Ein Wochenende voller Wunder.

DAM 2006 - Der große Turnierbericht

07.06.2006

Es war der vierte Auftritt der Grünen Tulpe bei einer Deutschen Alternativ Meisterschaft (DAM), die dieses Jahr schon zum 20ten Mal stattfand. Nach 1989 (Köln), 1998 und 2000 (Regensburg) war es auch in diesem Jahr wieder an der Enklave des so genannten alternativen Fußballs in Bayerns Nord-Osten ein Turnier für 20 Mannschaften auszurichten. Die Grüne Tulpe hatte sich mit einem bunten Bestechungspaket (u.a. Fußballkuchen von Tante Hertha alias Stephan v. D., Blutgrätschenwurst) aber auch mit der vorbehaltlichen Ankündigung eines DAM-Untersuchungsausschusses beworben - und passierte angesichts von soviel Großzügigkeit und Selbstironie die sonst sehr hohe Einladungsschwelle.

Grüne Tulpe DAM 2006

Grüne und Alternativer Fußball: Das ist eine sehr wechselvolle Geschichte, wie sie auch in der geringen Anzahl der Teilnahmen der Grünen Tulpe an DAMen zum Ausdruck kommt. Das einende Band zwischen Grünen und Alternativen Kickern ist zwar die gemeinsame Verachtung des DFB und seiner Funktionäre - was aber nicht bedeutet, dass das DFB-Regelwerk nicht peinlichst beachtet würde. Und auch wenn die meisten Protagonisten der alternativen Teams (wie wir) selbst schon erkennbar in die Jahre gekommen sind und die pragmatische Praxis der radikalen Pose gewichen ist, wurden die Grünen lange Zeit des Verrats an allen Idealen des Linksseins bezichtigt. So regte sich zur Begrüßung im stilechten Bierzelt noch kaum eine Hand des Beifalls für die Tulpe. Bei der Siegerehrung und der Pokalübergabe an unseren Teamchef Wolfgang Helm und unseren "russischen" Innenverteidiger (s.u.), die einmal ganz vorne auf der Bühne stehen durften, wurde auch unsere Teilnahme und unser Erfolg gebührend gefeiert. Somit hatte sich etwas zum Besseren verändert: Stil und Ergebnisse des Auftretens der Grünen Tulpe auf und neben dem Platz fanden breite Anerkennung und häufig auch freundschaftliche Aufnahme.

Es war ein Wochenende der Begegnung und (der kleinen und großen) Wunder. Mit zwei großen Pokalen (für die gute Platzierung und den am weitesten gereisten Mitspieler - Alex Seifert war direkt aus Moskau zum Turnier gereist) und dem guten Gefühl etwas bewegt zu haben, ging es wieder zurück (nach Berlin, Bonn, Frankfurt, Hamburg, Ösiland) - auch mit der Hoffnung im nächsten Jahr in Köln wieder dabei zu sein. Spielerisch hätten wir es auch verdient, denn mit dem 11.Platz erreichten wir di

e beste Platzierung aller unserer DAM-Teilnahmen - und waren auch nur knapp an der Teilnahme an der Endrunde der besten Acht gescheitert. Gespielt wurde in vier Gruppen mit fünf Mannschaften, was für den ersten Tag vier Spiele von jeweils 30 Minuten Dauer bedeutete. Da bei verkürzter Spielzeit schon das erste Tor entscheiden kann, waren alle Teams bemüht von Anfang an alles zu geben - was einen entsprechenden Krafteinsatz erforderte. Vorsorglich war die Grüne Tulpe mit 15 Spielern angereist - eine weise Entscheidung, wie sich im Turnierverlauf erweisen sollte.

Die Spielberichte

Dynamo Windrad Kassel: 0:0


Der erste Gegner war ein alter Bekannter. Vor sechs Jahren waren wir auch gegen die legendäre Alternativmannschaft aus dem ehem. Grenzgebiet zur DDR gestartet - und hatten 0:3 verloren. Das sollte diesmal nicht passieren, wobei die Voraussetzungen ähnlich schlecht waren wie damals: noch nicht aufeinander eingespielt, standen wir etwas unsicher und fanden zunächst nicht richtig zu unserem Spiel. Auf schwerem und unebenen Grund entwickelte die Offensivreihe nicht recht Zug Richtung Tor, so dass das Spiel trotz größerer spielerischer Anteile der Grünen Tulpe etwas unverdient unentschieden endete. Das war umso bedauerlicher, als die Windräder - die Ende der 80er Jahre zur Irritation der Fußball-Funktionäre in West und Ost die Aufnahme in den Ligabetrieb der DDR beantragt und unmittelbar nach Mauerfall auch genehmigt bekamen - nur mit Fremdspielern verstärkt antreten konnten und später Gruppenletzter wurden.

Traktor Bukowski Regensburg: 0:1


Hängende Köpfe gab es kurzzeitig nach dem zweiten Spiel. Zur Irritation des durchaus als Turnierfavorit gehandelten jungen Teams - und späteren Turniersiegers - ergriff die Grüne Tulpe von Anfang an die Grüne Tulpe DAM 2006Initiative. Nachdem es erst etwas an Glück mangelte, kam dann auch noch Pech dazu: alle Bemühungen ein Tor zu erzielen endeten erfolglos. Höchste Zeit für Teamchef Wolfgang Helm zu handeln und die Taktik zu ändern. In Gruppenansprachen und Einzelgesprächen richtete er sein Team wieder auf. Was sich in den Köpfen (und Beinen) der bislang unter Wert geschlagenen Tulpen abspielte, kann im Nachhinein zwar niemand richtig erklären - aber nach diesem Spiel nahm das "Wunder von Regensburg" seinen Lauf:

Hemmungslose Grobmotoriker Regensburg: 2:1


Eigentlich begann das Spiel wie die beiden vorangegangenen. Aber vielleicht hatte die Sonne den Grobmotorikern mehr zugesetzt als uns - die erste Halbzeit war ein Spiel auf ein Tor: auf das der Grobmotoriker. In schönen Kombinationen und Ballwechseln über die Flügel spielten die Tulpen nach vorne und dominierten eindeutig das Spiel. Das ging auch nach dem Seitenwechsel so weiter, nur blieb es brot-, rsp. torlose Kunst. Noch sieben Minuten bis zum Abpfiff: Die Grüne Tulpe wirft alles nach vorne, in der Abwehr gibt es zwei individuelle Fehler und schon hat es gekracht: der einzige Angriff der Grobmotoriker wird mit einem Tor gekrönt. Aber während die Regensburger noch jubeln, werden bei den Tulpen die Stutzen hochgezogen. Beinahe im Gegenzug gelingt mit dem überfälligen ersten Tor durch Asgar Ergin der Ausgleich, dem eine schöne Kombination vorausgegangen war. Emotionen pur. Beinahe unerträgliche Spannung. Sollten wir doch noch die Wende schaffen? Die Zeit verrinnt. Plötzlich, bei einem der letzten Angriffe verletzt sich auch noch unser Daniel schwer.  Er, der im Mittelfeld kämpfte wie ein Stier und auch in diesem Spiel einer der Leistungsträger war, fasst sich ans Knie und schreit vor Schmerzen. Der Turnierarzt eilt sofort herbei und verteilt sein Arnika gegen den Schock. Nicht an die Mannschaft versteht sich. Wir alle befürchteten zu dem Zeitpunkt, dass Daniel einen Kreuzbandriss erlitten hätte, was sich aber glücklicherweise nicht bestätigte. Es scheint nur eine schwere Prellung zu sein (An dieser Stelle noch mal gute Besserung an Daniel!) Minuten vergehen bis Daniel ausgewechselt werden kann. Die normale Spielzeit ist schon lange um und es wird nur eine kurze Nachspielzeit eingeräumt. Wir schreiben somit die allerletzte Minute: Wir erkämpfen auf der rechten Seite doch noch einen Eckball. Allerallerletzte Aktion. Kristoffer "Toffi" Born tritt mit seinem starken Linksfuss - und verwandelt direkt! Schlusspfiff und 2:1. Die Grüne Tulpe war wieder im Turnier. Namenlose Freude bei uns und Entsetzen beim Gegner, der jedoch nur gegen uns verlieren und später Gruppensieger werden sollte.

Rote Hosen Ostberlin: 2:2


Auch wenn es der Teamchef unterbinden wollte: Vor dem letzten Spiel des Tages gegen die alten Bekannten mit den eigenartig sentimentalen Anwandlungen an DDR-Zeiten begann die Rechnerei. Würden die Roten Hosen mit zwei Toren Unterschied geschlagen, könnten wir noch Gruppenzweite werden und damit im Kampf um eine einstellige Platzierung oder sogar den Titel eingreifen. Ein Tor Unterschied bedeutete den dritten Gruppenplatz und brächte uns am nächsten Tag als ersten Gegner den Vierten der Nachbargruppe. Mit der Resteuphorie des vorangegangenen Siegs ging es ins Spiel - und anfangs verlief alles nach Plan. Nach einer sehenswerten "Bogenlampe" aus 25 m Entfernung durch "Toffi" Born ging die Tulpe verdient in Führung. Keine zwei Minuten später verwandelte erneut Born ein Anspiel von Asgar Ergin zur 2:0 Führung. Schockierte Rote Hosen! Doch dann passierte, was nicht passieren durfte. Die Wirkung der eigenen Abseitsfalle überschätzend lief mit einem Mal ein Stürmer der Roten Hosen auf unseren Torhüter Christian Meuschke zu. Sonst "eine Bank" zögerte er einen Moment im Herauslaufen, so dass mit einem 2:1 die Seiten gewechselt wurden. Die letzten 15 Minuten waren dann ausgesprochen unschön - die Nerven der Roten Hosen lagen blank. Jede Entscheidung des Schiedsrichters wurde Diskussionsgegenstand, Palaver statt Fußball. Leider ließen wir uns dadurch aus dem Konzept bringen und fingen noch kurz vor Schluss den Ausgleich. Aus der Traum vom Finale. Platz vier mit 4:4 Toren und fünf Punkten. Dennoch fanden wir einen Weg mit unserer Enttäuschung umzugehen, denn es wurde uns somit schlagartig klar, dass nun einem "verlängerten" Samstagabend in Regensburg nichts mehr im Wege stand.    

Roter Stern Bremen: 2:0


Der ehem. DAM-Sieger griff vor dem Spiel in die psychologische Trickkiste: Spielmacher "Pelle" drohte im Falle einer Niederlage mit dem Austritt aus der Partei. Das half aber nichts. Die Grüne Tulpe war von Anfang an die spielbestimmende Mannschaft und ließ sich auch das Heft des Handelns nicht aus der Hand nehmen. Schon nach zehn Minuten waren zwei schöne Tore gefallen. Erneut zeigte sich Born von seiner besten Seite, indem er den gegnerischen Torhüter mit einem platzierten Fernschuss und danach mit einem Schuss aus spitzen Winkel überlistete. Die wenigen Angriffe der Roten Sterne konnten souverän gestoppt und das Leder virtuos nach vorne gespielt werden. Die einzige Sorge für das Team wurden die sich häufenden Ausfälle: Andrée Böhling mit Achillessehnenproblemen, Ratimir Britvec mit Grippe und später Toffi Born mit einem dicken Zeh ließen das Team auf Sollstärke zusammen schmelzen.


Petermann Stadtgarten 0:0 (4:5 n.E.)


Eigentlich unbegreiflich, warum wir dieses Spiel nicht gewonnen haben. Vielleicht war es die Last des "Siegen müssens", das unsere Beine lähmte. Oder der ungewohnt große Platz des Regensburger Jahnstadions (dessen Rasen wohl schon bessere Zeiten und Zweitligafußball gesehen hat). Beim Spiel um den Einzug zum 9ten Platz versagten die Nerven: erst kein Tor auf dem Feld und dann zwei verschossene Elfmeter. Kein Grund zum Frust, wir hatten in den abgeklärten Oldies aus Köln unsere Meister gefunden.


Satanische Fersen Tübingen 2:0


Bester Dinge ging es ins letzte Spiel (um Platz 11), bei dem wir zur Überraschung von Freund und Feind an unsere beste Leistung des Vortags beim 2:1 gegen die Grobmotoriker anknüpfen konnten. Während der Gegner nach zwei Tagen intensiven Fußballs über schwere Beine klagte (und vorab über ein Elfmeterschießen oder ein Ergebnis "am grünen Tisch" verhandeln wollte), moblisierte die Grüne Tulpe auch ohne Auswechselspieler die letzten Kräfte und spielte leichtfüßig Traumfußball. Kombinationen von links nach rechts, schöne individuelle Leistungen und pure Lust am Fußball wurden völlig zurecht mit schönen Toren von Thomas Flügge und Tresfore Dambe gekrönt. Der Sieg hätte auch noch viel höher ausfallen können, wenn nicht - vielleicht durch die hoch stehende Sonne bedingt - etwas zu eigensinnige Entscheidungen getroffen worden wären. Dennoch lagen wir uns nach dem Abpfiff in den Armen und waren sehr stolz auf uns.

Nach einer Runde blonden Hopfengetränks aus Bayern ging es zum Finale, bei dem wir Grüne Tulpe DAM 2006befriedigt unsere Gruppengegner vom Vortag reüssieren sahen. Kleiner Wermutstropfen war, dass es uns nicht gelungen war die Regensburger Partei-Basis als Fans zu mobilisieren. Aber auch die haben wir - letztlich wohl auch erfolgreich - lautstark zu ersetzen versucht.

Unser Dank galt natürlich den Ausrichtern von Sturmbühne RAF Regensburg und dem Freien Fußball Kollektiv (FFK) Piranhas, die uns ein fantastisches Fußballwochenende ermöglicht haben nach dem wir nicht ohne Stolz ausrufen können: Köln, wir sind bereit!

Weitere Infos zum Verlauf der diesjährigen DAM unter:

www.dam-2006.de

DER POKAL -
gezaubert von einer 5. Klasse aus Regensburg