Saison 2012: Filmreifer Kick gegen Tykwers X-Men

30.09.2012

Ein neuer Film, der gerade von Tom Tykwers Jungs in Produktion ist, hat den Titel "Limbo". Er handelt allerdings nicht von den X-Kickern, wie sie mit ihren Gegnern auf dem Platz nach Belieben Limbo tanzen, sondern im weitesten Sinne von Himmel und Hölle.

Apropos Hölle: Um nicht gleich schon nach Anpfiff "Scheiße am Fuß zu haben" erbarmte sich Simon Bruhn und entfernte kurzerhand den Hundehaufen, der sich im grünen Mittelkreis schon fast in den Kunstrasen gefressen hatte. Nun war der Lichtplatz endlich spielbereit.

Doch kurz nach Anpfiff machte dieses Spielfeld seinem Namen wieder keine Ehre, als ein Flutlicht zwischenzeitlich seinen Geist aufgab. Doch beide Teams schienen bereits so in der Partie gefangen zu sein, dass es die meisten Spieler gar nicht bemerkten. Außer Simon natürlich, der am heutigen Abend irgendwie "über sinnliche" Fähigkeiten verfügte. Doch ob man mit dieser Geheimwaffe gegen die X-Men bestehen könnte, musste sich erst noch zeigen. 

Die Fussballer mit dem schwarzen X auf weißer Brust - obwohl das X eigentlich mehr auf Bauchhöhe angesiedelt war- zeigten gleich in den ersten Spielminuten, wer hier heute spielerisch und technisch das Sagen hatte. Die X-Kicker hatten mal wieder ihre erwartet großen Künstler -auch am Ball- mit ins Poststadion gebracht.

Insbesondere der junge Artist mit der Nummer 18 auf dem Rücken, wusste ein ums andere Mal wie ein Messi zu zaubern. So nahm er gleich mal einen Abschlag den Tulpe-Keepers Jochen Schieborn zum Anlass, diesen auf Höhe der Mittellinie aus der Luft anzunehmen und ihn dann auf seinem Füßchen magisch liegen zu lassen. Soviel zum Limbo. 

Jochen hatte kurz zuvor einen wahren "Kahn-Moment" hinter sich gebracht und die Tulpe den Bayerndusel bescheert. Denn in der 5. Minute hatte ein X-Filmer sich schön über die linke Seite durchgesetzt und zirkelte aus etwa 12 Metern das Bällchen am grünen Torhüter vorbei. Doch das Runde landete nicht im Netz, sondern holperte gegen den Innenpfosten und sprang von dort direkt in die Arme des schon geschlagenen Schieborn. Was in dieser Situation fehlte, war nur noch die sogenannte "Becker-Faust" und der gebrüllte Urschrei des Titanen.

Jeder Dortmunder Fan wird sich mit Grausen an den besonders kuriosen Moment der Saison 2000/2001 erinnern: Nämlich als der in der letzten Spielminute von Tomáš Rosický wunderschön getretene Freistoß über die bayerische Mauer und Olli Kahn hinweg Richtung Siegtor flog, aber dann doch gegen den Innenpfosten knallte und von dort eben genau zurück in die Arme des wahnsinnigen Kahns. So blieb es damals beim 1:1 und mit ausgerechnet diesem einen Punkt wurden die Bayern dann ja am Ende vor Schalke doch noch Meister. Das war dann allerdings für alle Dortmunder dann doch noch eine Genugtuung bzw. ein "Happy End."

Von Letzterem war die Tulpe allerdings noch weit entfernt. Die grüne Mannschaft hatte sichtlich Mühe ihr Spiel aufzubauen und den Gegner am Aufbau zu hindern. Immer wieder bekam das starke X-Kicker-Mittelfeld die Gelegenheit ihre Stärken am Ball auszunutzen. Von allen Seiten flogen immer wieder lange, perfekt getimte Pässe direkt in den Lauf der flinken X-Men. Die grüne 4er-Kette um Stefan Witt, Ole Goede, Markus Meyer und Manuel Eder und ihre Abseitsfalle wurde des öfteren durch diese cleveren Pässe ausgetrickst und es war eigentlich nur der Fahrlässigkeit der Filmleute zu verdanken, dass es nach einer gespielten Viertelstunde immer noch 0:0 stand.

Die Tulpe kämpfte natürlich wie immer, doch der Gegner war irgendwie stets einen Tick schneller und bestimmte eindeutig das Spielgeschehen. Für die Grüne Mannschaft sah es danach aus, dass sie am ehesten noch durch Standards zum Erfolg kommen könnte.

Doch just in diese Druckphase der X-Kicker gelang der Grünen Tulpe ihr schönster Angriff des Tages. Eine schöne Kombination über Marek Dutschke und Markus Kurdziel landete beim gerade für Dietrich Brockhagen eingewechselten Toffi, der links in den Strafraum fast bis zur Grundlinie dribbelte und dann im richtigen Moment zurück auf den mitgesprinteten 6er Finn Pelke passte. Der musste auf Höhe des Elfmeterpunkts eigentlich nur noch einschieben, doch der gute X-Keeper konnte mit den Füßen das Ding irgendwie noch zur Ecke klären.

Diese anschließende Ecke in der 26. Minute war dann wieder eine Angelegenheit für den grünen Spielertrainer, dessen Standards stets mit viel Effet in die Strafräume segeln. So auch diesmal wieder. Im Getümmel waren mit Stefan Witt, Sebastian Wienges und Markus Kurdziel dann gleich drei grüne Leuchttürme im gegnerischen 16er. Als alle mit einem Kopfball rechneten, war da plötzlich das lange Bein von Witt zur Stelle und die Überraschung perfekt. Stefan dreschte das Leder aus 8 Metern volley in die gegnerischen Maschen und konnte sein 12. Tor im grünen Dress und die überraschende 1:0 Führung kaum fassen. 

Die X-Men ließen sich von dem Rückstand allerdings nicht beeindrucken. Die Filmcrew erhöhte einfach nochmal das Tempo und in den letzten 20 Minuten bis zur Halbzeit schlug ein Angriff nach dem anderen in der grünen Hälfte ein. Die beiden Tulpe-6er Sebastian Wienges und Finn Pelke waren fast nur noch in der Defensive gebunden.

Unter dem hohen Druck der Tykwer-Jungs leistete sich die Tulpe dann immer wieder gefährliche Ballverluste. In der 33. Minute führte einer dann auch zum logischen und verdienten Ausgleich. Ein Querpass von der grünen Außenverteidigung auf die beiden zentralen Tulpe-6er wurde von einem flinken X-Füßchen abgefangen und von diesem gezielt Richtung grüne Hütte geschossen. Das Leder landete umgehend und unhaltbar für Jochen im Netz. 1:1

Es dauerte danach weniger als drei Minuten, als es schon wieder im grünen Kasten klingelte. Einen wunderschön vorgetragenen Angriff beendet einer der X-Regisseure mit einem gekonnten Lupfer über den grünen Torhüter zur 2:1 Führung.

Kurz danach war erstmal Halbzeit. Die grünen Kicker hatten diese Auszeit auch dringend nötig. Das Tempo der ersten Halbzeit war enorm gewesen und alle Tulpen wirkten bereits angezählt. Es musste was passieren, das war allen klar, wollte man hier nicht untergehen. Toffi hatte sich auch schon eine neue Taktik überlegt. Durch eine Umstellung auf drei 6er sollte das Mittelfeld zugemacht und die Defensive stabilisiert werden. Der verbleibende einzige Stürmer sollte durch lange Bälle in Szene werden, da die X-Abwehr hier verwundbar schien. Es wurde als die Achillesferse des Gegners ausgemacht, die man ausnutzen musste, wollte man hier heute abend noch zumindest ein Remis erreichen.

Mit Wiederanpfiff zeigte sich, dass die Umstellung und die damit einhergehende neue Taktik fruchtete. Die Tulpe fand wieder zurück ins Spiel und die drei 6er standen nun dem X-trem guten Mittelfeld stets auf den Füßen. So konnten viele der gefährlichen Pässe unterbunden werden, die noch in der ersten Hälfte der Tulpe das Leben schwer gemacht hatten. Die grüne Abwehr ließ sich auch nicht mehr so einfach übertölpeln wie in Halbzeit Eins und stand deutlich sicherer.

Vorne lauerte mit Toffi die Hoffnung auf den Ausgleich. Immer wieder wurde der grüne Spielertrainer mit langen Pässen auf die Reise geschickt. So auch in der 61. Minute, als einer dieser gefühlten 50 Meter-Pässe perfekt in den Lauf beim grünen Goalgetter landete und der sich im Eins zu Eins mit dem X-Torhüter diese tolle Gelegenheit nicht nehmen lies. 2:2

Die Tulpe war zurück und der Jubel groß. Doch noch waren fast 30 Minuten zu spielen und somit alles möglich. Die Grünen ließen nach dem Ausgleich keine Spur nach und hatten nun sogar Gelegenheiten in Führung zu gehen. Der X-Faktor ließ in Halbzeit Zwei bei den Tulpen an Schrecken verloren zu haben, denn offensiv konnten sich die Filmemacher nicht mehr so gefährlich in Szene setzen. Und wenn doch mal ein X-Schuß aufs grüne Tor abgegeben wurde, stand hinten mit Jochen ja noch der großartige grüne Schlußmann. Der suchte nicht selten mit weiten Abschlägen auf Toffi sein Glück, doch als einzige Sturmspitze war der dann doch ziemlich allein auf weiter Flur.

In der 64. Minute gewann Toffi dann aber auf links ein Laufduell gegen den ansonsten gut postierten X-Abwehrchef. Von halblinks lupfte er den Ball aus etwa 25 Metern über den herauslaufenden Keeper. Der Lupfer wurde aber noch von einem X-Verteidiger erlaufen und spektakulär durch eine Art Fallrückzieher vor dem Überschreiten der Torlinie gerettet. Obwohl: einige Tulpen wollen das Leder schon hinter der Linie gesehen haben.

In der 68. Minute dann schon wieder eine strittige Szene. Das Runde zappelte nun eindeutig im Filmeck, doch diesmal hatte der Schiri eine Abseitstellung von Toffi ausgemacht. Ob es wirklich Abseits war, bleibt dahingestellt, doch der Schiri war sich der Sache sicher. Trotz dieser strittigen Szenen zeigte der Unparteiische eine gute Leistung und hatte die Partie jederzeit voll im Griff. 

Doch kurz danach war aber auch er machtlos, als auf der Gegenseite der Ball plötzlich im Tulpe-Netz zappelte. Was war passiert? Eine scharfe X-Klanke von rechts flog in den grünen 16er, wo Innenverteidiger Sebastian Wienges mit dem Kopf zur Ecke klären wollte. Der Ball windet sich jedoch langsam aber bestimmt am sich reckenden Jochen vorbei ins Gehäuse und das grüne Eigentor ist Gewissheit. Jochen war zwar mit den Fingerspitzen noch drangekommen, doch diesmal wollte der Pfosten einfach nicht mehr helfen. 2:3 und nur noch 20 Minuten zu spielen. 

Die X-Kicker hatten bis dato eigentlich keine zwingende Gelegenheit mehr gehabt und das glänzende grüne Team bestrafte sich ausgerechnet in ihrer stärksten Phase durch ein unglückliches Eigentor selbst. Doch die fleißigen Tulpe-Spielberichtsleser wissen, dass unsere grünen Fussballer in solchen Situationen immer nochmal eine Schippe drauflegen. Auch oder gerade dann, wenn sich der Akku eigentlich schon längst im roten Bereich befindet, werden nicht mehr für möglich gehaltene grüne Energiereserven mobilisiert. Toffi ging nun auch auf volles Risiko und machte aus der Viererkette kurzerhand eine Dreierkette und verstärkte den Tulpe-Sturm. 

Kurz nach der Umstellung schlug Ole Goede vom Mittelkreis einen langen Ball auf Simon Bruhn, der sich im Zweikampf behauptete und mit seinem Köpfchen direkt in den Lauf auf Toffi verlängerte. Der "über- sinnliche" Simon wusste irgendwie, dass Toffi genau dort hinsprinten würde. Dieser ließ sich diese vielleicht letzte grüne Tor-Gelegenheit des Abends nicht nehmen und verwandelte bedrängt aus spitzem Winkel mit dem Außenrist zum viel umjubelten 3:3.

Viele grüne Kicker ersehnten nun den Abpiff, aber es waren noch mindestens 13 Minuten zu überstehen. Wenn das mal kein Unglück bringt, mag die eine oder andere abergläubische Tulpe da gedacht haben. Erst recht, als mit Finn Pelke der enorm starke Tulpe-Dynamo aufgrund von starken Rückenschmerzen für die wichtige Schlußphase jetzt ausgewechselt werden musste.

Für ihn kam der bereits angeschlagene Marek Dutschke wieder ins Spiel zurück, der sich zur Halbzeit aufgrund von Knieproblemen hatte auswechseln lassen. Toffi ging vom Sturm auf Finn's 6er-Position und Ole rutschte wieder in die Innenverteidigung der neu formierten 4er-Kette. So wollte man für die letzte Viertelstunde per Catenaccio das Unentschieden irgendwie über die Zeit retten.

Die X-Men setzten sich zugleich in der grünen Hälfte fest und belagerten den Tulpe-Strafraum. Das sah schon fast wie beim Handball oder Eishockey in Unterzahl aus, denn um das Tulpe- Tor sah man einem grünen Gürtel aus 10 Verteidigern gespannt. Nur einzig der Tulpe-Präsident Markus Kurdziel blieb noch als Offensivkraft auf Höhe des Mittelkreises. Er hatte die wichtige Aufgabe, die zahlreichen Befreiungsschläge abzulaufen und irgendwie Bälle zu erobern. Jede Sekunde eigener Ballbesitz war nun Gold wert. 

Die Grüne Tulpe war ganz auf den Spuren von Inter Mailand. Die X-Kicker rannten wie Barcelona mit ihren Ballkünstlern immer wieder gegen die doppelte Verteidigungswand.  Wie im Champions-League Halbfinale vor zwei Jahren, als Mourinho als Trainer von Inter gegen Barca erfolgreich die ultimativste Variante des Cattenaccio spielen ließ, die je eine Mannschaft zelebriert hatte. Mit Erfolg wie wir ja alle wissen. 

Cattenaccio hin oder her, in der Nachspielzeit kam der X-Messi mit der 18 auf dem Rücken dann doch noch einmal im grünen 16er an den Ball. Es folgte ein Schuß aus der Drehung aufs grüne Tor, der aber in allerletzter Sekunde vom Tulpe- Abwehrchef Stefan Witt noch geblockt wurde. Diese sensationelle Rettungstat war dann auch die Schlußszene in diesem großartigen "Tatort: Poststadion". Ein hochspannender Krimi, der nichts, wirklich nichts vermissen ließ. Einige Tulpe-Spieler sahen beim Jubeln über das 3:3 auch fast wie Leichen aus, so grün waren viele vor Erschöpfung. Und bei Sebastian Wienges floß auch noch das Blut am linken Bein herunter. Es lief aus der Wunde, die er sich kurz vor Schluß noch in einem der vielen heldenhaften Zweikämpfe gegen die X-Men zugezogen hatte.

So fertig die grünen Zombis nach dem Abpfiff waren, so stolz waren sie auch. Zurecht, hatten sie doch noch das Non-Plus-Ultra aus dieser Partie gegen einen spielerisch überlegenen Gegner rausgeholt. Mourinho klopfte ob der großartigen Leistung allen seinen Jungs auf die Schulter und tanzte für sein Team abschließend noch den Limbo.

Naja, zumindest in Gedanken.