Lamya Kaddor
15.03.2024

Lamya Kaddor (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Abgeordnete! Sehr geehrte Zuhörerinnen und Zuhörer! Die AfD kommt einmal mehr mit ihrem Lieblingsthema daher: der Ablenkung vom Rechtsextremismus, erst recht von dem in den eigenen Reihen. Das liegt natürlich in der Natur der Sache, könnte man denken und einen Haken daran machen, und dann wäre es gut oder auch nicht. Genau das ist aber ein weiteres Problem. Die AfD sorgt dafür, dass man der Ernsthaftigkeit linksextremistischer Bedrohungen nicht mit voller Konzentration gerecht werden kann. Man muss stets erst Ihre Absichten offenlegen und Ihre Erzählungen dekonstruieren, bevor man zur eigentlichen Sache kommt.

Nun denn: Reden wir erst einmal über die Gefahr linksextremistischer Gewalt. Da die Grenzen des Linksextremismus von Ihnen und anderen ja gerne einmal verwischt werden, um möglichst viel darunter fassen zu können, lassen Sie uns Linksextremismus erst einmal erklären. Der Verfassungsschutz definiert Linksextremismus – ich zitiere wörtlich – als

„Sammelbegriff für alle gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichteten Bestrebungen, die auf einer Verabsolutierung der Werte von Freiheit und (sozialer) Gleichheit beruhen, wie sie sich insbesondere in den Ideen von Anarchismus und Kommunismus ausdrücken.“

Zitat Ende.

Linksextremisten wollen nach einer Publikation der Bundeszentrale für politische Bildung – ich zitiere –

„die demokratische Grundordnung mit Gewalt zerstören und eine sozialistische Ordnung einführen.“

Ich zitiere weiter:

„Ein Ziel ist, dass völlige soziale Gleichheit in der Gesellschaft herrscht. Pluralismus, Rechtsstaatlichkeit und die Achtung der Menschenrechte, die für eine Demokratie entscheidend sind, lehnen Linksextremisten ab. Was der Durchsetzung von Gleichheit im Wege steht, muss … abgeschafft werden.“

Zitat Ende.

Fest steht: Wer Gewalt nutzt oder verherrlicht, nur um seine Interessen durchzusetzen, sei es mit tätlichen Angriffen gegenüber politisch Andersdenkenden oder mit Attacken auf Polizistinnen und Polizisten oder durch das Sabotieren der Stromversorgung bei Tesla oder Ähnlichem, kann in einem freiheitlichen Rechtsstaat nicht auf der richtigen Seite stehen, meine Damen und Herren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Solche Personen müssen mit der vollen Härte des Gesetzes rechnen. Und genau das passiert nun auch in Grünheide, meine Damen und Herren. Der Rechtsstaat ist nämlich auf dem linken Auge genauso wenig blind wie auf dem rechten Auge. Das zeigen die Festnahme von Daniela Klette und die nun laufenden Ermittlungen gegen die beiden RAF-Mitglieder der dritten Generation.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, zwischen den verschiedenen Formen des Extremismus – also Rechtsextremismus, Islamismus und Linksextremismus – bestehen Wechselwirkungen, teilweise bedingen sie einander wie in einem Kreislauf. Islamismus befördert Rechtsextremismus, Rechtsextremismus befördert Linksextremismus, Linksextremismus befördert Rechtsextremismus, und Rechtsextremismus befördert Islamismus. Deshalb bleiben unsere Sicherheitsbehörden wachsam, und zwar in alle Richtungen.

(Beifall der Abg. Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Wichtig für uns ist jetzt, der wachsenden Radikalisierung auch politisch entgegenzutreten und ihr den Nährboden zu entziehen. Die schnelle Verabschiedung des Demokratiefördergesetzes ist notwendiger denn je.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, der Staat ist handlungsfähig, auch gegen linksextremistische Gewalt. Eine linksextremistische Unterwanderung von Behörden und zivilgesellschaftlichen Organisationen ist ein Hirngespinst.

Apropos „Unterwanderung durch Extremisten“: Jetzt wären wir dann doch bei Ihnen, da war ja was. Die AfD beschäftigt – nach Recherchen des BR, wir hörten es gerade – in ihrer Fraktion und ihren Abgeordnetenbüros über hundert Rechtsextreme. Dass Sie hier kaltschnäuzig einen Antrag zur Unterwanderung von Linksextremisten stellen, ist kaum zu unterbieten.

(Dr. Christian Wirth [AfD]: Sie sind zu gutgläubig!)

– Ja, wahrscheinlich bin ich zu gutgläubig, weil es wahrscheinlich noch mehr als hundert Rechtsextreme bei Ihnen sind.

(Dorothee Martin [SPD]: Genau!)

Es gehen tagtäglich – tagtäglich! – über hundert Verfassungsfeinde – oder mehr, wie Sie sagen – in diesem Haus ein und aus. Sie haben Zugang zu parlamentarischen Dokumenten, darunter Verschlusssachen und Abläufe, und werden aus Steuergeldern bezahlt, von denen Ihnen zu diesem Zweck 30 Millionen Euro zur Verfügung stehen. Darunter sind Personen, die namentlich in Verfassungsschutzberichten erwähnt sind

(Zuruf von der AfD)

– ich weiß, es tut weh – oder Führungspositionen in beobachteten Organisationen bekleiden. Sie nahmen an Neonazi-Aufmärschen teil, stehen im Zusammenhang mit der Reichsbürgerbewegung oder gründeten lokale Pegida- oder Querdenkerableger.

(Dr. Götz Frömming [AfD]: Uijuijui!)

Da ist beispielsweise John Hoewer, Mitglied im Vorstand des Vereins „Ein Prozent“, der als gesichert rechtsextrem eingestuft ist. Er ist Mitarbeiter Ihres Kollegen Sebastian Münzenmaier.

(Zuruf des Abg. Manuel Höferlin [FDP])

Oder Sie stellen Personen an, die Ihnen eigentlich zu radikal waren. Den Abgeordneten Frank Pasemann warfen Sie aus Ihrer Fraktion. Nun ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Jürgen Pohl. Das Gleiche gilt für den aus der AfD unter Druck ausgetretenen Marvin Neumann, der nun für Hannes Gnauck arbeitet.

(Dr. Anja Reinalter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ach, was!)

Die Liste lässt sich weiterführen: Mario Müller, mehrfach rechtskräftig verurteilt, gilt als einer der führenden Köpfe der Identitären und war beim sogenannten Geheimtreffen von Potsdam dabei. Er arbeitet bei Jan Wenzel Schmidt.

(Dr. Anja Reinalter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Echt? – Zuruf des Abg. Dr. Götz Frömming [AfD])

Marie-Thérèse Kaiser, Mitarbeiterin bei Bernd Baumann, ist Mitglied der Identitären Bewegung und – wen wundert’s? – Content-Kreatorin bei „Ein Prozent“ und arbeitet nebenbei für den bildungspolitischen Sprecher der AfD-Fraktion im Sächsischen Landtag, Rolf Weigand usw. usw. usw.

Die größte Gefahr für unsere freiheitlich-demokratische und rechtsstaatliche Grundordnung kommt derzeit eindeutig von rechts.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Das belegen die Zahlen, das belegt die Qualität der Taten und auch die Worte der AfD; das hören wir ja hier auch andauernd.

(Zuruf des Abg. Dr. Götz Frömming [AfD])

Wenn Sie die Unterwanderung von Verfassungsorganen durch Extremisten unterbinden wollen, dann sollten Sie sich von diesen über hundert Personen einfach trennen, und das machen Sie ganz offensichtlich nicht.

Diese rechtsextremistische Gewalt werden wir weiter politisch und gesellschaftlich bekämpfen. Diese Radikalität werden wir weiter hier transparent machen.

Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

Vizepräsidentin Yvonne Magwas:

Für die FDP-Fraktion hat das Wort Philipp Hartewig.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)