Rede von Katja Keul Polygamie und Kinderehen in Deutschland

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28.01.2021

Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Da sind sie wieder, die Rechtspopulisten,

(Zurufe von der AfD: Ah!)

die sich angeblich um frauenpolitische Belange kümmern – in Wirklichkeit nutzen sie das Elend verstümmelter Frauen und verheirateter Kinder für ihre Propaganda, und das ist schlicht widerwärtig.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der FDP)

Kinderehen sind ein weltweites Problem, das uns nicht erst dann stört, wenn die Menschen bei uns einwandern. Und es gibt sie leider nicht nur im Süden und im Osten, sondern auch im Westen: Ausgerechnet in den USA wurden innerhalb von zehn Jahren mehr als 200 000 Minderjährige verheiratet, Tausende davon zwischen 12 und 15 Jahre alt. Viele davon stammen aus konservativ-christlichen Kreisen. Ich wünsche von hier aus den Frauen der Organisation „Unchained At Last“ viel Erfolg im Kampf um die Rechtsänderungen im Eherecht der Vereinigten Staaten.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)

Wenn Sie hier in Deutschland was für die Frauen tun wollen: Unterstützen und fördern Sie Beratungsstellen für Migrantinnen! Aber was fordert die AfD in ihren skurrilen Anträgen? Meldepflichten und statistische Erfassungen! Damit waren die Rechten ja schon immer besonders gut.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Sönke Rix [SPD])

Da sollen also Ärzte Frauen mit verstümmelten Genitalien melden – tolle Idee; dann trauen sich diese Frauen nicht mal mehr zum Arzt und werden noch weiter isoliert.

Auch die Migrantinnen, die als Kinder im Ausland geheiratet haben, brauchen keine Erfassung in Strafverfolgungsstatistiken. Wenn wir ihr Selbstbestimmungsrecht ernst nehmen wollen, müssen wir sie anhören und sie über ihr weiteres Leben entscheiden lassen.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Sie damit alleinzulassen, dass ihre Ehe seit 2017 in Deutschland nichtig ist und auch immer bleiben wird, egal wie lange sie diese Ehe leben und wie viele Kinder sie haben, wird dem nicht gerecht. Der BGH hat die Rechtsänderung von 2017, die wir hier schon damals kritisiert haben, dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt.

Sie sehen, wir ringen hier schon seit Jahren in differenzierter Weise um den besten Weg. Da brauchen wir die AfD nicht. Die Zahl der verheirateten minderjährigen Migranten kann man übrigens ohnehin im Ausländerzentralregister abfragen.

Bei der Polygamie wollen Sie künftig die Auslandsehen aufheben, die unterhaltsrechtlichen Ansprüche der Frau dabei aber erhalten. Hut ab! Das ist für Ihre Verhältnisse schon weit mitgedacht. Nur eines haben Sie vergessen: den aufenthaltsrechtlichen Status. Den müssen wir den Frauen ja wohl auch erhalten; denn wenn wir sie abschieben, können sie ihre Unterhaltsansprüche wohl kaum erfolgreich durchsetzen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Kurz gesagt: Sparen Sie sich Ihre scheinheiligen Bemühungen – sie sind einfach zu leicht zu durchschauen.

Wir müssen die Frauen unterstützen, die sich in ihren Ländern gegen Polygamie, Kinderehen und Genitalverstümmelung einsetzen,

(Zuruf des Abg. Detlev Spangenberg [AfD])

und wir müssen diejenigen, die zu uns kommen, sorgfältig anhören und beraten, damit sie endlich selbstbestimmt leben können.

Was diese Frauen definitiv nicht brauchen, ist die AfD und deren Meldepflichten.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der LINKEN)

Vizepräsidentin Claudia Roth:

Vielen Dank, Katja Keul. – Der nächste Redner: für die CDU/CSU-Fraktion Michael Kuffer.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)