Rede von Annalena Baerbock UN-Klimakonferenz in Dubai

Foto von Annalena Baerbock MdB
01.12.2023

Annalena Baerbock, Bundesministerin des Auswärtigen:

Schönen guten Tag, sehr geehrte Damen und Herren auf der Besuchertribüne! Schönen guten Tag, liebe Kolleginnen und Kollegen!

(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Frau Präsidentin!)

– Frau Präsidentin natürlich auch, und Vizepräsidentin noch nebenbei. Jetzt sind schon zehn Sekunden meiner Rede vorüber. – Es ist eigentlich mehr als ernst: Ein Krieg tobt mitten in Europa. Seit 21 Monaten überzieht Russland die Menschen in der Ukraine mit Gewalt und Leid. Im Nahen Osten gibt es brutalste Szenen des Terrors. Die Videos dessen, was die Hamas Israel und seinen Menschen angetan hat, wird hier vermutlich niemand vergessen. Und im Gazastreifen leben die Menschen, die Familien, die Kinder in schrecklichster Not, Angst und Gewalt.

(Zuruf des Abg. Dr. Rainer Kraft [AfD])

In diesen Tagen erscheinen die Krisen um uns herum manchmal einfach zu viel. Eine Krise gerät dadurch ein bisschen in den Hintergrund.

(Zuruf der AfD: Die eingebildete!)

Verglichen mit den akuten Krisen, die zu Recht unsere volle Aufmerksamkeit erfordern, erscheint sie dieser Tage manchmal weniger raumgreifend, stiller. Doch dann schlägt sie immer wieder umso erbarmungsloser zu.

(Stephan Brandner [AfD]: Die Krise schlägt zu?! Wie geht das denn?)

Schauen wir auf die letzten Monate: In Libyen wurden im September ganze Stadtteile ins Meer gespült. Auf Rhodos

(Dr. Rainer Kraft [AfD]: Brandstiftung!)

mussten die Menschen, darunter auch deutsche Urlauber, mit Booten vor den Flammen gerettet werden.

(Stephan Brandner [AfD]: Wo kamen die Flammen denn her? – Weiterer Zuruf von der AfD: Brandstiftung!)

Im Amazonasgebiet, der grünen Lunge unserer Erde, tobt aktuell eine Rekordzahl an Waldbränden.

(Dr. Rainer Kraft [AfD]: Wieder Brandstiftung! – Stephan Brandner [AfD]: Was macht denn der Lula eigentlich?)

Das ist eine 1,1-Grad-, 1,2-Grad-Welt.

Seit der UN-Klimakonferenz in Paris vor acht Jahren haben wir einiges erreicht.

(Karsten Hilse [AfD]: Massenweise Kohle ausgegeben, ja!)

Damals waren wir noch auf einem 4-Grad-Pfad. Jetzt sind wir auf einem 2,5- bis 2,9-Grad-Pfad.

(Stephan Brandner [AfD]: So ein Quatsch!)

Wir müssen davon runter.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Philipp Hartewig [FDP])

Das Gute ist, dass heute eigentlich auch der Letzte auf dieser Welt

(Stephan Brandner [AfD]: Der Letzte auf der Welt sind Sie, Frau Baerbock! – Weiterer Zuruf von der AfD)

– wie ich höre, einige hier leider nicht –, so gut wie der Letzte erkannt hat, dass es so nicht weitergehen kann.

(Stephan Brandner [AfD]: Da haben Sie recht!)

Doch von diesem Bewusstseinswandel müssen wir nun zu einem Dringlichkeitswandel in unserem Handeln kommen.

(Zuruf von der AfD)

Deswegen sind für uns drei ganz konkrete Ziele auf dieser COP in Dubai so wichtig. Wir arbeiten hart daran, dass wir erstens zu einer Verdreifachung der erneuerbaren Energien bis 2030 kommen

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

und dass wir zweitens eine Verdopplung der Energieeffizienz erreichen. Drittens – das ist das Allerwichtigste, weil eben noch nicht alle dazu bereit sind – brauchen wir die Festschreibung des gemeinsamen Ausstiegs aus den fossilen Energien, insbesondere zuerst im Energiesektor.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Karsten Hilse [AfD])

Das wird alles andere als einfach, weil es bei diesen Verhandlungen – das haben wir insbesondere letztes Jahr gesehen – eben nicht nur um Klimapolitik geht,

(Stephan Brandner [AfD]: Ja, das haben wir deutlich gesehen! 80 000 Menschen machen eine Sause!)

sondern für etliche Länder auch darum, ihre wirtschaftliche Vormachtstellung auszunutzen oder Abhängigkeiten durch gezielte Kreditvergabe geostrategisch zu nutzen.

Wenn wir also in diesem Umfeld, das dieses Jahr noch stärker geopolitisch geprägt sein wird,

(Karsten Hilse [AfD]: So groß wie nie!)

andere überzeugen wollen, dass wir es ernst meinen, dann müssen sie sich auf uns verlassen können. Vertrauen – das gilt nicht nur für die Klimakrise – ist dieser Tage in den internationalen Beziehungen wichtiger denn je.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Deswegen ist es so wichtig, dass wir unserer internationalen Verantwortung gerecht werden. Deswegen haben wir im letzten Jahr so deutlich gemacht, auch gegen die Stimmen mancher unserer Freunde, dass wir diesen Fonds für Schäden und Verluste endlich brauchen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Philipp Hartewig [FDP])

Das ist auch eine geopolitische Entscheidung von mir, von meinem Haus, von der Bundesregierung gewesen. Dass wir den jetzt auf den Weg bringen, ist in diesen Zeiten alles andere als ein Selbstläufer. Deswegen möchte ich allen dafür herzlich danken, gerade auch dem BMZ und international den Partnern, mit denen wir hier vorangehen können.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Philipp Hartewig [FDP])

Es ist eine wichtige Nachricht, dass wir gleich am allerersten Tag deutlich gemacht haben, dass es hier um alle Länder geht – das war für mich der Casus knacksus – und eben nicht nur um die Industrieländer.

(Lachen des Abg. Stephan Brandner [AfD])

Wir haben deswegen gestern – das ist die erste gute Nachricht von dieser Klimakonferenz – gemeinsam 100 Millionen Dollar für den Fonds „Loss and Damage“ zugesagt,

(Stephan Brandner [AfD]: Super! Wieder Kohle weg! – Weitere Zurufe von der AfD)

und zwar nicht nur wir als Bundesrepublik Deutschland, sondern gemeinsam mit den Vereinigten Arabischen Emiraten. Auch das bedeutet Geopolitik in diesen Zeiten.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Philipp Hartewig [FDP] – Zuruf des Abg. Stephan Brandner [AfD])

Und wir werden unserer Verantwortung weiter gerecht, indem wir 2022 erstmals die geplanten 6 Milliarden Euro für Klimafinanzierung bereitgestellt haben, und ja, das gilt weiterhin, auch in unserer schwierigen Haushaltslage.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Stephan Brandner [AfD]: Wer bezahlt die denn?)

Das Gleiche gilt für die 2 Milliarden Euro für den Grünen Klimafonds; denn Verantwortung bedeutet Verlässlichkeit.

(Stephan Brandner [AfD]: 2 Milliarden Euro für grünen Mist! – Gegenruf der Abg. Gabriele Katzmarek [SPD]: Jetzt halten Sie doch mal die Klappe!)

Gerade in diesen Zeiten geht es eben nicht nur um Klimapolitik, sondern – wenn man Klimaschutz nicht so ernst nimmt – auch um Wirtschaftspolitik und um Geopolitik.

Deswegen ist es auch so wichtig, dass auf der Klimakonferenz in Dubai – übrigens nicht in Doha, falls das manche hier denken – nicht nur die Außenministerin als Verhandlungsführerin vor Ort ist, nicht nur die Entwicklungsministerin, nicht nur die Umweltministerin, nicht nur der Landwirtschaftsminister, sondern gerade auch der Bundeskanzler und der Wirtschaftsminister – falls noch jemand Fragen zur Größe der Delegation hat.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Stephan Brandner [AfD]: Und Karsten Hilse!)

Denn natürlich müssen wir zwei Wochen präsent sein, wenn es um Klimaschutz, um Landwirtschaft, um Artenschutz, um Geopolitik, um wirtschaftliche Interessen geht. Die anderen würden doch auch da sein, wenn wir nicht dort wären.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Daher bedanke ich mich beim Team Deutschland, dass wir auf dieser COP deutlich machen: Es braucht nicht nur alle Anstrengungen, einen Dringlichkeitswandel beim Klimaschutz, sondern Klimaschutz ist mittlerweile auch Standortsicherung, gerade in diesen so stürmischen Zeiten.

Herzlichen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP – Zurufe von der AfD)

Vizepräsidentin Yvonne Magwas:

Dr. Norbert Röttgen für die Unionsfraktion hat nun das Wort.

(Beifall bei der CDU/CSU)