Saison 2019: Grüne Tulpe - Umweltbundesamt

16.09.2019

Im Herbst 1999 wurde Berlin, seit 1990 Hauptstadt, nun auch Parlaments- und Regierungssitz. Damit begann eine neue Epoche. Gemeint ist hier jedoch nicht die der Berliner Republik. Nein, wer verstanden hat, dass Fußball viel wichtiger als Religion und Politik ist, ahnt bereits: Auch die Grüne Tulpe zog nach Berlin. Und so begann im Schatten der Siegessäule, nordwestlich von Kanzleramt, Reichstagsgebäude und Brandenburger Tor eine Karriere, die jetzt schon länger andauert, als all die der namhaften Mandatsträger und Amtsinhaber, deren Namen im Vergleich zu IHM nur kurz am Firmament aufleuchten und dann alle in der grauen Zeitläufte des politischen Trotts verglühen.

Im September 1999, der wärmste September des 20. Jahrhunderts, ein Vorbote des Klimawandels, lief ER auf einem staubigen Ascheplatz zum ersten mal für die Grüne Tulpe auf: Kristoffer ‚Toffi‘ Born. Spieler, Trainer, Käpt’n, Rekordtorschütze, Gesicht, Seele und Motor – Legende!

Gegner damals wie heute 20 Jahre danach: das Umweltbundesamt. Damals gewann das UBA mit 4:1 auf dem Ascheplatz bei Onkel Toms Hütte. Toffi musste damals übrigens ins Tor, seine Torjägerqualitäten waren ja noch nicht bekannt. Das letzte Aufeinandertreffen fand dann vor 9 Jahren statt, welches die Tulpe mit 5:1 gewinnen konnte (durch Tore von Andre Bornstein (2x) Simon Bruhn (2x) und Dietrich Brockhagen). Letztgenannter lief auch an diesem Abend wieder auf. Auch Andre Böhling gab nach vielen Jahren Pause sein Comeback im Tulpe-Trikot. 1999 war er noch im UBA-Trikot dabei, wurde dann aber zu den Tulpen transferiert.

Das UBA war heute allerdings nur zu neunt angereist, so dass Tulpen-Unterstützung angesagt war. Tulpe-Keeper Jochen, 6er Jörn und Außen Jan verstärkten den Gegner in Halbzeit 1. Eine Gala für die Lichtgestalt des Grünen Fußballs konnte beginnen. An dieser Stelle blieb nun der ebenso dramatische wie heroische Tusch hängen und endete in einem schmerzvollen Quieken. Denn die Tulpe erinnert aktuell spielerisch nur selten an eine Gala, öfter an Gallert. (Anmerkung des Verfassers: Gallert - leicht durchsichtige, steife Masse, die aus dem abgekühlten Saft von gekochtem Fleisch, Knochen o. Ä. hergestellt ist und bei geringer Bewegung zittert - was Zustand und Spielweise der Tulpe auch an diesem Abend sehr bildlich beschreibt.)

Denn das UBA trat zwar mit wenigen und nicht mehr den jüngsten Spielern an, aber die hatten es in sich. Von Beginn der ersten Halbzeit an spielten sie alle Erfahrung in gepflegtem Passspiel aus. Kaum einmal konnte die Tulpe geordnet einen Angriff aufbauen und sich eine Chance erspielen. Umgekehrt gab Markus Leick in der Tulpen-Viererkette den Franco Baresi und lief und saugte alles ab, was Richtung grünes Tor kam. Doch vorne kam die Tulpe über schöne Einzelaktionen nur selten hinaus. Zuviele Pässe waren zu ungenau, der ordnende Fuß im offensiven Mittelfeld fehlte. Anders als das schwarze Loch im Zentrum der Milchstraße, das gerade besonders hell leuchtet, tat das schwarze Loch im Zentrum des Grünen Mittelfeldes, was es immer tut: es verschluckte Bälle, die es nie wieder hergab.

Anders dagegen der Spielaufbau des UBA: geduldig, exakt und kombinationssicher. Und irgendwann war dann auch die Tulpen-Innenverteidigung geschlagen: ein unnötiger Ballverlust im Mittelfeld, ein kluger Pass in die Spitze, die Tulpen-Abwehr kann sich gar nicht so schnell aufstellen, der Ball wird überlegt zurückgelegt und aus dem Rückraum findet der aufgerückte Umweltbundesamtler die Lücke, und der Ball schlägt zum 1:0 im Netz ein. Nicht unverdient, denn die Tulpe schafft es auch bis zur Pause nicht mehr, dem Spiel die entscheidende Wendung zu geben, obwohl Toffi vorne rackert, Haken schlägt, aus der Drehung (knapp neben das Tor) schießt oder für Sturmpartner Markus Kurdziel auflegt, wie vor 20 Jahren. Aber alles landet mehr oder weniger kläglich im Fangzaun hinter dem Tor: Es gallert. „Nicht schlecht, aber auch nicht gut“, wie Coach Toffi in der Halbzeit der Mannschaft erklärt.

Aber die Tulpe wäre nicht die Tulpe und würde nicht noch 20 Jahre danach blühen und gedeihen, würde sie nicht in der zweiten Halbzeit alles besser machen. Vor allem schwinden aber die Kräfte der ersatzgeschwächten nachgeordneten Behörde. Keeper Jochen hilft dem UBA auch in der zweiten Hälfte im Tor aus, ebenso untersützen Jan und Dietrich den Gegner.

Die Tulpe drängt nun nach der Pause mehr und mehr auf den Ausgleich und vergibt zum Teil auf kuriose Weise. Bis dann endlich eine scharfe Flanke vom Tulpe-Präsidenten Markus K. über rechts in den Strafraum fliegt und über Umwegen den Torwart passiert. Doch nicht eine Tulpe ist zur Stelle und vermag den Ball zum Ausgleich über die Linie zu drücken, das erledigt ein Ämtler in unnachahmlicher Manier höchstselbst und haut das Ding von der Linie unglücklich ins Netz. 1:1.

Weiter drücken die Tulpen, aber Ordnung fehlt im Chaos. Was ja früher bei den Grünen ganz knuffig gewesen sein mag, mag man im Fußball gar nicht ansehen. Doch dann kommt es tatsächlich zur Führung. Jörn, inzwischen wieder für die Tulpe aus dem Feld, passt schön an den 16er, Toffi nimmt ihn sehenswert mit seinem linken Füßchen mit. Während der Gegner noch zuschaut, schießt Toffi dann humorlos mit Pike. Der ausgeliehene Keeper Jochen Schieborn steht zwar richtig bzw. wird vom Pike-Effet-Ball getroffen, doch von seinem Körper trudelt das Leder ins Tor. Ein schönes Tor ist es wahrlich nicht, aber eben ein Tor. Und sein 398. (!) im Dress der grünen Tulpe. Sollte Toffi diese Saison noch die magische 400 knacken, wird ihn sicher später keiner mehr nach Tor 398 fragen.

Die Tulpen sind nun in Offensivlaune, das UBA hat aber keineswegs aufgegeben. Während die Tulpen im offensiven Mittelfeld unter-, in der Abwehr dafür immer wieder überbesetzt sind und daher die entscheidende Bresche im UBA-Bollwerk nicht finden, gelingt es den UBA-Stürmern ein ums andere mal doch noch an den Grünen Strafraum zu kommen. Ein satter Lattenkracher eines einzelnen Stürmers gegen vier Abwehrspieler springt zurück ins Feld.

Einen überraschenden Pass auf Dietrich Brockhagen, der auch das Bundesamt unterstützt, erläuft der noch und spitzelt den Ball dann perfekt in den Lauf des ökologischen Sturm-Tanks. Der umkreist noch elegant Keeper Leick und schiebt den Ball dann aus spitzem Winkel am leeren Tor vorbei. Auch das hätte anders ausgehen können.

Auf der anderen Seite werden weiter Chancen in bester Ministry of Silly Walks-Manier vergeben, bis schließlich ein abgefangener Angriff noch einmal heiß wird, weil Matze im Mittelfeld den Ball per Fallrückzieher in den Lauf von Toffi bugsiert. Einmal pennt die UBA-Defensive dann doch und in der Mitte lauert wie immer der Kurdziel. Der trifft beim ersten Versuch den Gegner, beim nächsten dann aber doch den Ball so, dass er sich über die Linie gallert. 3:1.

Danach wird gar nicht mehr angepfiffen, sondern direkt zum 20-Jahre-Jubiläums-Bier übergegangen. Und wenn man es recht bedenkt, ist zumindest einer so quicklebendig wir vor 20 Jahren. Die Grüne Tulpe ist eben doch ein Jungbrunnen. In diesem Sinne, auf die nächsten 20!