Grüne Tulpe- 11 Freunde: 1:4
11 Freunde müsst ihr sein
Versuchen wir an dieser Stelle doch mal was Ungewöhnliches. Versuchen wir das vergangene Spiel der Grünen Tulpe mal aus behindertenpolitischer Sicht zu analysieren. Perfekt passend bietet sich hier das Spiel gegen die legendäre Redaktion von 11 Freunde an. Denn die 11 Freunde kommentieren wie kein anderes Fußballmagazin das Faszinosum Fußball eben auch mal aus dem etwas anderen Blickwinkel.
Grüne Behindertenpolitik und Grüner Fussball. Das bedeutet zu aller erst Self-Empowerment, Selbstbestimmung und Teilhabe. Alles Prinzipien, nach denen auch die Grüne Tulpe Montag für Montag ihr Spiel aufzuziehen versucht. Self-Empowerment: Externe Berater, Trainer, erfahrene Spieler und Alteingesessene hauchen der Tulpe im alljährlichen Trainingslager eine Fußballphilosophie ein. Ecken, Flanken, Eins-gegen-Eins. Die Spieler werden auf den Ernstfall vorbereitet, so dass sie in den entscheidenden Spielen allein zurecht kommen. Selbstbestimmung: Mit all dieser Vorbereitung war und ist es dann die Taktik der Tulpe, dem gegnerischen Team ihr Spiel aufzuziehen. Sie wollen selbst über das Tempo, den Verlauf und das Ergebnis bestimmen. Teilhabe zu guter letzt stellt das finale Ziel dar. Es ist die Hoffnung, auch gegen stärkere Gegner auf dem Platz zu bestehen und auf Augenhöhe mitspielen zu können. Dieses letzte Prinzip ist allerdings sehr voraussetzungsvoll. Viele Barrieren und Hindernisse erschweren es.
Dass eine vollständige Inklusion mitunter einen langen und erschwerlichen Weg bedeutet, das musste die Grüne Tulpe auch an diesem Montagabend wieder erfahren. Gegen eine starke und zuweilen erstklassig kombinierende 11Freunde-Mannschaft musste man früh erkennen, dass eigentlich nur dauerhafte Nachteilsausgleiche ein Spiel auf Augenhöhe erlaubt hätten.
Schon zu Beginn sah man sich den ersten Hindernissen gegenübergestellt. Der Teamchef Sebastian Wienges, ansonsten ein Fels in der Abwehrbrandung, fiel aufgrund einer kleinen körperlichen Beeinträchtigung aus. Zum Ungemach seiner Spieler versuchte er dies wieder auszugleichen, in dem er eine schier nicht enden wollende Spielansprache in der Kabine hielt. Ohne jegliche optische oder akustische Hilfsmittel gab er dann vertrackte, verzahnte und verschachtelte Anweisungen, die schließlich selbst den Letzten vollends zu verwirren schienen. Eine leichte Sprache wäre hier wahrscheinlich von Vorteil gewesen. Doch es war auch klar, dass es ohne den baumlangen Libero Stefan Witt, Innenverteidiger Ahmet Sheriff und Defensivdynamo Hartwig Mayer - die alle an diesem Abend fehlten- insgesamt sehr schwer gegen die starken 11Freunde werden würde.
Zurück zum Spiel. Kombinationsfussball vom Feinsten. Dies zeigten die Mannen der 11 Freunde wie gesagt gleich mit dem Anpfiff. Und wie. Mit Tempostoß um Tempostoß schossen sie dem Tulpenkeeper Jochen Hake buchstäblich erstmal die Hände warm. Nur das Netz im Tor wollten sie nicht so recht treffen. An Chancengleichheit war in den ersten fünfundvierzig Minuten in keiner Weise zu denken. Das muss sich auch irgendwie der liebe Fußballgott gedacht haben und bescherte der Tulpe einfach mal einen Freistoß von halb rechts. Der etatmäßige Goalgetter Kristoffer Born ließ sich nicht zweimal bitten und flankte zielgenau auf den Elfmeterpunkt. Andre Bornstein steigt hoch, doch auch einige der 11Freunde wollen an das Bällchen. Wie durch ein Wunder liegt der Ball plötzlich im Netz. Ein Abwehrspieler der 11Freunde hatte den Ball einfach unfreiwillig unhaltbar ins eigene Netz abgelegt.
1:0 für die Tulpe!
Ein offensichtlicher spielerischer Nachteil der Tulpe gegenüber dem gegnerischen Team wurde aus dem Nichts ausgeglichen. Ein ganz klarer Ausgleich für eine Leistungsminderung. Vielleicht könnte man es auch Hilfe zur Eingliederung nennen? Egal, das zumindest ist moderne, emanzipative Politik! Leider währte diese aber nicht dauerhaft, so dass die Mannen der 11Freunde noch vor der Halbzeit das Ergebnis egalisieren konnten. Ein starker langer Ball in den Lauf des Stürmers, dieser spielt noch an der Grundlinie den Staubsauger Tresfor Dambe aus, und passt mustergültig zum mitgelaufenen Spielmacher in den Rückraum, der dann trocken ins lange Eck versenkt.
Dann ist endlich Halbzeit und zur Überraschung der Tulpianer ist der grüne Teamchef schon nicht mehr im Stadion. Die Mannschaft macht das Beste draus und einigt sich darauf, dass man diese Partie -wenn überhaupt- eigentlich nur mit gekonnten Konterspiel gewinnen kann. Eine Sturmspitze zieht sich ins Mittelfeld zurück und so sollen die Räume im Mittelfeld eng gemacht werden.
Die zweite Hälfte beginnt frohen Mutes. Die Grüne Tulpe spielt jetzt tatsächlich freier, spielt frischer auf. Es entwickelt sich endlich ein ausgeglichenes Spiel. Die linke Seite mit Asgar Ergin und Kristoffer Born kommt in dieser Sturm-und Drangphase ein ums andere Mal zu viel versprechenden Torchancen. Von spielerischen Handicaps ist zu diesem Zeitpunkt nichts zu spüren. Ein sich zuständiger Leistungsträger lässt sich jedoch auch bei der Tulpe heut nicht mehr finden. Da wird die Verantwortung von sich gewiesen und an den nächsten weiter geschoben. So sind es in der Konsequenz auch wieder die 11Freunde, die als nächstes treffen. Ein steiler Pass in die Gasse kann der kreuzende Stürmer per Direktabnahme am grünen Torwart wunderschön vorbeiziehen. 1:2.
Die Tulpe versucht nochmal alles und erkämpft sich gleich danach nochmal eine Ecke. Asgar Ergin gibt hinein und plötzlich herrscht kurze Verwirrung im 11Freunde-Strafraum. Im Kuddelmuddel wird der grüne Kapitano Born zu Fall gebracht, doch der Schiedsrichter findet die Pfeife nicht. Oder umgekehrt. Na, den fälligen Elfmeter gibt es jedenfalls nicht. Die Tulpe stürmt jetzt nur noch blind weiter, will den Ausgleich. Und vernachlässigt dabei sträflich eine konsequente Mittelfeld- und Abwehrarbeit. Barrieren werden den 11Freunden sodann kaum noch in den Weg gestellt.
Die Tulpen werden von den 11Freunden souverän in ihren hecktischen Angriffsbemühungen gestoppt und so landet der Ball schnell über wenige Stationen immer wieder im grünen Strafraum. Ein trockener, platzierter Schuss ins lange Eck lässt dann die Träume der Tulpe, hier doch noch mal ins Spiel zurückzufinden, endgültig platzen. Auch der starke Jochen Hake im grünen Gehäuse kann das 1:3 nicht verhindern, obwohl er das bemerkenswerte Geschoß noch leicht abfälschen kann.
Apropos Bemerkenswert: Das war auch die Leistung des Mannes mit der Pfeife. Allerdings im Negativen. Schon im vorangegangenen Spiel gegen die "Spätlese" wurden immer wieder leichte Zweifel an seinen läuferischen und "seherischen" Fähigkeiten vorgebracht. Doch -seien wir ehrlich- am Schiri lag es heute nicht, dass die grüne Mannschaft deutlich zurücklag. Der Rückstand war völlig verdient. Kurz vor Schluß fiel dann doch noch das 1:4, welches nur noch eine logische Folge der sich auflösenden Hintermannschaft der Grünen Tulpe war. Die dritte Niederlage im fünften Spiel nach der Sommerpause war damit endgültig besiegelt.
Fazit und Fahrplan: Ein kurzer Blick auf die Politik der Grünen Bundestagsfraktion für Menschen mit Behinderungen könnte der Tulpe durchaus rosigere Zeiten bescheren. Hier fünf kleine Tipps, die helfen können auch in Spielen mit starken Gegnern wie gegen die 11Freunde bald auch selbstbestimmt am Spiel teilhaben zu können.
1. Intensivere Trainingslager, an denen zukünftig mehr Spieler teilnehmen sollten, könnte die Truppe im Sinne eines Self-Empowerments für anstehende Aufgaben fit machen. Die Nachteile im spielerischen, technischen und taktischen Bereich könnten langfristig ausgeglichen werden.
2. Personenzentrierte Hilfe wie Einwürfe, lange, gerade Pässe oder das Stellen einer Abseitsfalle wäre für einzelne Spieler dringend vonnöten.
3. Persönliche Assistenten für den Schiedsrichter würden das Spiel fairer und weniger anfällig machen.
4. Heil- und Hilfsmittel in Form eines Medizinkoffers für die ambulante Versorgung, könnten den Rehabilitationsprozess der kranken Mitspieler beschleunigen.
5. Barrierefreie Kommunikation des Teamchefs sorgten für klare und verständliche Ansagen.