Saison 2020: Grüne Tulpe - Dynamo Tresen

13.01.2020

Wahrer Fußball-Fachverstand

Die Wahrheit liegt eben nicht auf dem Platz – eher daneben, oder besser gesagt sitzt sie da und wird ungefragt ununterbrochen geteilt. Was würden die Schiedsrichter dieser Republik nur tun ohne die stets hilfreichen Hinweise vom Spielfeldrand? „Ja, das habe ich auch so gesehen!“ ist so ein Beispiel, oder zum Spieler, der den Ball ins Seitenaus verstolpert: „Ja, das is‘ auch ne Variante!“ Der einzige Ort, wo vielleicht noch mehr Wahrheiten verkündet werden, ist – man ahnt es – der Tresen. Und gegen den ging es heute bei der Tulpe.

Dynamo Tresen war zu Gast. Ein spielstarker Gegner, technisch exzellent und mit großartigen Kommentaren gesegnet. Eindringlich schwor Coach Toffi daher die Tulpe vor dem Spiel auf die Taktik ein: irgendwann (wann genau, wollte er sich nicht festlegen) 1:0 führen. Das klappte zu Beginn auch ganz gut, bis der Dynamo-Mittelstürmer bei einem Rückpass Außenverteidiger Julian schneller unter Druck setzte, als der entscheiden konnte, was er mit dem Ball eigentlich anfangen wollte. Den Pressschlag erlief der Dynamo knapp vor dem herauseilenden Keeper Jochen und gewann so auch den zweiten Pressschlag, so dass er dann nur noch zum 1:0 einschieben musste.

Die Tulpen-Bank hatte das natürlich schon gewusst und wusste auch genauso gut, wann, wie und wohin der Ball eigentlich von wem hätte gespielt werden müssen. Manchmal ist Fußball wirklich so einfach wie Politik – nur "die aufm Platz oder im Parlament kapieren es mal wieder nicht". Aber erstens kommt es anders und zweitens als man denkt.

Die leichte Feldüberlegenheit der Dynamos wurde nur kurz später von Toffi zum 1:1 umgemünzt. „Signature Move!“ hallt es von der Seitenlinie. Denn Toffi hatte den Ball an der rechten Strafraumecke mal wieder vom Tor weg geführt und dann in den linken oberen Winkel geschlenzt – wie ca. 200 andere seiner bisher über 400 Tore. (Das 400. machte er übrigens gegen jene Dynamos.)

Das änderte aber nichts an der Feldüberlegenheit, der Fachleute vom Tresen. Kurz darauf muss Jochen Schieborn in höchster Not im eins-gegen-eins retten, der anschließende Schuss aufs leere Tor geht knapp vorbei. Ein platzierter Schuss vom Strafraumrand zischt am Pfosten vorbei. Und die nächste hochprozentige Chance über links wird gerade noch abgefangen und von den Tulpen mit einem schnellen Konter zum 2:1 wieder durch Toffi abgeschlossen. Vollkommen unerklärbar für die Illuminati neben dem Platz.

Und auch die Überlegenheit der Dynamos bekommen die Tulpen wieder besser in den Griff. Eine harmlose Ecke von links, Tulpenverteidiger Wienges ist vor dem Dynamo-Mittelstürmer mit dem Kopf am Ball, der kommt von rechts noch einmal in den von vier Tulpen und Keeper Jochen bei genau keinem (=0) Dynamo besetzten Fünfmeterraum. Und dort schließt Dietrich entschlossen zum 2:2 ins eigene Netz ab. Was sagt die Tribüne? „Kann man so lösen, muss man nicht.“

Was jetzt wie ein in etwa ausgeglichenes Spiel aussieht, wird vom Dynamo-Mittelstürmer nur ab und zu durch ein Tänzchen mit der Tulpen-Abwehr aufgelockert. Bei einem schnellen Konter kommt er zum Abschluss, trifft aber nur die Latte. Doch zu früh, wer nun schon ein Urteil fällen wollte. Von der Latte springt ihm der Ball wieder genau auf den Fuß und durch die Beine eines Tulpen-Verteidigers platziert er das Leder genau im linken unteren Eck zum 3:2.

In der zweiten Halbzeit passiert lange wenig – Höhepunkte erlebt nur, wer nahe genug der Ersatzbanken ist. Einen sehenswerten Sololauf von Jonas verstolpert er, nur noch den Torwart vor sich, höchst selbst. Schade, das wäre der Ausgleich gewesen. Kurz darauf hat Matze ebenfalls eine gute Chance, doch der Ball fliegt statt aufs Tor eher Richtgung Eckfahne.

Dann ist wieder Dynamo dran. Einen von rechts schon abgewehrten Ball bringt der bullige Dynamo Marcel per sehenswert eingesprungenen Fallrückzieher Richtung Tor, aber doch nur darüber. Ein Torschuss, der nicht wirklich Gefahr entfaltet, überquert selbst den Fangzaun; der (wesentlich schlechtere) Ersatzball nimmt eine gefährlich ähnliche Flugbahn, woraufhin die Seitenlinie sofort mutmaßt, dass dieser Ball dem Spiel am meisten nützen würde, wenn er tatsächlich auch unauffindbar im Buschwerk landet. Doch das Spiel geht weiter und auch Jochen im Tulpe-Tor kann sich auszeichnen: einmal als er einen gefährlichen Schuss noch um den Pfosten lenkt, einmal als er für einen gefährlichen Schuss zuerst zu spät kommt und der gegen den Pfosten scheppert und Jochen dann früh genug weg ist, um nicht den Abpraller per Hinterkopf ins eigene Tor zu bugsieren.

Auf der anderen Seite macht der Cristiano Ronaldo der Dynamos in der eignen Hälfte eine Bewegung, die manch Experte für einen Übersteiger mit rechts hielt und spitzelte dann mit links in einer einzigen flüssigen Bewegung den Ball ins Seitenaus. Es sprechen die Weisen: „Wer verarschen will, wird selbst verarscht!“ So einfach und schlicht wie schön und wahr.

Und irgendwann fällt dann doch noch ein Tor, das irgendwie normal und auch zunehmend erwartbar wurde: ein langer Ball, der Dynamo-Ronaldo läuft der Innenverteidigung davon, umkurvt noch den Keeper und schiebt zum 4:2 ein. Die Seitenlinie weiß sofort: „Nicht unverdient auch in der Höhe. Ärgerlich, da war mehr drin.“

Was Fußball und Politik wirklich zweifellos gemeinsam haben, ist der Stammtisch. Und wie das Känguru schon feststellte: Aussagen müssen nicht mehr wahr sein, sondern witzig. Aber damit der Stammtisch, Tresen oder Bank sich nicht gänzlich loslösen vom wahren Geschehen, den Herausforderungen und Dramen auf dem Platz, spielt jedeR am besten selbst – nur unterhaltsamer sind die Kommentare an der Seitenlinie allemal.