Rede von Helge Limburg 30 Jahre Internationaler Strafgerichtshof Jugoslawien

Helge Limburg MdB
25.05.2023

Helge Limburg (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Jahrestag der Gründung des Kriegsverbrechertribunals für das frühere Jugoslawien ist kein Grund zum Feiern. Das sage ich nicht, weil ich Kritik üben möchte an der Arbeit des Gerichts. Ganz im Gegenteil: Dessen Wirken verdient – das ist zu Recht heute mehrfach gesagt worden – höchsten Respekt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Aber der Anlass, dieses Tribunal einzurichten, war eben ein erschütternder. Das Ausmaß der Kriegsverbrechen im früheren Jugoslawien hat die Weltgemeinschaft aufgerüttelt und hat nach Konsequenzen gerufen. Beispielhaft seien nur genannt die Belagerung von Sarajevo, der Genozid von Srebrenica oder auch das Massaker im Krankenhaus von Vukovar. Diese und zahlreiche weitere Kriegsverbrechen verlangten nach einer internationalen strafrechtlichen Aufarbeitung.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Kriegsverbrechen geschehen nicht, sie passieren nicht einfach so. Nein, sie werden begangen, bewusst verübt von Menschen. Und diese Menschen müssen sich für ihr Handeln strafrechtlich verantworten. Dafür steht die Arbeit des Tribunals, und dafür – nochmals – verdienen alle Mitarbeitenden Respekt und Anerkennung.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Respekt gebührt aber auch den Opfern und Angehörigen. Immer wieder haben sie es auf sich genommen, in öffentlicher Sitzung von den Grausamkeiten, die ihnen angetan wurden, zu berichten. Wir wissen, wie belastend solche Aussagen sind, und doch sind sie notwendig für die Durchführung rechtsstaatlicher Verfahren. Und sie haben – das ist bereits von Kollegin Alt erwähnt worden – entscheidend dazu beigetragen, dass erstmals sexualisierte Gewalt als Kriegswaffe gerichtlich geächtet wurde.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Die Einrichtung des Tribunals war ein historischer Schritt, weil dieses Gericht erstmals nach den Nürnberger Prozessen dafür stand, dass die Weltgemeinschaft es nicht hinnimmt, wenn fundamentale Prinzipien von Humanität mit Füßen getreten werden. Die spätere Einrichtung des ständigen Internationalen Strafgerichtshofs und des Völkerstrafgesetzbuchs in Deutschland war dann das deutliche Signal, dass dies eben nicht nur ad hoc im Angesicht von Gräueltaten gilt, sondern immer und überall gelten soll. Die Stärkung des Internationalen Strafgerichtshofs – personell, materiell und auch durch Ausweitung der Befugnisse – ist auch eine Verpflichtung aus der Arbeit des Jugoslawientribunals.

(Beifall der Abg. Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Das Völkerstrafgesetzbuch wird und muss auch weiterhin mit Leben gefüllt werden. Es war und ist wichtig, dass syrische Kriegsverbrecher sich vor deutschen Gerichten für ihre Taten verantworten müssen. Es ist wichtig, dass entsprechende Urteile zukünftig häufiger übersetzt und Dolmetscherleistungen ausgebaut werden sollen, weil diese Prozesse und Urteile eben eine Wirkung weit über die unmittelbar Prozessbeteiligten hinaus haben.

Und auch die Ermittlungen gegen russische Kriegsverbrecher durch die internationale Justiz und durch deutsche Behörden basieren letztlich auf dem Rom-Statut und auf dem Völkerstrafgesetzbuch. Auch hier sehen wir die Lehre, aber auch die Mahnung aus der Arbeit des Jugoslawientribunals: Nicht das Recht des Stärkeren, sondern die Stärke des Rechts muss gelten, immer und überall.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP und des Abg. Ingmar Jung [CDU/CSU])

Vizepräsidentin Yvonne Magwas:

Für die Unionsfraktion hat das Wort Ingmar Jung.

(Beifall bei der CDU/CSU)