Grüne Tulpe - Spanische Botschaft Berlin: 5:3

13.10.2008

Fußball und faule Kredite

Frei nach dem Möller' schen Grundsatz "Mailand oder Madrid – Hauptsache Italien" ist neues Zielland deutscher Urlauber, Investitionen und Legionäre Spanien: Malle, Mille, Metzelder. Diesen Trend erkannten auch die Grünen und wollten nun schaffen, was der Nationalmannschaft im Sommer noch misslungen war.

Derweil trifft sich die Kanzlerin mit Staatsführern, um Finanzpakete zu beschließen, deren Volumen den Staatshaushalt übersteigen. Dass dies auch Chancen bieten sollte, entspricht den Grundsätzen Grüner Politik: Probleme lösen und langfristig nachhaltige Lösungen schaffen. Die Finanzkrise ist ebenso wie die Klimakrise ein Versagen, dessen Überwindung einerseits Chancen bietet und andererseits die Gestaltung nachhaltiger Strukturen erfordert. Doch während Klimakrise ein Marktversagen ist, ist die Finanzkrise das Gegenteil. Funktionierende Märkte haben über kurz oder lang versagendes Management selektiert. Dieses Management nun zu retten, mag dem Markt zwar auch helfen, ist aber eigentlich ein staatlicher Eingriff in einen funktionierenden Markt. Ein Versagen besteht allerhöchstens in den Überreaktionen der Finanzmärkte und dem nun fehlenden Vertrauen bzw. prohibitiver Transaktionskosten. Um dieses Marktversagen zu überwinden braucht es aber langfristig nicht Merkels Milliarden, sondern wie von den Grünen Finanzmarktpolitikern schon lange gefordert mehr Transparenz, die nachhaltige Investitionen fördert. Deutsche Investitionen in Klimaschutz wandern in Erneuerbare Energien – seitdem es das EEG auch in Spanien gibt gern auch ins Land des Europameisters. Insofern war der Tulpen-Gegner an diesem Montagabend nur angemessen und hochaktuell: die Spanische Botschaft.

Und wie in der guten alten Zeit trafen deutsche Tugenden auf variables Passspiel im Mittelfeld – mit bekanntem Ausgang, den Gary Lineker schon umfassend beschrieben hat: "Fußball ist ein Spiel, bei dem 22 Spieler hinter dem Ball herlaufen, und am Ende gewinnen die Deutschen." Ungefähr so kam es auch an diesem Spielabend – eigentlich rätselhaft angesichts der Verteilung der Spielstärke.

Die Spanier ließen den Ball gefällig in ihren Reihen zirkulieren, die Tulpen standen in einer massierten Defensive und machten nach vorne wenig, ließen aber nach hinten noch weniger zu. Und dann macht ein Deutscher eben einen Hattrick – in diesem Falle Tulpen-Stürmer Kristoffer Born. Erst ein abgefangener Ball in der Spitze, den Borns Spürnase antizipiert und dann per Außenrist am weit vor seinem Tor weilenden Torwart vorbei zum 1:0 ins Netz platzierte. Dann kurz danach ein Angriff über links und Born schließt einskalt ins lange rechte Eck zum 2:0 und fast wie eine Kopie des eben beschriebenen Tors folgte dann nur wenige Minuten später sogar das 3:0 durch den grünen Kapitän.

Dabei war von Überlegenheit auf dem Spielfeld eigentlich nichts zu spüren. In der Folge verlegte sich die Tulpen-Defensive zudem auf Spielaufbau per Geronimo-Pässen. Und dieser Drei-Tore-Vorsprung hätte am Ende auch nicht zum Sieg gereicht. Denn noch in der ersten Halbzeit kriegen die Tulpen den Ball mal wieder nicht aus der Gefahrenzone, irgendwann fällt die Kugel dem etwas unbeteiligt wirkenden Pepe Costa y Bravo vor die Füße, der in perfektem Standfußball den Ball mit dem Außenrist an allen Defensivkräften vorbei im langen Eck direkt neben dem Pfosten platziert. 3:1

Und noch vor der Pause ist die Tulpen-Abwehr schließlich gar nicht mehr massiert. Ein Pass wird in den Strafraum durchgesteckt, Ersatztorwart Wienges kommt nicht heraus und der schnelle Raúl spitzelt dem Ball aus kurzer Distanz dem Torwart durch die Beine zum 3:2 ins Netz. Nun beginnt sich ein offenes Spiel zu entwickeln, aber vorher entscheiden die Tulpen schnell noch das Spiel mit einem Freistoß von Asgar Ergin getreten aus dem Mittelfeld. Der Ball fliegt durch Freund und Feind hindurch, springt auf und über den Torwart hinweg in den Winkel zum 4:2. Danach -kurz vor der Pause- noch ein Angriff über den schnellen Ergin, den Puyol etwas plump im Sechzehner stoppt. Der Schiri entscheidet sofort auf Strafstoß. Der fällige Elfmeter ist diesmal eine Sache für den erfahrenste Spieler auf dem Platz. Und Ratimir Britvec verwandelt nach eingehender psychologischer Studie des Torwarts dann bombensicher zum 5:2.

Die zweite Halbzeit brachte nun ein ausgeglichenes Spiel. Teilweise mit der spanischer Hitzigkeit, teilweise mit kühler Abgeklärtheit. Hattrick-Born stand nun im Tor und reagierte gleich einige Male prächtig und verhinderte so, dass es tatsächlich noch einmal eng wurde. Aber viele Chancen boten sich weder hüben noch drüben. Tresfore setzte einen Ball an die Querlatte, Torres gelang dann ein Hammer-Schuss von der Strafraumgrenze direkt unter die Latte zum 3:5, nachdem die Tulpen im defensiven Mittelfeld mal wieder die Entschlossenheit im Zweikampf hatten vermissen lassen.

Die Spanier spielten zunehmend mit einem bärenstarken Libero, vier bis sechs technisch versierten Stürmern und einem klaffenden Loch im Mittelfeld. Doch die Tulpen konnten weder das Mittelfeld kontrollieren noch gelang es ihnen auch nur einmal einen Angriff nicht in einem Dribbling gegen den allein verteidigenden Libero enden zu lassen. So kam ein ansehnliches Spiel kaum noch zustande. Denn auch ein grünes Mittelfeld gab es kaum noch, eigentlich auch nur noch Abwehr und Sturm. Die 5er-Abwehr um Wienges, Witt, Bornstein, Dambe und Griebenow versuchte nur noch rauszubolzen was das Zeug hält und der grüne Sturm wartete zu weit vorne auf lange Konterpässe. Das führte in den letzten 15 Minuten dazu, dass die Spanier nochmal fast herankamen. Kurz vor Schluss donnerte dann ein spanischer Ball noch an die grüne Querlatte und um ein Haar wäre es noch einmal spannend geworden.  Doch irgendwie schafften es die Tulpen an diesem Abend, dass Spiel nach Hause zu fahren- mit ein wenig Glück, aber auch Dank einer tollen Mannschaftsleistung.

Fazit: Zu unterschiedliche Spielkulturen und Unvermögen auf beiden Seiten, aus den eigenen Stärken und des Gegners Schwächen wirklich Kapital zu schlagen, verhinderten letztendlich, dass ein Mehrwert in Toren auch ein schönes Spiel reproduzierte.  Ein schneller Dreier aus dem Nichts und ein "Dranbleiben am Markt" waren heute Abend spielentscheident. Wenn am Ende die Dividende stimmt, fragt dann ja meist keiner mehr nach der Spielkultur. Doch das ist nicht vereinbar mit grüner Philosophie, denn die definiert sich seit jeher aus dem "schönen Spiel" und das Ganze heute sah eher aus wie ein fauler Kredit. So wie der Finanzmarkt nach einer Grünen Politik ruft, ruft der Fußball nach Grüner Spielkultur. Derzeit ist schwierig zu beurteilen, was schwerer zu haben ist.