Rede von Dr. Anton Hofreiter Wahlen zum Europäischen Parlament

Foto von Dr. Anton Hofreiter MdB
15.06.2023

Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, man muss angesichts der jeweils nationalen Reden der AfD – wo es uns nicht wundert – und der Linken – die sich schon mal fragen sollte, ob sie hier die nationale Linke sein will –

(Heidi Reichinnek [DIE LINKE]: Was ist das denn für ein Quatsch!)

erst einmal klarstellen, was wir hier umsetzen: Wir setzen hier den Direktwahlakt von 2018 um, den das Europäische Parlament selbst mit großer Mehrheit beschlossen hat.

(Fabian Jacobi [AfD]: Na und?)

Es ist nicht so, dass wir hier als nationales Parlament sagen: „Nee, das geht so nicht, wie es auf europäischer Ebene gehandhabt wird,

(Fabian Jacobi [AfD]: Doch! Genau das!)

und wir beschließen jetzt Änderungen.“ Nein, wir folgen dem Wunsch des Europaparlaments, wie es zukünftig gewählt werden möchte.

(Jochen Haug [AfD]: Auf welchen Wunsch hin denn?)

Ich glaube, Herr Ulrich, dass das Europarlament vielleicht etwas besser Bescheid weiß als Sie mit Ihrer nationalen Brille, wie ein europäischer Direktwahlakt ausschauen sollte oder nicht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Heidi Reichinnek [DIE LINKE]: Das ist ja eine Frechheit!)

Am Umgang mit dieser Frage zeigt sich am Ende, ob man proeuropäisch ist oder nicht. Wir Grünen sind auch keine Fans der Sperrklausel, um die es da zentral geht. Aber der entscheidende Punkt ist: Das Europaparlament wünscht es mit ganz großer Mehrheit, und auch manche der Kleinparteien, die jetzt öffentlich dagegen opponieren, haben das im Europaparlament selbst mitverhandelt und selbst mitbeschlossen. Da sollte man dann schon in sich konsistent sein. Wir tun, was das Europaparlament wünscht, wie es selbst gewählt werden möchte. Das, finde ich, ist etwas, was man dem Europaparlament zugestehen sollte. Stellt euch mal vor, wir beschließen hier ein Wahlrecht für den Deutschen Bundestag und dann sagt, nehmen wir mal an, das Land Berlin: „Nö, es stört uns, wie der Bundestag selbst sein Wahlrecht beschließt“, und versucht, das zu verhindern!

(Fabian Jacobi [AfD]: Föderalismus!)

Das ist, wie gesagt, völlig unangemessen. Deshalb: Sie von der, sozusagen, nationalen Linken – von den Rechtsradikalen erwarten wir nichts anderes –,

(Jochen Haug [AfD]: Mäßigen Sie sich mal!)

hören Sie endlich auf mit Ihrem europafeindlichen Gerede hier!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Heidi Reichinnek [DIE LINKE]: Kommt auch noch Inhalt, oder bleibt es bei Beschimpfungen? – Jochen Haug [AfD]: Mäßigen Sie sich mal!)

Selbstverständlich brauchen wir einen nächsten Direktwahlakt; die Prozenthürde allein ist ja jetzt wirklich nichts Berauschendes. Aber für einen föderalen europäischen Bundesstaat, so wie er im Koalitionsvertrag steht,

(Zuruf des Abg. Fabian Jacobi [AfD])

braucht es eben mehr. Da braucht es so etwas wie gemeinsame Listen, vernünftige Wahlkreise, und am Ende brauchen wir auch eine stärkere europäische Öffentlichkeit, um eine europäische Debatte zu bekommen.

Aber insgesamt, glaube ich, können wir wirklich stolz sein: Die Europäische Union als Noch-nicht-Bundesstaat hat ein eigenes, direkt gewähltes Parlament. Anstatt das anzugreifen und es zu unterminieren, sollte man sich hinter dieses Parlament stellen, und das tun die Ampelfraktionen und die Union gemeinsam. Das, finde ich, ist ein gutes Zeichen.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Für die CDU/CSU-Fraktion hat Tobias Winkler das Wort.

(Beifall bei der CDU/CSU)