Rede von Dr. Anton Hofreiter Regierungserklärung zum Europäischen Rat durch Bundeskanzler Scholz

Foto von Dr. Anton Hofreiter MdB
22.06.2023

Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn man sich die beiden Reden aus der Unionsfraktion gerade angehört hat, dann kann man als Abgeordneter, der durchaus manchmal die eine oder andere kritische Anmerkung zur aktuellen eigenen Bundesregierung hat, nur sagen: Mensch, im Vergleich dazu ist diese Bundesregierung ja sogar wirklich super!

(Heiterkeit bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Da klatscht niemand! – Dorothee Bär [CDU/CSU]: Oh! Das ist jetzt ganz schiefgelaufen! – Friedrich Merz [CDU/CSU]: Uijuijui!)

Wissen Sie, Herr Merz, was Sie in Ihrer Rede zur Sicherheitsstrategie und zu China gesagt haben, lässt sich so zusammenfassen: Die Hauptkritik an dieser Bundesregierung ist, dass sie noch nicht in allen Punkten und überall die schweren Fehler und Versäumnisse von 16 Jahren unionsgeführter Bundesregierung aufgearbeitet hat. Finden Sie das nicht selber ein bisschen dünn?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP – Thorsten Frei [CDU/CSU]: Fällt Ihnen nichts Besseres ein, oder was? Ist das nicht billig? Das sagt doch alles über diese Regierung!)

Ich meine, Sie hätten ja wirklich auch eine Aufgabe. Gerade im europapolitischen Bereich hätten Sie als Union eine Aufgabe. Schauen wir mal auf die europäische Ebene: Was treibt Herr Weber denn da? Ich meine, Ihnen allen mag das nicht bewusst sein, was er da so treibt; aber er ist immerhin der Fraktionsvorsitzende der Konservativen im Europaparlament.

(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Gut, dass Sie es sagen!)

Und er sabotiert gerade die Fortschritte auf europäischer Ebene, indem er und seine Konservativen mit Rechtspopulisten und Rechtsradikalen zusammenarbeiten, um Bündnisse gegen die eigene Kommissionspräsidentin zu schmieden. Von Ihnen hört man dazu nichts.

(Zuruf des Abg. Gunther Krichbaum [CDU/CSU])

Solange Sie da nichts tun, können Sie sich Ihre Bekenntnisse gegenüber der AfD auch sparen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Sorgen Sie endlich dafür, dass Weber seine Zusammenarbeit mit Rechtsradikalen und Rechtspopulisten auf europäischer Ebene einstellt!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Präsidentin Bärbel Bas:

Herr Dr. Hofreiter, gestatten Sie eine Zwischenfrage oder ‑bemerkung aus der CDU/CSU-Fraktion?

Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Ja, selbstverständlich.

Präsidentin Bärbel Bas:

Herr Kollege.

Nicolas Zippelius (CDU/CSU):

Frau Präsidentin, Herr Hofreiter, danke für das Zulassen der Zwischenbemerkung. – Ich möchte ganz sachlich auf Ihre Kritik dazu eingehen, wie wir das Thema „Nationale Sicherheitsstrategie“ ansprechen. Auch Ihre Kollegin Frau Haßelmann sagte ja vorhin, dass es von den Fachpolitikern keine inhaltliche Kritik gebe. Das stimmt einfach nicht.

Frau Haßelmann, ich war persönlich – und viele von uns – am Montag in der öffentlichen Anhörung. Dort haben fünf von sechs Sachverständigen so gut wie kein gutes Haar an der Nationalen Sicherheitsstrategie gelassen.

(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das stimmt nicht!)

Und zwar wurde gesagt, dass es zwar gut sei, dass es sie gebe, aber dass es vor allem an Inhalt fehle, dass man das mit Inhalt untermauern müsse und dass es da in dieser Nationalen Sicherheitsstrategie einfach zu mehr fachlicher Untermauerung hätte kommen müssen.

Wenn ich dann vom Kollegen Mützenich heute höre, dass der Bundeskanzler es geschafft habe, dass das erste Mal seit Jahren mit der Volksrepublik China über Abrüstung gesprochen werde, während gleichzeitig das Institut SIPRI sagt, dass so gut wie kein anderes Land auf dieser Welt so viel in die nukleare Aufrüstung investiert habe, dann frage ich mich: Von welchen Abrüstungsgesprächen sprechen Sie da, und wo ist die Realität hinter den Worten, die Sie hier verkünden?

(Zuruf von der SPD: Was ist denn das für eine Frage?)

Ich bitte Sie, das zur Kenntnis zu nehmen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Also, dazu kann man einfach nur sagen: Ja, selbstverständlich muss die Nationale Sicherheitsstrategie umgesetzt werden. Und das passiert jetzt nach und nach. Aber wissen Sie, 16 Jahre gab es gar keine Nationale Sicherheitsstrategie.

(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Wir haben ein Weißbuch gehabt! – Zurufe von der LINKEN: Och! – Zuruf der Abg. Andrea Lindholz [CDU/CSU])

Und das Ergebnis ist bekannt: Deutschland ist bei den Rohstofflieferungen von einer Diktatur abhängig geworden. Und dieser Bundesregierung ist es gelungen, sich innerhalb eines halben Jahres aus dieser Abhängigkeit zu befreien, in die sie insbesondere Ihre Regierung, die Vorgängerregierung, hineingetrieben hat.

(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Welcher Teil der Regierung? – Gegenruf der Abg. Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war Ihre Bundeskanzlerin, Dr. Angela Merkel! – Zurufe des Abg. Alexander Ulrich [DIE LINKE])

Und dass eine Strategie, die hier vorgelegt wird, dann erst nach und nach umgesetzt wird, das ist doch trivial. Also, was ist denn Ihre Kritik? Wenn Sie jetzt nach zwei Jahren sagen: „Ey, es ist nur bei dem Papier geblieben, da ist nichts umgesetzt worden“, dann würde ich sagen: „Sie haben recht.“ Aber sich gleich zu Beginn zu beklagen, dass sie noch nicht umgesetzt ist, ist doch bizarr. Also, ich weiß gar nicht, in welcher Welt Sie leben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Und selbstverständlich muss in anderen Bereichen mehr passieren. Wenn man sich zum Beispiel anschaut, wie heftig die Auseinandersetzung, wie heftig der Krieg zwischen Russland und der Ukraine ist, dann wird natürlich klar, dass wir schneller werden müssen bei der Nachbeschaffung von schwerem Gerät und dafür sorgen müssen, dass die Ukraine die zerstörten Geräte schneller ersetzt bekommt. Und deshalb ist es natürlich fragwürdig, dass erst mal nur 18 Leopard 2 nachbeschafft worden sind; immerhin gibt es eine Option für 120. Da muss die Bundesregierung schneller werden, da müssen wir entsprechend Gelder zur Verfügung stellen.

Wissen Sie, die Linkspartei spricht gerne von Frieden und hält gleichzeitig Reden, die am Ende, wenn ihnen überhaupt eine Bedeutung zugemessen wird, von Präsident Putin so wahrgenommen werden: Es lohnt sich, den Krieg weiter fortzusetzen,

(Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Blödsinn!)

weil es vielleicht doch ausreichend Kräfte in den demokratischen Ländern gibt, die am Ende die Ukraine im Stich lassen. Das, was Sie machen, dient nicht dazu, dass der Krieg schneller endet; vielmehr werden Ihre Reden, wenn sie überhaupt wahrgenommen werden, von Putin als Ermutigung wahrgenommen, den Krieg möglichst in die Länge zu ziehen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP und des Abg. Dr. Martin Rosemann [SPD] – Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Melde dich an die Front!)

Deshalb müssen wir alles dafür tun, dass dieser Krieg beendet wird. Und das tun wir am besten, indem wir die Ukraine so stark unterstützen, dass Putin versteht, dass es keinen Sinn hat, diesen Krieg fortzusetzen.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP – Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Freiwillig melden! Das wäre richtig!)

Präsidentin Bärbel Bas:

Nächster Redner: für die SPD-Fraktion Fabian Funke.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)