Rede von Robin Wagener Regierungserklärung zum Jahrestag des Angriffskrieges auf die Ukraine

Robin Wagener MdB
02.03.2023

Robin Wagener (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor fast genau einem Jahr wachten Millionen Ukrainerinnen und Ukrainer vom Donner von Explosionen im ganzen Land auf. Bis zuletzt hatten unsere Außenministerin und der Bundeskanzler alles Diplomatische versucht, um diesen Einmarsch zu verhindern. Es war das verbrecherische Regime im Kreml, das sich in alleiniger Verantwortung dafür entschieden hat, die Grenzen zur Ukraine mit Truppen zu überschreiten und alle diplomatischen Versuche für den Frieden in den Wind zu schlagen. Wer das nicht klar auf dem Schirm hat, der ist moralisch bankrott, und da hilft einem auch keine „Mit zehn zu eins liegen andere vielleicht auch falsch“-Distanzierung, oder was immer das war. Ich habe es, ehrlich gesagt, gerade nicht verstanden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Jan Korte [DIE LINKE]: Ja, das glaube ich!)

Wenige Tage nach dem Überfall sprach ich mit Halyna Jantschenko, einer Abgeordneten der Rada, meiner Kollegin in der ukrainisch-deutschen Parlamentariergruppe. Aus Kiew sagte sie mir übersetzt: „Heute lebe ich. Ich weiß nicht, was morgen ist.“ In zwei so kurzen Sätzen wird die Realität dieses Angriffskrieges so gut zusammengefasst. Aber sie sagte auch: „Habt keine Angst! Denn Angst ist Putins Mafiamethode.“ Genau wie Präsident Selenskyj blieb Halyna Jantschenko mit der Mehrheit der Abgeordneten der Rada in Kiew, während russische Truppen schon in den Vororten waren, während klar war, dass die russischen Invasionstruppen Todeslisten dabeihatten, auf denen auch viele Namen der ukrainischen Abgeordneten standen.

Im Laufe des letzten Jahres kam die Rada 46‑mal im Plenum zusammen und verabschiedete 384 Gesetze – ein Ausdruck der zentralen Rolle des Parlaments in der demokratischen Ukraine selbst in Kriegszeiten.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Es kommen auch immer wieder Abgeordnete in diplomatischer Mission hier nach Berlin, darunter zum Beispiel Inna Sowsun. Im vergangenen Herbst berichtete sie mir, wie sie in der U‑Bahn Schutz suchte. Und während russische Raketen in der Hauptstadt einschlugen, fragte ihr zehnjähriger Sohn sie: Mama, war die Explosion gerade eine normale Bombe oder eine Atombombe? – Ein Jahr nach dem russischen Überfall verneige ich mich vor dem Mut und der Entschlossenheit unserer ukrainischen Kolleginnen und Kollegen im Parlament, aber auch vor der ganzen Gesellschaft in der Ukraine.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)

Der russische Überfall hat vielen in Deutschland den Schleier von den Augen gerissen. Von Grosny, Sochumi über Aleppo bis nach Mariupol – der Bogen russischer Verbrechen ist lang. Als Deutsche müssen wir die richtigen Lehren daraus ziehen und unsere Politik gegenüber Russland, aber auch unsere Politik in der Partnerschaft mit unseren Freundinnen und Freunden in Mittel- und Osteuropa ändern. Die Zeitenwende ist der Anfang davon. Den haben wir gemacht, und die weiteren Schritte müssen wir zusammen gehen.

Die Bundesrepublik Deutschland steht fest und unverbrüchlich an der Seite unserer ukrainischen Freundinnen und Freunde. Wir teilen die Werte der Demokratie, Freiheit und des Friedens. Diese Werte und die Menschen, die dafür einstehen, werden wir niemals aufgeben.

Das haben wir am 27. Februar des letzten Jahres beschlossen, das gilt heute, am 372. Tag des Angriffskrieges, und es bleibt dabei. Wir stehen fest an der Seite der Ukraine – bis die letzten Invasionstruppen das Land verlassen haben, bis unsere Freundinnen und Freunde ihr Land in Frieden und Freiheit wieder aufbauen können, bis Abgeordnete des Europaparlaments aus der Ukraine unseren Kontinent gemeinsam mitgestalten. Ihr könnt euch auf uns verlassen, Oleksij Makejew. Slawa Ukrajini!

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

Vizepräsidentin Petra Pau:

Das Wort hat die Kollegin Sanae Abdi für die SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)