, und die Strommengen vollständig auf die von EON an RWE übergegangenen Kraftwerke übertragen. Diese Kraftwerke werden dann vermutlich bis zum letzten möglichen Tag am Netz sein. Das heißt, es braucht die Wiedereinführung der Brennelementesteuer, um genau das zu verhindern.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Ihre Sorge, Frau Staatssekretärin Schwarzelühr-­Sutter, dass das Bundesumweltministerium überlastet sein könnte, wenn es sich auch noch um die Brennelementesteuer kümmern müsste, kann man Ihnen nehmen; denn für die Brennelementesteuer ist ja nicht das Ministerium, in dem Sie Staatssekretärin sind, zuständig, sondern das Finanzministerium. Es braucht also einen Appell an den Partei- und Kabinettskollegen Olaf Scholz und einen Anstoß, damit das im Kabinett mehrheitsfähig wird.

Die Brennelementesteuer hilft auch dem Netzausbaugebiet. Der Atomstrom von Brokdorf und Emsland verstopft die Netze. Wir finden, dass die 16. AtG-Novelle – der Bundesrat hat ja eine entsprechende Forderung beschlossen – genau der richtige Ort wäre, um das zu regeln. Auch der Ministerpräsident von Schleswig-Holstein möchte das durchaus. Von der Union kommt ja immer ein bisschen Widerstand. Heute habe ich von Ihnen nichts Derartiges gehört, Herr Möring, sondern vielmehr Offenheit für die Idee, die Strommengenübertragung zu beenden. Machen Sie das. Das ist sinnvoll in Sachen Energiewende und auch in Sachen schnellstmöglicher Atomausstieg.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Sorge, die ich immer wieder aus Kreisen der Bundesregierung höre, man könnte den Atomkonzernen oder den Energiekonzernen das Leben vielleicht doch ein bisschen zu schwer machen, ist, glaube ich, inzwischen doch ziemlich übertrieben. Wenn wir uns zum Beispiel die Trittbrettfahrerei von EON anschauen – EON spekuliert darauf, im Zuge der Klage von Vattenfall in Washington vor ICSID selbst rund 2 Milliarden Euro zu erhalten; insgesamt werden ja 5,7 Milliarden Euro gefordert –, dann zeigt uns das ziemlich deutlich, dass angesichts der Klage gegen die Brennelementesteuer, die den Konzernen 7,3 Milliarden Euro einbringt, Nachsicht hier nicht angebracht ist. Übrigens: Obwohl der Bundestag im Rahmen des KFK-Gesetzes gefordert hatte, dass die Konzerne alle atomrelevanten Klagen zurückziehen, ist das nicht passiert. Wir sind eventuell mit ziemlich massiven Zahlungen konfrontiert, falls die Klage in Washington doch Erfolg hat.

Ich würde sagen, das alles lässt nur den Schluss zu: Der Kampf der Konzerne gegen die Politik des Bundes ist noch lange nicht zu Ende. Passen Sie von der Koalition und von der Bundesregierung auf, dass Sie in diesem Kampf auf der richtigen Seite stehen. Beenden Sie die Strommengenübertragung auf Brokdorf und Emsland in der 16. AtG-Novelle. Führen Sie die Brennelementesteuer wieder ein. Dann kann das was werden.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)