09.11.2018

Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann mich nicht erinnern, je ein solches agrarpolitisches Versagen erlebt zu haben wie bei der betäubungslosen Ferkelkastration.

(Albert Stegemann [CDU/CSU]: Gucken Sie mal in den Spiegel!)

Was Sie heute vorlegen, ist inhaltlich nicht ganz verkehrt. Aber das hätten wir doch alles zum 1. Januar 2019 machen können.

Falsch und unerklärlich ist Ihre unverantwortliche fünfjährige Verschleppung dieser Entscheidung.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Falsch ist es aber auch, Frau Ministerin, dass Sie als Tierschutzministerin erklärt haben, nicht zuständig zu sein. Falsch, fahrlässig und unfair ist das Nichtstun von CDU/CSU, mit der Sie die Sauenhalterinnen in eine beispiellose Verunsicherung getrieben haben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir erleben in der Sauenhaltung seit Jahren einen beispiellosen Strukturbruch. 1998 hatten wir 88 000 sauenhaltende Betriebe, heute 8 300: 90 Prozent Verlust. Das haben Sie mit Ihrer Untätigkeit weiter forciert. Während Sie fünf Jahre lang nichts taten, hat fast ein Viertel der verbliebenen Sauenhalter aufgegeben. Viele hätte man mit etwas mehr Planungssicherheit halten können, meine Damen und Herren.

Dabei war die Hausaufgabe der Ministerin und der Koalition klar formuliert. Die Hausaufgabe lautete: Finden Sie Wege zur wirksamen Schmerzausschaltung. Wirksame Schmerzausschaltung! Jeder weiß, dass Ebermast, Immunokastration, Injektionsnarkose und Inhalationsnarkose heute die möglichen Wege sind. Statt diese umzusetzen, haben Sie von CDU/CSU den vierten Weg mit Lokalanästhesie ins Spiel gebracht, ohne den Wirkungsnachweis erbringen zu können. Nach wie vor ist der Wirkungsnachweis nicht erbracht, wie in der Studie, die letzte Woche vorgestellt wurde, noch einmal betont wurde. Niemand wird gegen neue, nachweislich wirksame Verfahren der Schmerzausschaltung sein. Aber im Moment gibt es sie eben nicht, meine Damen und Herren.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir Grünen halten viel davon, gesetzliche Fristen einzuhalten: aus Respekt vor den Betroffenen, aus Respekt vor dem Gesetz. Deshalb halten wir Grünen das Reißen der Frist zum 1. Januar 2019 für ein verheerendes Signal an die Gesellschaft.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

So schaffen wir kein Vertrauen in die Politik, meine Damen und Herren, und kein Verständnis für die Landwirtschaft von heute.

Aber wenn Sie jetzt schon in die Verlängerung gehen, warum denn dann noch zwei Jahre? Viele Umsetzungsdetails in Ihrem Vorschlag sind sehr richtig. Aber das könnte man doch alles viel schneller haben. Dafür braucht man doch keine zwei Jahre.

Meine Damen und Herren, die Menschen wollen, dass endlich gehandelt wird. Die Sauenhalter brauchen endlich verlässliche Rahmenbedingungen. Und die jährlich 20 Millionen betroffenen Ferkel müssen endlich von ihrem unnötigen Leid befreit werden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Deshalb bringen wir Grünen heute einen umfassenden Tierschutz-Novellierungsantrag ein, der schon lange auf die Tagesordnung gehörte, weil im Umgang mit dem Mitgeschöpf Tier noch sehr vieles verändert werden muss, wie es unser Grundgesetz schon seit Jahren verlangt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)